Am 20.3.2013 übergeben bayerische Landtagsabgeordnete eine Unterschriftenliste für eine S-Bahn-Haltestelle Forchheim-Nord. Und am 21.3.2013 sagt die Schauspielerin Christine Neubauer dem Internet-Portal evangelisch.de, dass sie christliche Werte lebt. – Also gut: ein Monatsrückblick über Photoshop.
Das ist ein Stück Software, mit dem man die Welt zurechtmachen kann – so, wie man gern hätte, dass andere sie sehen. Dass so ein Programm auf Nachfrage stoßen würde, war spätestens seit Josef Stalin klar.
Mit zunehmenden Alter wurde das “Väterchen”, wie er sich gerne nennen ließ, auf Fotos nämlich immer einsamer. All seine Genossen von früher verschwanden von den Bildern. Man stelle sich nur einmal vor… sein Agitprop-Apparat hätte schon damals über Photoshop verfügt. Dann hätten die Apparatschiks nicht Trotzki, Bucharin, Sinowjew und all die anderen, die er meucheln ließ, mühevoll und dilettantisch von Hand wegretuschieren müssen.
Aber Geschichte wiederholt sich ja, wie Karl Marx es so treffend formuliert hat. Sie ereignet sich einmal als Tragödie und einmal als Farce. Und das gilt auch für die Geschichte der Bildbearbeitung.
Diesen Monat überreichten die örtlichen Landtagsabgeordneten Eduard Nöth (CSU) und Thorsten Glauber (Freie Wähler) dem bayerischen Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) – keinen dieser Namen muss man sich merken – eine Unterschriftenliste für eine S-Bahn-Haltestelle Forchheim-Nord. Die Lokalzeitungen Fränkischer Tag und Nordbayerische Nachrichten druckten Fotos davon ab.
In den Nordbayerischen Nachrichten allerdings ist der Freie Wähler nicht zu sehen. Denn das Blatt hatte das Foto vom Büro des Christsozialen bekommen. – Im Internet-Zeitalter sparen klamme Zeitungen halt auch Bildreporter ein.
Norbert Nöth nun findet, sein Konkurrent habe sich bloß “hingedrückt, aber nichts mit der Aktion zu tun”, verfügt offenkundig über Photoshop und macht regen Gebrauch davon. Man stelle sich nur einmal vor… dieser Mann wäre nicht nur ein Provinzpolitiker und Hinterbänkler. – Nein, das mag man sich gar nicht vorstellen.
Wirklich große Politik funktioniert heute eh anders! Sie kommt ohne Photoshop aus – wenn auch nicht ohne Schönfärberei.
Über vier Millionen Menschen hierzulande mussten 2010 für einen Stundenlohn von unter sieben Euro arbeiten. Zu diesem hässlichen Fleck auf dem Bild, das die hiesige Marktwirtschaft abgibt, hat Philipp Rösler (FDP) ein Verhältnis wie Iossif Wissarionowitsch Dschugaschwili (KPdSU) zu Lew Bronstein. Der Bundeswirtschaftminister ließ den aktuellen Armutsbericht der Bundesregierung denn auch entsprechend retuschieren.
Sigmar Gabriel (SPD) erinnert dies an “totalitäre Staaten”. Und konsequent wie seine Partei nun mal ist, lud sie auch gleich Gerhard Schröder ein zu einer Veranstaltung am Jahrestag der Agenda 2010, die den Niedriglohnsektor in Deutschland erst ermöglicht hat. Damit’s ein schöneres Bild abgibt, war der offizielle Anlass allerdings Schröders Nein zum Irak-Krieg.
Im Marketing wiederum hat der Photoshop-Einsatz kein G’schmäckle (schwäbisch für Hautgout). Dieses Geschäft besteht im Gegenteil gerade darin, schöne Bilder in einer nicht so schönen Welt zu verbreiten.
Christine Neubauer gehört in diesem Business zum absoluten Spitzenpersonal. Als “Vollweib” vermarktet sie sich. In Wahrheit ist sie eine Marketing-Kampfmaschine.
Nächsten Monat gibt sie im ZDF eine Lutherische, in “Die Pastorin”. Was ihr, die sie sich mit Benedikt XVI schon auf Bayerisch unterhalten hat, wie sie das Internet-Portal evangelisch.de wissen ließ, aber keinerlei konfessionelle Probleme bereitet.
Geierwally, Landärztin, Holzbaronin, Gottes mächtige Dienerin – und immer gnadenlos menschlich. Gibt es etwas, wozu so ein pfundiges (bayerisch für prächtig) Weibsbild eines Bildbearbeitungsprogramms bedarf?
Es gibt. Zerbrechlich und grazil wirken und die Schmalhans-Kost der Weight Watchers vermarkten, das kann sogar Christine Neubauer nur mit Hilfe von Adobe. Und das brachte ihre retuschierten Fotos diese Woche auf die Titelseite von Bild, auch ansonsten Deutschlands auflagenstärkstem Magazin für die Photoshop-Praxis.
Ja, der März ist der Monat dieses in Software gegossenen Schummel-Tools. Heuer endet er mit den Osterfeiertagen. Und Google findet über 8 Millionen Seiten für die Wortkombination “Ostern” und “Photoshop”. Viele wollen halt selber Gruß-Karten am Rechner erstellen mit Hasen, Küken und bunten Eiern.
Und das ist gut so. Schönfärberei wird im Dienste des Marktes und des Marketings betrieben, zur Image-Pflege von Provinz- und Bundespolitikern. Da ist photoshoppen, um den Glauben an den Osterhasen zu stärken, doch wirklich eine feine Sache.
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