IRQ 12-10: Das Elend der Kommunikation
Die Unternehmenskommunikation von Apple ist perfekt. Die von Google verbesserungsbedürftig. Sich um die von Microsoft Gedanken zu machen, lohnt wohl nicht mehr. Und die von Hewlett-Packard fragen sich vielleicht, was das eigentlich ist.
Man möge doch bitte mithelfen, die Unternehmenskommunikation der Firma des Absenders zu verbessern. Mails solchen Inhalts bekommen Schreiber dieser Tage wieder en masse zugeschickt.
Eingebettet ist in der Regel der Link zu einer Web-Seite, die aussieht wie ein Multiple-Choice-Test für BWL-Erstsemester mit Studienschwerpunkt Marketing. Diese Form muss wohl sein. Denn Unternehmenskommunikation ist wichtig, weil Teil des Geschäfts, und kann deshalb nicht den Unwägbarkeiten des frei formulierten oder gar des gänzlich freien Worts überlassen werden.
Dass hier jetzt in meist vollständigen Sätzen über die Kommunikation großer IT-Konzerne geschrieben wird, liegt denn auch einzig und allein daran, dass es sich um eine Glosse handelt, dem letzten Reservat der Ernsthaftigkeit in einer Welt der modernen kommunikativen Real-Satire. Glossen klingen deshalb immer etwas antiquiert und getragen. Wohlan!
Als wirklich „ganzheitlich“ muss das Bild bezeichnet werden, das Hewlett-Packard von sich vermittelt. Als Schreiber erschließt sich einem das, wenn man mehrmals sämtliche Nummern der HP-Pressestelle erfolglos durchtelefoniert hat und auch hinterhergesandte Mails ohne Antwort geblieben sind. Dann erfährt man vielleicht von der auf der Web-Site aufgeführten PR-Agentur, dass eine andere zuständig ist, wo man einem aber nichts sagen kann.
Das harmoniert doch ganz wunderbar mit einem Unternehmen, worin High-Tech-Firmen wie DEC, Compaq und Tandem aufgegangen sind, das anschließend Hochtechnologie ausgelagert hat, um sich auf PCs und Druckertinte zu konzentrieren, zwischenzeitlich mal ankündigt, das PC-Geschäft zu verkaufen, das aber schließlich auch wieder revidiert.
Konsequent setzt Hewlett-Packard denn auch in seiner Kundenkommunikation, vulgo: Werbung, einem Song aus dem Picture Book der britischen Band The Kinks ein. Das ist eine CD-Sammlung, worin auch ein Lied enthalten ist mit dem schönen Titel: „Were have the good times gone?
Angesichts der vielen Chef-Wechsel könnte man die HP-Unternehmenskommunikation höchstens noch mit einem Rolling-Stones-Titel von 1966 verbessern: „Who is driving your plane?“ Dieser ließe sich dann noch um einige Ergänzungsfragen erweitern, etwa: „Sind Sie sicher, dass es sich überhaupt um ein Flugzeug handelt und nicht um ein Fahrrad? – Oder ein U-Boot?“ Und: „Tun sich Ihre PCs mit Information genauso schwer wie Ihre Organisation?“
Ganz anders kommt die Unternehmenskommunikation von Apple daher. Man erreicht in der Regel sofort den Pressesprecher, der einem freundlich und präzise antwortet – meist auf die Frage: „Gell, da sagen Sie doch nichts zu?“ – „Nein“, antwortet der dann, „dazu sagen wir nichts.“
Mit „Tongue tied“ von der US-Gruppe Grouplove wirbt Apple, was sich vielleicht mit „geknebelter Zunge“ übersetzen ließe. Dem Verhältnis des Konzerns zu den meisten Schreibern tut das keinen Abbruch. Vor dem Verkaufsstart eines jeden iGadgets veranstaltet die Journaille einen gewaltigen Medien-Hype.
Schlecht bezahlte Schreiber erledigen so einen Großteil der Kundenkommunikation des Konzerns, so wie schlecht bezahlte chinesische Wanderarbeiter die Produktion erledigen: Apple’s Unternehmenskommunikation ist perfekt. Selbst intensives Suchen im Rolling-Stones-Songbook ergibt nichts, womit sie sich verbessern ließe.
Etwas anders sieht es bei Microsoft aus. Die Öffentlichkeitsarbeit des Unternehmens ist durchaus vergleichbar mit der von HP, auch wenn’s nicht gar so chaotisch zugeht. Immerhin sind Pressesprecher und –sprecherinnen in vier Hierarchieebenen auf der Web-Site des Unternehmens gelistet, allerdings ohne Telefonnummern, wohl damit niemand die Kommunikation mit lästigen Fragen stört.
Für Windows 8 wirbt der Konzern mit „Everything at once“ von der australischen Sängerin Lenka, was behaupten soll, es handele sich dabei um ein Betriebssystem für PCS, Tablets und Smartphones gleichzeitig. Erfahrene User dürften damit aber eher einen Stones-Titel von 1965 assoziieren: „This could be the last time“.
In der Google-Pressestelle schließlich steht ein mit der fröhlichsten aller Pressesprecher-Stimmen besprochener Anrufbeantworter. Dort kann man sein Anliegen hinterlassen, ohne befürchten zu müssen, mit einem Rückruf belästigt zu werden. Bei Google nämlich muss man fröhlich sein. Denn die bei Google sind ja die Guten.
Schließlich lautet das Motto des Konzerns: „Don’t be evil“. Was ihm allerdings seit geraumer Zeit niemand mehr so recht abnehmen will. Deshalb hat er sich in seiner Werbung aufs Winseln um Zuneigung verlegt mit „Gimme love“, einem Song von The Vines.
Und das offenbart ein gravierendes Kommunikationsdefizit. Google kann man sich vorstellen wie einen gewaltigen nebenläufig programmierten Trojaner, der auf einer Million Servern gleichzeitig läuft. Wenn so ein Konzern geliebt werden will, dann geht das nicht mit dem Liedgut einer unerfahrenen australischen Band.
Google zu lieben, setzt vielmehr unbedingt eines voraus, formuliert im größten aller Stones-Songs, dem von 1976: “Sympathy for the devil“.