Netzwerkstrategie: “Mobilfunkbetreiber müssen zusammenarbeiten”

Tim Sherwood. Quelle: Tata Communications.

silicon.de: 2013 werden Unternehmen zu Mobile-First-Unternehmen, sagen Experten. Die Herausforderungen an das mobile Ökosystem aber sind enorm. Sind Europa und Deutschland dem Wandel überhaupt gewachsen?

Sherwood: Im Vergleich zu den USA oder einigen asiatischen Märkten, verlief der Roll-out und die Einführung fortschrittlicher mobiler Breitbandtechnologien, die aus der Netzwerkmigration zu LTE hervorgehen, in Europa langsam. Dennoch zählen einige deutsche Betreiber wie Vodafone oder T-Mobile zu den “Early Adopters” bei den kommerziellen LTE-Netzwerkangeboten. Zudem nehmen deutsche Netzbetreiber eine Führungsrolle bei Initiativen wie HD Voice oder Rich Communications Suite (RCS)-Services ein.

Unabhängig davon müssen Europa und Deutschland noch einige Fortschritte machen, um intelligente Geräte und benötigte 4G-Netzwerke großflächig abdecken zu können. Weltweit bemühen sich Anbieter mobiler Services, noch mehr Nutzen aus den Innovationen, die auf Geräten und Applikationen basieren, zu ziehen, um die Anforderungen ihrer Kunden zu erfüllen. Der langfristige Erfolg der Mobile Service Provider wird von ihrer Fähigkeit, Innovationen voranzutreiben, abhängen.
Die Strategie dafür sollte sowohl die organische Entwicklung kreativer Endanwenderprodukte und –Services beinhalten, als auch die Entwicklung der Infrastrukturkapazitäten, um mit Application Service Providern zusammenarbeiten zu können.

silicon.de: Wo ist der Handlungsbedarf im Hinblick auf Deutschlands Mobilfunknetze aktuell besonders groß?

Sherwood: Mobile Service Provider in Deutschland sollten auch weiterhin die mobile Breitbandkonnektivität ausbauen. Als nächster Schritt sollten die Kapazitäten der Next Generation Networks zeit- und kosteneffektiv eingesetzt werden. Im Januar 2012 verkündeten Telefonica Deutschland und die Deutsche Telekom, künftig Netzwerkinfrastrukturen gemeinsam zu nutzen – ein gutes Beispiel dafür, dass Betreiber zusammenarbeiten können, um die Reichweite und Kapazitäten ihrer Netzwerke zu vergrößern.

Zusätzlich müssen Betreiber mobiler Netzer evaluieren, wie sie verschiedene Methoden zum Netzwerkzugriff – wie etwa WiFi – zusammen mit 4G, in ihre Einführungsstrategien integrieren können, um ein Breitbandnetzwerk mit hohen Kapazitäten und geringen Kosten zu schaffen. Dazu müssen vorhandene Netzwerke weiterentwickelt werden und Betreiber in operative Verwaltungskapazitäten investieren, um dem Endanwender einen störungsfreien Service und Leistung über verschiedene Netzwerke hinweg bieten zu können.

silicon.de: Wie müssen sich Provider jetzt für die kommenden Jahre vorbereiten?

Sherwood: Der rasche Anstieg mobiler Daten wurde nun bereits seit mehreren Jahren vorausgesagt. Mobile Network Provider müssen sich darauf vorbereiten, das erwartete Traffic-Aufkommen nicht nur zu unterstützen, sondern dies auch in einer profitablen Weise zu tun. Mobile Network Provider sollten ihren Fokus auf kreative Marketingangebote und neue Geschäftsmodelle setzen, um den Umsatz anzukurbeln und die Investitionen ins Netzwerk zu monetisieren. Die Herausforderung liegt darin, mehr Nutzen aus dem Anstieg des mobilen Daten-Traffics und den Innovation rund um mobile Endgeräte und Applikationen zu ziehen. Um erfolgreich zu sein und segmentiertere Angebote bieten zu können, sollten sich Betreiber darauf konzentrieren, die Qualität der Erfahrung abzugrenzen.

silicon.de: Um den rieseigen Datenmengen Herr zu werden, die über mobile Netzwerke fließen werden, braucht es nicht nur die richtige technologische Ausrüstung sondern auch die dazu passende Strategie – welche Herangehensweise empfehlen Sie?

Sherwood: Wir sind der Ansicht, dass Mobile Service Provider eine Netzwerkstrategie umsetzen müssen, um dem Datenwachstum kosteneffizient zu begegnen. Dies wird über den Zugriff über mehrere Netzwerktypen wie 3G, 4G oder WiFi möglich. Mobile Service Provider können ihre Umsätze und Gewinne erhöhen, indem sie ihre Datenangebote breiter segmentieren und sich dabei primär auf die Abgrenzung des Qualitätserlebnisses fokussieren. Dazu sehen wir eine Beschleunigung in der Kooperation zwischen mobilen Betreibern und “Over-the-Top—Providern (OTT), um noch verlockendere Applikationen und Services für den Endanwender zu entwickeln.

Um diese Strategie umsetzen zu können, müssen Mobile Service Provider in ihre Netzwerke investieren – inklusive mehrerer Zugriffstypen – und Netzwerkmanagementfunktionen einsetzen, um über die verschiedenen Zugriffsnetzwerke störungsfrei Dienstverfügbarkeit und –kontinuität zu bieten. Die Flexibilität und Skalierbarkeit des Kernnetzwerks ist bei der Bereitstellung des richtigen Support-Levels essentiell, um die passende Kundenerfahrung zu bieten, die auf den genutzten Applikationen, inklusive QoS, Sicherheit und Traffic Management, basiert.

Mithilfe fortschrittlicher Richtlinienverwaltung und –analyse, können mobile Anbieter Service-Pakete schnüren, um die unterschiedlichen Anforderungen der verschiedenen Kundensegmente zu bedienen – angefangen bei Gelegenheitsnutzern bis hin zu Unternehmenskunden. Kritische Infrastrukturkapazitäten sind nötig, um differenzierte Qualitätserfahrungen zu bieten. Dies beginnt schon bei BSS-Systemen, um innovative Datenpakete zu entwickeln und zu zahlen; dazu zählt auch die Unterstützung von neuen Geschäftsmodellen sowie Managementfunktionen für Netzwerk und Traffic. Auch eine robuste Reporting- und Analyseplattform wird benötigt, damit Mobile Network Provider ihre Kunden besser verstehen und attraktive Marketingpläne und –kampagnen entwerfen können.

silicon.de: Eine große Rolle wird laut Tata Communications hier auch das Thema “Interconnected Infrastructure” spielen – was genau verbirgt sich dahinter?

Sherwood: Ziel von Tata Communications ist es, eine vernetzte Community von Mobile Service Providern und anderen Service Providern, die Endanwendern über mobile Endgeräte verschiedene Applikationen und Kommunikationsservice bieten wollen, zu entwickeln. Neue Services werden nur gut angenommen, wenn Anwender sich gegenseitig uneingeschränkt erreichen können, wie es etwa bei Einführung der SMS der Fall war. Die Welt entwickelt sich immer mehr zu einem “vernetzten Leben”, bei dem sich verschiedene Geräte miteinander vernetzen und entweder direkt mit dem Endanwender oder anderen Geräten interagieren; die Service Provider Community muss somit eine effiziente und effektive Weise der Vernetzung finden.

Während sich die Technologie weiterentwickelt hat, sind Standards und Praktiken oftmals stehen geblieben – für Service Provider, die mit anderen Service Providern zusammenarbeiten müssen, stellt dies oft eine Herausforderung dar. Die Vernetzung und Zusammenarbeit findet auf verschiedenen Levels statt – vom Netzwerk über Services über benötigte Applikationen. In der Vergangenheit wurden individuelle Netzwerke benötigt, um die Vernetzung eines einzigen Services zu unterstützen. Dieses Modell ist nun nicht mehr möglich. Das vernetzte Netzwerk muss intelligent und flexibel sein und zudem eine große Menge Datenfluss unterstützen.

Außerdem sind oftmals bilaterale Arrangements nötig, um zu gewährleisten, dass Services wie Videokonferenzen Ende-zu-Ende bereitgestellt werden können – je höher die Anzahl der involvierten Parteien, desto schwieriger die Skalierbarkeit der Services. Ein besserer Ansatz ist ein gemanagter Provider einer “Interconnected Infrastructure”, um die Komplexität sowie die Kosten und Zeit zu reduzieren, die nötig sind, um einen Mehrparteien-, Multinetzwerk-Service zu ermöglichen.

silicon.de: Mobile Internetnutzer und Unternehmenskunden verlangen zunehmen “mehr, überall und sofort” von Ihrem Provider – und das möglichst günstig. Wo und wie lassen sich unter solchen Voraussetzungen Gewinne erwirtschaften?

Sherwood: Kunden fordern “mehr, jederzeit, sofort” und Service Provider müssen darauf reagieren. Betreiber mobiler Netzwerke spielen eine kritische Rolle in der Wertschöpfungskette verschiedener Applikationen, die über eine mobile Breitbandverbindung genutzt werden. Aufgrund des Datenwachstums werden Kapazitäten immer knapper und mobile Provider müssen sich in ihren Geschäftsplänen darauf fokussieren, den Gewinn pro genutzter Bandbreite zu maximieren. Dies resultiert in Netzwerkkapazitätenplanung und Investitionen in unterschiedliche Zugangsnetzoptionen wie LTE oder WiFi sowie operative Support-Systeme und –Prozesse zur Gewährleistung der Servicekompatibilität und –kontinuität über die verschiedenen Zugangsmöglichkeiten hinweg.

Das führt zu einem verbesserten Netzwerkmanagement zur Differenzierung des Traffics und zur Sicherstellung des Qualitätslevels. Dies schaltet kreative Marketingsegmentierungsangebote für Endanwender frei und unterstützt neue Geschäftsmodelle mit Inhaltsgeneratoren wie OTT-Player, Unternehmenskunden, Einzelhändler oder Werber.

Zusätzlich muss sichergestellt werden, dass die Service- und Netzwerkinfrastruktur zukunftsfähig ist und die Entwicklung aufstrebender Technologien, wie die Unterstützung von interaktiver Rich-Media-Kommunikation in Echtzeit, unterstützt und optimal umsetzt. Viele mobile Betreiber sind auf der Suche nach einem Managed-Services-Modell – wie etwa Managed Roaming oder Managed SMS Firewall – um die Komplexität und Kostenstruktur zu reduzieren. Dieses alternative Servicebereitstellungsmodell sowie das gemanagte Betriebsmodell ermöglicht es mobilen Betreibern, effizienter zu arbeiten und sich darauf zu konzentrieren, mehr Gewinn zu machen.

silicon.de: Vielen Dank für das Gespräch!

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Redaktion

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