Unkritische Dokumente
Bekannt ist, dass insbesondere das Handels-, Steuer- und Arbeitsrecht Unternehmen zur Aufbewahrung oder Archivierung bestimmter Dokumente verpflichten. Auch, dass es saftige ordnungs- und strafrechtliche Sanktionen hagelt, wenn steuerrechtlich relevante Emails nicht vorschriftsmäßig aufbewahrt werden. Handelt es sich um Rechnungen, Jahresabschlüsse oder Dokumente wie Personalakten, Zeugnisse oder Urlaubsbelege, kann man ebenfalls davon ausgehen, dass Unternehmen in Bezug auf die Aufbewahrungspflichten hier ausreichend sensibilisiert sind. Diese Dokumente eigenen sich eher weniger für die Kommunikation durch Web-2.0- Technologien im Unternehmen und werden im täglichen Social-Media-Austausch auch nicht eingesetzt. Rechtlich spannend wird es allerdings, wenn es um die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern untereinander sowie zwischen Unternehmen und Kunden geht.
Sozial kommunizieren, klassisch speichern
Gesetzlich ist jeder Kaufmann – gemäß § 257 Handelsgesetzbuch – verpflichtet, sogenannte Handelsbriefe “geordnet aufzubewahren”. Darunter verstehen Juristen alle schriftlichen Kommunikationsformen, welche der Vorbereitung, Durchführung oder dem Abschluss eines Geschäfts dienen. Im Unternehmenskontext bedeutet das Aufträge, Auftragsbestätigungen und Reklamationen. Diese Aufbewahrungspflicht hat das Ziel, Geschäftsprozesse nachvollziehbar zu machen und erstreckt sich im Fall der “Handelsbriefe” auf einen Zeitraum von sechs Jahren. Wie passen diese Vorgaben jetzt mit der eher informellen und unförmlichen Kommunikation über interne soziale Instrumente wie Tweets, Microblogs oder Communities zusammen?
Die gute Nachricht gleich vorweg: ein Verstoß gegen die Aufbewahrungspflicht bei den oben erläuterten “Handelsbriefen” (im Gegensatz zu Dokumenten wie Handelsbüchern, Jahresabschlüssen) wird nicht sanktioniert, und zwar weder handelsrechtlich noch als Ordnungswidrigkeit.
Wenn die Beweislast droht
Relevant wird das Aufbewahren dieser informellen Kommunikationsart aber, wenn im Gerichtsverfahren eine Tatsache streitig ist und auf ein bestimmtes Dokument Bezug genommen wird. Zum besseren Verständnis ein Beispiel: Zwei Parteien streiten sich über die Änderung eines Vertrages. Der Dienstleister behauptet gegenüber dem Unternehmen, er hätte für die Erstellung einer Microsite mehr Zeit veranschlagt, als ursprünglich vorgesehen. Das muss er nun beweisen und durch entsprechende schriftliche Urkunden oder Aussagen belegen. Er hat dazu mit seinem Auftraggeber über eine Social Community gechattet. Wenn er hier nicht nachweisen kann, dass die Kommunikation in klassischer Weise (also per E-Mail) gespeichert wurde, kann es zur sogenannten “Beweislastumkehr” kommen.
Jetzt gerät das Unternehmen womöglich in Erklärungsnot, wenn es diese Aussagen, Dokumentes nicht mehr besitzt, obwohl es zur Aufbewahrung verpflichtet gewesen wäre. Der Richter kann jetzt den behaupteten möglichen Inhalt als bewiesen ansehen. Dafür müssen beide Parteien Kaufmänner im Sinne des Handelsgesetzbuches sein.
Sozialer Dialog: Beweisgrundsätze für das Gericht
Abgesehen von dieser Spezialregelung gilt bei jeglicher Streitigkeit über Vertragsverhältnisse zuerst der erwähnte prozessrechtliche Grundsatz. Jede Partei muss die für sie günstigen Tatsachen beweisen. Insofern besteht keine allgemeine Pflicht zu einer bestimmten Form der Aufbewahrung von Dokumenten.
Will man sich jedoch vor oder während eines Gerichtsverfahrens auf bestimmte Tatsachen, die per sozialem Dialog durchgeführt wurden, berufen, müssen die entsprechenden Beweismittel auch vorgebracht werden, um den Richter zu überzeugen. Elektronisch gespeicherte Dokumente müssen in Form des Speichermediums vorgelegt werden. Emails können bei Verwendung einer digitalen Signatur und ordnungsgemäßer elektronischer Archivierung als Beweisobjekte angesehen werden.
Verlagert sich die Kommunikation auf externe Anbieter wie beispielsweise Facebook oder intern genutzte Web-2.0-Plattformen, ist diese Speichermöglichkeit nicht automatisch gegeben. Das betrifft ganz besonders die erwähnten “Handelsbriefe” , also alles, was mit der Durchführung von Geschäften (z.B. Angebotserstellung) zusammenhängt. So mühselig es ist, sollte ein Unternehmen, das über soziale Kommunikation intern agiert, seine Inhalte prüfen, auf die es in einem Streitfall ankommen könnte. Und sie entweder schriftlich oder per E-Mail speichern. Sonst können Unklarheiten und Missverständnisse entstehen, die bei Email-Kommunikation vermieden werden.
Interner Wissensaustausch unbedenklich
Kommunizieren die Mitarbeiter munter miteinander, bestehen keine Archivierungspflichten. Hier gilt ebenso das oben Gesagte: Sobald die Dokumentation von Arbeitsergebnissen – beispielsweise für die Fortschrittskontrolle eines Projektes – in einem späteren Beweisverfahren von Bedeutung sein könnte, sollten nur solche Medien verwendet werden, die intern gespeichert und später wieder abgerufen werden können.
Die Crux mit dem Persönlichkeitsrecht
Weiter wichtig: Werden beispielsweise über Microblogs oder Instant Messenger Informationen ausgetauscht, kann deren Speicherung auch datenschutzrechtliche Konsequenzen haben. Nach dem Bundesdatenschutzgesetz ist eine solche Speicherung nur zulässig, wenn sie keinen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters darstellt. Bei rein geschäftlicher Kommunikation wird das zwar eher nicht der Fall sein. Es ist aber mittlerweile in der Geschäftswelt gang und gäbe, dass ein Arbeitnehmer die Web-2.0-Dienste auch für persönliche Kommunikation nutzt, gewissermaßen als Ersatz für das persönliche Gespräch. Das Unternehmen sollte daher rechtzeitig darauf hinweisen, dass eine Speicherung erfolgt und beispielsweise die Social Software nur zur geschäftlichen Kommunikation vorgesehen ist.
Fazit
Aufbewahrungspflichten im Bereich des Arbeits- und Steuerrechts sowie handelsrechtliche Bestimmungen zur Aufbewahrung von Jahresabschlüssen, Handelsbüchern sollten gerade auf Basis kollaborativen Arbeitens beachtet werden. Im Bereich der sonstigen Unternehmenskommunikation spielen Aufbewahrungs- oder Archivierungspflichten keine große Rolle. Microblogs sind vergleichbar mit mündlicher Kommunikation; eine Speicherung kann datenschutzrechtliche Konsequenzen haben und sollte nur nach entsprechender Aufklärung des Mitarbeiters erfolgen. Um rechtlich sauber zu sein, empfiehlt sich der Einsatz von E-Mails bei der Kommunikation zum Arbeitsverhältnis sowie bei Geschäften zwischen dem Unternehmen und externen Vertragspartnern. Denn, damit besteht eine rechtskonforme Speichermöglichkeit.
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