RSS-Erfinder weint Google Reader keine Träne nach

Anders als viele Nutzer des RSS-Reader Google Reader hält der Erfinder des RSS-Feeds die Kürzung des Google-Tools für eine gute Nachricht.

“Ich werde ihn nicht vermissen”, kommentiert Dave Winer, der RSS-Schöpfer die Nachricht, dass sich Google im Zuge des so genannten  Frühjahrsputzes. Viele Nutzer des Tools sind in heller Aufregung, vor allem deshalb weil für viele der Reader ein großes Loch im Informations-Verhaltensmuster hinterlassen wird. Ganz anders sieht das hingegen Winer, für den das Aus eine gute Nachricht ist.

Vielen Anwendern ist der Reader gar nicht bekannt. Dennoch scheint er sich über eine sehr engagierte Nutzerschaft, die seine Schließung zum 1. Juli lautstark beklagt. Es sind vor allem Journalisten, egagierte Blogger oder auch das was man in der Kommunikationsforschung wohl ‘Meinungsführer’ nennt, die sich auf die Aggregierungsdienste des Readers verlassen.

Inzwischen fordert sogar eine Online-Petition den Anbieter Google auf, den Dienst weiter zu betreiben. Schon in den ersten Tagen gab es über 100.000 Unterzeichner.

Die Zeit geht so gar noch weiter und malt sogar das Ende des offenen Internets an die Wand, da mit Google Reader auch das RSS-Protokoll dem Untergang geweiht sei.

Google Reader wurde 2011 grundlegend neu gestaltet (Screenshot: S. Shankland / CNET.com)

Google Reader wurde 2011 grundlegend neu gestaltet (Screenshot: S. Shankland / CNET.com)
 

Ganz anders sieht es Winer, der “nie der Idee vertraute, die Interessen eines großen Unternehmens wie Google könnten so mit meinen übereinstimmen, dass ich ihnen das Vertrauen schenken könnte, mir all meine News zu besorgen.” Er betonte in einem Blogeintrag , dass “es möglich ist, RSS zu nutzen, ohne von Google Reader abhängig zu sein. Und da GR verschwindet, sollte das vermutlich als gute und nicht als schlechte Nachricht gesehen werden.”

“Die Nutzer werden gut bedient werden durch einen neu belebten Markt für RSS-Produkte, da sich jetzt das dominierende Produkt, der 800-Pfund-Gorilla, zurückzieht”, sagt der Softwareentwickler voraus. Ähnlich argumentierte zuvor schon Instapaper-Schöpfer Marco Ament. Google habe mit der Einführung seines Readers im Jahr 2005 den Markt für Desktop-RSS-Clients zerstört. So musste etwa Bloglines vor einigen Jahren aufgeben. Die Einstellung von Google Reader zwinge jetzt, diese Lücke mangels einer offensichtlichen Alternative zu füllen: “Wir werden wahrscheinlich zum ersten Mal in einem Jahrzehnt bedeutsame Innovation bei RSS-Desktop-Apps und Synchronisationsplattformen erleben.”

Dave Winer befürchtet außerdem, Google könnte den Nachrichtenfluss zum Nutzer “auf die gleiche Weise kontrollieren, wie Apple unter Kontrolle hat, welche Apps Du für das iPad kaufen kannst. Oder wie Twitter entscheidet, welche Clients Zugriff auf Deine Tweets haben.” Größtes Unbehagen bereitet ihm Google Now, das ebenso gut wie unheimlich sei. Es präsentiere Informationen, die man wahrscheinlich sehen wolle – aber es entscheide auch, was man nicht zu sehen bekomme.

Der RSS-Erfinder schätzt es, dass “die Inhalte meines Nachrichtenflusses nicht von einer Technologiefirma bestimmt werden. Bin ich sicher, dass es so bleiben wird? Es ist möglich, dass sich das ändert.”

Inzwischen jedoch scheinen sich in der Netzgemeinde einige viable Alternativen zu etablieren.

[mit Material von Bernd Kling, ZDNet.de]