Cloud-Computing verliert Schrecken
Das Rechnen in der Wolke hat sich in diesem Jahr weiter durchgesetzt – und folglich stieg die Zahl der Anbieter und Lösungen. SAP kaufte hierzu SuccessFactor und Oracle konterte mit der Akquisition von Taleo. Microsoft baute hierzu ein neues Rechenzentrum in Irland und Dell folgte mit einem RZ in Halle. Bitcom meldete im Frühjahr, dass der deutsche Cloud-Markt erstmals die 5-Milliarden-Euro übersteigen wird. Im Mai legte HP mit seiner ersten Public-Cloud los, um damit gegen Amazon zu konkurrieren. Auch Google stieg im Juni ins Geschäft mit Infrastructure-as-a-Service ein. Seit dem liefern sich Amazon und Google heiße Preiskämpfe – den Anwendern kann‘s nur Recht sein. Erwartungsgemäß haben im November EMC und deren Tochter VMware endlich ihre Cloud-Aktivitäten in einem eigenständigen Unternehmen zusammengefasst.
Ambivalent: Social Business und BYOD
Nicht eindeutig war der Trend bei Social Business, also der Anwendung von Social Media innerhalb des Unternehmens. IBM berichtete im Januar auf der Lotusworld von vielen erfolgreichen Installationen. Auch Salesforce schwärmte im September auf der Dreamforce von tausenden an Chatter-Arbeitsplätzen. Doch verschiedene Studien und Analysten meinten zum Jahresende hin, dass der Durchbruch erst im nächsten Jahr erfolgen wird. „Social Business steht erst jetzt vor einer breiten Akzeptanz und Nutzung“, meinte beispielsweise Forrester-Analyst Rob Koplowitz.
Rückläufig war auch der Trend zum eigenen Handy/Tablet im Firmeneinsatz. Ende September erklärte IDC, dass die Bedeutung des einst gehypten „Bring Your Own Device“ (BYOD) deutlich zurück geht.
Regierungen streiten ums Copyright im Internet
Ums Internet wurde weltweit viel gestritten. Anfang des Jahres machten SOPA und PIPA weltweit Schlagzeilen, Das waren US-Gesetzesvorlagen, mit denen die Haftung von Webseitenbetreibern erweitert werden sollte. Doch nach dem Amazon, Facebook, Wikipedia und Google ihre Seiten kurzfristig dunkel schalteten platzten die Vorlagen. Das Thema war aber noch nicht vom Tisch. Immer wieder gab es Vorstöße in den USA dem Drängen der Filmindustrie nach schärferer Internetkontrolle nachzukommen. Der Nachfolger hieß dann CISPA. Doch auch er bekam keine Rückendeckung in der Industrie. Im April stoppten Microsoft und Mozilla den anfänglichen Support und danach gab es ein Veto von Präsident Obama. Auch die europäische Variante ACTA fiel bei der EU durch, sodass sich bislang nichts geändert hat.
Big Data: Alle reden davon – Obama nutzte es
Big Data hat sich im abgelaufenen Jahr zu einem Thema entwickelt, das bereits in der Publikumspresse ausgiebig diskutiert wird. Eine besonders spannende Anwendung von Big Data wurde Mitte November bekannt, nach dem die 150 IT-Mitarbeiter von Barack Obama an die Öffentlichkeit traten, um zu erläutern, was sie mit den Milliarden gemacht haben, die Obama für seinen Wahlkampf bekommen hat. Deren Predictive Analytics hatten stets einen deutlichen Wahlsieg vorhergesagt und lagen damit völlig richtig – ganz im Gegensatz zu den gesamten US-Meinungsumfragen. Ganz nebenbei stellte Obama auch noch einen Twitter-Rekord auf.
Apple und Foxconn: Eine unendliche Geschichte
Anfang des Jahres eskalierte die Situation beim Apple-Zulieferer Foxconn weiter. Im Januar musste Apple melden, dass man erneut Verstöße gegen geltendes Arbeitsrecht festgestellt habe. Tim Cook sah sich Ende Januar sogar zu einer öffentlichen Erklärung veranlasst: “Wir kümmern uns um jeden Arbeiter in der Lieferkette”, schrieb er in einer Mitteilung an die Belegschaft. Doch das half nicht viel. Mitte Februar gab es weltweite Proteste von Kunden vor den Apple-Stores und Apples Image bekam einen kräftigen Dämpfer. Die Aktionen hatten Erfolg.
Die Löhne wurden deutlich erhöht und die Fair Labor Association startete eine Untersuchung an deren Ende die Aufsichtsbehörde im August bescheinigte, dass sich die Arbeitsbedingungen deutlich verbessert haben. Doch bereits vier Wochen später gab es Schlägereien und Arbeitsniederlegungen, die auf zu hohe Qualitäts-Ansprüche bei den neuen Apple-Produkten zurückzuführen waren. Im November überraschte Foxconn dann mit der Nachricht, dass man in den USA produzieren will. Als Standorte wurden Los Angeles und Detroit gehandelt. Doch weitere Angaben fehlen bis heute. Dafür platzte Apple-Chef Cook in einem TV-Interview im Dezember mit der Ankündigung heraus, dass er 100 Millionen Dollar in eine US-basierte Mac-Fertigung investieren will, die schon im nächsten Jahr anlaufen soll.
IT und die Wirtschaft – nicht immer nur Freunde
An der Börse machten vor allem zwei IT-Unternehmen Schlagzeilen: Apple (positive) und Facebook (negative). Apple entwickelte sich zum wertvollsten Unternehmen der Welt und CEO Tim Cook brach mit einer Tradition seines Vorgängers Steve Jobs. Mitte März verkündete er, dass man im Juni erstmals seit 17 Jahren wieder eine Dividende zahlen will – wenn auch nur 45 Milliarden der angehäuften 100 Milliarden Dollar Barvermögen. Am 17. September erreichte der Kurs mit dann mit 702 Dollar seinen bisherigen Höchstwert. Das entsprach einer Marktkapitalisierung von 660 Milliarden Dollar, womit Apple sich zum weltweit wertvollsten Unternehmen aufgeschwungen hatte.
Facebook wollte wohl ganz schnell zu Apple aufschließen und setzte seinen Unternehmenswert vor dem IPO bereits auf 104 Milliarden Dollar fest – immerhin mehr als HP und Dell zusammen. Doch dann kam alles ganz anders. Der Ausgabekurs von 38 Dollar war viel zu hoch, es gab Probleme mit der NASDAQ-Börse und bis Mitte September fiel der Kurs auf 17.55 Dollar. Anleger klagten.
Facebook führte auch bei den Akquisitionen des Jahres die Schlagzeilen. Für 1 Milliarde Dollar kaufte man im Mai den Fotodienst Instagram – ein Unternehmen mit nur rund ein Dutzend Mitarbeiter. Den gleichen Betrag blätterte Microsoft im Juni auf den Tisch, um damit den Business-Social-Media-Startup Yammer zu kaufen. Auch VMware griff tief in die Tasche. Für 1,3 Milliarden kaufte der Spezialist für Server-Virtualisierung im Juli Nicira, ein Unternehmen für Netzwerk-Virtualisierung. Ciscos Akquisition von Meraki geht in die gleiche Richtung. 1,2 Milliarden zahlte man im November für den Startup.
Tausende Arbeitsplätze abgebaut
Auch an Entlassungen, beziehungsweise an entsprechenden Ankündigungen hat es nicht gemangelt. Den Start machte IBM im Februar mit der Ankündigung von 8000 Stellenstreichungen. HP-Chefin Meg Whitman kündigte dann im Mai 27.000 Entlassungen an. Im Juni ergänzte die deutsche HP-GmbH diese Meldung mit der Ankündigung von 1000 Entlassungen in Deutschland. Im September korrigierte Meg Whitman die Gesamtzahl auf 29.000. Doch auch das erscheint inzwischen als zu gering angesetzt. Im Juli meldete auch Cisco, dass man sich von 2 Prozent der Belegschaft trennen will, das entsprach rund 1300 Arbeitsplätzen.
Im Vergleich zu den HP-Zahlen war dann die RIM-Ankündigung im Mai über den Abbau von 2000 Stellen relativ harmlos. Im Juni folgte RIM-Konkurrent Nokia mit der Meldung, dass man das Werk in Ulm schließen will und insgesamt 10.000 Mitarbeiter entlassen muss. Anfang November reihte sich dann Ericsson in diese Liste der Mobilfunk-Unternehmen ein und meldete, dass man 1550 Jobs streichen muss. Google wickelte Motorola immer weiter ab. Im August berichtete die New York Times, dass dort 4000 Stellen gestrichen werden. Eine Meldung, die inzwischen durch Werksschließungen und dem Verkauf von Fabriken erhärtet wurde.
Die Probleme auf dem PC- und Servermarkt gingen auch an Microsoft nicht spurlos vorüber. So tauchten im Juli in den USA Medienberichte auf, wonach Microsoft „hunderte an Stellen streichen will“. Das war zwar angesichts der 90.000 Beschäftigten nicht viel. Doch es waren die ersten Entlassungen bei Microsoft seit Jahrzehnten. Auch der Intel-Konkurrent AMD musste im Oktober eingestehen, dass man knapp 2.000 Stellen abbauen will. Hierzu gehörte auch der Abbau der Präsenz in Dresden.
Akquisitionen: Viel Geld verbrannt
Milliardenabschreibungen gab es auch in diesem Jahr in einem durchaus nennenswerten Umfang. Microsoft meldet im Juli die Abschreibung von 6,2 Milliarden Dollar für den erfolglosen Einstieg ins Online-Werbegeschäft und das entsprechende Quartalsergebnis bescherte dem Software-Riesen den ersten Quartalsverlust seit dem Börsengang im Jahr 1986. HP hatte sogar zwei solcher Verlustpakete zu melden. Im August strich man 8 Milliarden Dollar vom Wert der EDS-Akquisition. Im November kamen dann nochmal 8,8 Milliarden Dollar für die Autonomy-Akquisition hinzu. Damit schaffte HP-Chefin Meg Whitman die Rekordabschreibung von knapp 17 Milliarden Dollar in nur sechs Monaten.
Köpferollen als Normalzustand
Die Halbwertzeiten für einen CEO-Job in der IT-Branche wurden im abgelaufenen Jahr immer kürzer. Am 4. Januar meldet Yahoo ganz stolz, dass man mit Scott Thompson endlich einen Nachfolger für die geschasste Carol Bartz gefunden habe. Seine erste große Tat: Facebook eine Milliardenklage an den Hals hängen.
Auch Yahoo-Gründer Jerry Yang nahm im Januar seinen Hut als Board-Member. Am 14. Mai war Thompson schon wieder weg, da er seinen Lebenslauf zu sehr frisiert hatte. Also musste wiedermal ein Interims-CEO ran. Diesmal war es der für den Bereich Global Media verantwortliche Ross Levinsohn. Der ging dann im Juli, nachdem das Board Marissa Mayer von Google geholt hatte. Ihre erste Tat: Die Facebook-Klage wieder fallen lassen.
Der einst als Bill Gates‘ Nachfolger gehandelte Ray Ozzie hatte Microsoft schon 2011 verlassen, doch im Januar tauchte er wieder auf. Diesmal als Chef des Startups Cocomo, von dem man noch immer nicht weiß, was das für eine Firma ist – außer dass sie viele Experten für Android und iOS sucht. Auch eine andere ehemalige IT-Größe meldete sich Anfang Februar auf diese Art zurück. Jonathan Schwartz, bis zur Übernahme durch Oracle war er CEO bei Sun. Er startete einen Cloud-Dienst für pflegebedürftige Personen.
Was aus den beiden RIM-Gründern CEOSs Jim Balsillie und Mike Lazaridis geworden ist, weiß man nicht. Doch auch sie mussten im März ihren jeweiligen Hut nehmen. Deren Job übernahm der ehemalige Siemens-Manager Thorsten Heins. Seine erste Amtshandlung war, dass er alle geplanten Neuankündigungen nach hinten verschob. Inzwischen ist das Blackberry 10 um nahezu ein Jahr verspätet. Aber Ende Januar soll es nun endlich so weit sein.
Über einen Tablet-Misserfolg stolperte auch Jon Rubinstein, der einst CEO bei Palm war und nach der HP-Übernahme Chef der neuen Tablet-Abteilung wurde. Doch HPs TouchPad floppte genauso wie viele andere Möchtegern-iPad-Konkurrenten, und damit war für Rubinstein kein Platz mehr im HP-Management-Team. HP hatte noch einen anderen Sündenfall. Im Mai musste Michael Lynch seinen Schreibtisch räumen. Lynch war zuvor CEO bei Autonomy Software und kam über die 11-Milliarden-Dollar teure Akquisition zu HP. Die Meldung erhielt damals kaum eine Beachtung. Doch damit war eine Zeitbombe gezündet, die Ende November hochging, als HP-Chefin Meg Whitman Autonomy und Lynch der Bilanzfälschungen beschuldigte, wodurch HP einen Schaden von 5 Milliarden Dollar erlitten habe.
Anders die Situation bei Microsoft. Hier stolperte Steve Guggenheimer über einen Tablet-ERFOLG. Bis Juli war er bei Microsoft Chef der wichtigen OEM-Gruppe. Doch kurz nach dem Einstieg von Microsoft ins Hardware-Geschäft ging er in Dauerurlaub. US-Berichten zufolge stand sein Telefon nach der Surface-Ankündigung nicht mehr still, da sich alle OEMs lauthals beschwerten.
Ende Juni nahm der von der Telekom in den USA eingesetzte Statthalter Philipp Humm seinen Hut. Ob freiwillig oder unfreiwillig ist unklar. Auf jeden Fall wurden die finanziellen Probleme des US-Ablegers T-Mobile unter seiner Herrschaft immer größer. Humm hatte eine Übernahme durch AT&T eingefädelt, die aber von den Kartellwächtern abgeblasen wurde. Seinen Stuhl übernahm am 22. September John Legere, der einst als CEO von Global Crossing dessen Pleite anmelden musste. Seine erste Aktion bei T-Mobile war ein Sale-and-Lease-Back-Deal mit deren Antennen-Masten, der 2,4 Milliarden Dollar Bargeld in die Kassen spülte.
Am 25. Juli war die CEO-Zeit für Enrique Salem bei Symantec abgelaufen. Er hatte diesen Job drei Jahre zuvor von John Thompson übernommen und sollte endlich die Synergien schaffen, die sich Thompson von der milliardenschweren Veritas-Akquisition versprochen hatte. Doch das klappte nicht und die Rückbesinnung auf Security bewirkte keinen Umsatz- und Gewinnschub.
Ende Oktober packten auch Scott Forstall und John Browett ihre Sachen am Apple-Hauptsitz in Cupertino. Forstall wurde einst als Nachfolger für Steve Jobs gehandelt, doch mit dem Landkarten-Chaos bei iOS 6 hatte es sich der Software-Chef mit allen Kollegen verdorben. Browett war für den Retail-Bereich verantwortlich und es war im vorigen Jahr Cooks erste Neueinstellung als CEO. Der Engländer kam von einem Billigdiscounter und wollte gleiche Methoden bei den Apple-Stores einführen. Nach massiven Protesten der Mitarbeiter schmiss Cook ihn wieder raus.
Ein richtiger Paukenschlag kam dann im November aus Redmond: „Steven Sinofsky, Präsident der Windows Division hat Microsoft mit sofortiger Wirkung verlassen“, hieß es lapidar. Was genau die Ursachen waren ist weiterhin unklar. Auf keinen Fall erfolgte die Hals-über-Kopf-Trennung in freundlicher Stimmung.
Weniger überraschend war die Ankündigung von Paul Otellini, sich frühzeitig in den Ruhestand zu verabschieden. Nach 40 Jahren mit kräftigem Intel-Wachstum, davon die letzten 7 als CEO, hatte er keine Lust auf negative Zahlen und Schlagzeilen. Dennoch soll der Aufsichtsrat von diesem Schritt überrascht gewesen sein.
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