Man ist ihm einfach nicht ausgekommen diesen Monat, dem Tod.
Ein herrliches Foto hat die Süddeutsche Zeitung am Montag in ihrem Bayern-Teil abgedruckt. Zu sehen war eine herbstliche Bergwiese, dahinter versetzt einige Gebirgszüge der Alpen und über allem ein strahlend blauer Himmel. Jedem Einheimischen oder gut assimilierten Zugereisten geht bei so einem Anblick doch sofort eines durch den Sinn: „Wenn’s hier in der Nähe auch noch eine bewirtschaftete Hütte gibt, in der ein gutes Bier ausgeschenkt wird, dann ist dies das Paradies!“
Aber nein. Der Redakteur hat sich in der Bildunterschrift ein paar dürre Worte zum prächtigen Wetter abgequält, um dann beleidigt hinzuzufügen, dass jenes aber gar nicht zur Jahreszeit passe, zum „Todesmonat November“.
Ein Hauch lustvoll verblasenen Verwesungsgeruchs hat in den vergangenen Wochen die bundesdeutsche Medienlandschaft durchweht. Hubert Burda kokettierte in der Springer-Presse publikumswirksam mit seinem Ableben, obwohl das nun wirklich nicht ansteht: „Ich bereite mich auf den Tod vor“ (Bild vom 24.11.).
Und Die Welt (vom 26.11.) thematisierte, wie man die letzten Dinge im social Web am besten regelt: Die Hinterbliebenen könnten doch „Facebook-Freunde des Verstorbenen als Status-Update im Feed“ von dessen Dahinscheiden unterrichten. – Das muss wohl Pietät 2.0 sein.
Was einem dann aber doch etwas aufs Gemüt schlägt: Bei der Suche nach solchen Artikeln, die eigentlich wirklich komisch sind – quasi: zum Todlachen – bietet einem Google an: „E-Mail-Benachrichtigung für Tod erstellen“. Da fährt man halt doch vorsichtshalber Outlook herunter. Man stelle sich nur vor, ausgerechnet jetzt käme eine Mail an – vielleicht von: Mr. D., Betreff: My arrival tomorrow. – Und so ergreift er schließlich doch Besitz von einem, dieser unsägliche Gedanke.
Und es wird ja nicht nur in den Zeitungen gestorben – weil das in dieser Jahreszeit gut für die Auflage zu sein verspricht. Sondern wenn’s mit der Auflage wegen des Internet über längere Zeit nicht geklappt hat, dann sterben die Zeitungen sogar selber, die Frankfurter Rundschau etwa und die Financial Times Deutschland.
Kommunikationswissenschaftler wissen: Medien altern mit ihren Konsumenten. Wer als Youngster bloß twittert, wird später nur selten ein Zeitungsleser. Und da fühlt man sich als jemand, der generationsbedingt es sich einfach nicht vorstellen kann, mit dem Tablet statt mit der Zeitung aufs Klo zu gehen, doch etwas unwohl. – Und Zuspruch bekommt man von journalistischen Boandlkramern – bayerisch für Knochenhändler, auch: Tod – dieser Tage nun wahrlich nicht.
In Wikiquote hingegen findet sich Tröstliches zum Thema, die Erkenntnisse des Epikur (341 v.Chr. – 270 v.Chr.): „Das schauerlichste Übel also, der Tod“, schrieb der an seinen Spezl Menoikeus, „geht uns nichts an; denn solange wir existieren, ist der Tod nicht da, und wenn der Tod da ist, existieren wir nicht mehr.“
Und von Epikur ist bekannt, dass er daraus – bevor sein Tod da war – durchaus die richtigen Schlüsse zu ziehen wusste, ist doch die zentrale Kategorie seiner Philosophie die Lebenslust.
Aber Epikureer, also gelassene, lebensfrohe Menschen, sind offenkundig in den Medien in der Minderheit. Und so hat das Fernsehen im November eine Woche lang zum Thema Tod gesendet. „Du wirst sterben“, hat einen der Trailer angeblafft, wenn man beim Abendessen ferngesehen hat. Und man hat sich erschreckt gefragt, ob etwa mit der Leberwurst auf der angebissenen Semmel vor einem etwas nicht in Ordnung sein könnte.
“Letzte Ausfahrt Paradies“ betitelte Anne Will ihre dienstägliche Talk-Show, womit aber mitnichten die herrliche Berglandschaft – vielleicht sogar mit Wirtshaus – aus der SZ gemeint war. Sondern weiter: „Gibt es ein Leben nach dem Tod?“
Ein dankbares Thema für so eine Sendung. Darüber lässt sich’s hemmungslos plaudern. Denn keiner der Talker muss befürchten, irgendwann definitiv widerlegt zu werden.
Ansonsten lässt sich diese Frage nur modifiziert beantworten: Mit Sicherheit gibt es ein Leben vor dem Tod. Und in dem wiederum gibt es Berggasthöfe, wo man Bier und Leberwurst bekommt und beim Brotzeitmachen eine Zeitung aus Papier lesen kann – denn fettige Finger hinterlassen ja auch so hässliche Schlieren auf dem Smartphone.
Und wenn man die Zeitung dann weglegt, entdeckt man vielleicht am Nebentisch eine schöne Bergwanderin, die einen lieb anlächelt. Manchmal geht die mit einem dann sogar ein Stück – den Berg hinauf oder durchs Leben.
So eine Bergwanderung kann man auch in diesen Tagen noch machen oder nächstes Frühjahr wieder, eigentlich zu jeder Jahreszeit, einer Zeit halt – wie’s Epikur formuliert hätte – in der einen der Tod nichts angeht.
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