EU wird DSL-Drossel der Telekom nicht stoppen

Neelie Kroes, EU-Kommissarin für Wettbewerb erklärt, dass die EU nicht gegen die Pläne der Deutschen Telekom für eine Drosselung von Festnetz-Internetanschlüssen vorgehen werde. Sie äußert Verständnis für die Pläne, es sei normal wenn Unternehmen höhere Preise für höhere Datenmengen durchsetzen wollen. Daher werde die EU nicht in den freien Wettbewerb eingreifen, sagte sie gegenüber Bild. Aber die Kunden könnten dies tun.

“Millionen Menschen wollen ungedrosselten Zugang zum Internet haben, und sie müssen wissen, was sie bekommen und was sie nicht bekommen”, führte Kroes aus. “Die Kunden sollten mit den Füßen abstimmen, wenn ihr Anbieter diesen Wunsch nicht erfüllt.” Ganz so einfach ist die Sache indes nicht, denn wenn die Telekom als Netzbetreiber die Drosselungen auch an Drittanbieter, die auf die Infrastruktur der Telekom angewiesen sind, die Preise an diese weiterreicht, nutzt dem Verbraucher Schlimmstenfalls auch ein Wechsel nichts.

Auch Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) fand deutliche Worte für die Pläne des Bonner Konzerns: “Anscheinend steht die Telekom auf der Leitung – sonst würde sie erkennen, dass ihr neues Geschäftsmodell ein klassischer Rohrkrepierer zu werden droht. Die Telekom darf ihre Kunden nicht vor den Kopf stoßen.” Gegenüber Bild schloss Aigner auch ein Eingreifen des Bundeskartellamts nicht aus. “Sollte sich herausstellen, dass die Telekom ihre marktbeherrschende Stellung ausnutzt, muss das Kartellamt einschreiten. Falls die neuen Tarife eine Gefahr für die Netzneutralität darstellen, muss die Bundesnetzagentur tätig werden.”

Auch Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) hatte in einem Brief an Telekom-Vorstand René Obermann klargestellt, Wettbewerbsbehörden und auch die Regierung würden “die weitere Entwicklung in Bezug auf eine eventuell unterschiedliche Behandlung eigener und fremder Dienste unter dem Aspekt der Netzneutralität sehr sorgfältig verfolgen”. Der FDP-Bundesvorsitzende stört sich vor allem an der Tatsache, dass die Telekom bestimmte eigene Dienste nicht auf das in den Tarifen enthaltene Highspeed-Volumen anrechnen will.

Sollte der Ex-Monopolist eigene Produkte wie Entertain tatsächlich anders bewerten als vergleichbare Konkurrenzangebote, käme das einer Verzerrung des Wettbewerbs gleich. Aber auch das Gebot der Netzneutralität wäre damit verletzt. Daher könnte die von der Telekom angekündigte DSL-Bandbreitendrosselung durchaus Anlass für eine kartellrechtliche Prüfung sein.

Die Telekom wehrt sich gegen die Vorwürfe und spricht von einer “fairen Lösung”, um sogenannte “Heavy User”, die überdurchschnittlich viel Bandbreite verbrauchen, verstärkt zur Kasse zu bitten. “Die Alternative wäre gewesen, die Preise pauschal für alle Kunden zu erhöhen”, so ein Telekom-Sprecher.

Unterstützung erhält der Bonner Konzern vom Branchenverband Bitkom. Der Wettberwerb auf dem deutschen Telekommunikationsmarkt sei extrem hart, die Preise seien in den vergangenen Jahren weiter gesunken und der Markt schrumpfe von Jahr zu Jahr, sagte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder gegenüber Bild. “Gleichzeitig wächst das Datenvolumen im Netz exponentiell – und eine sehr kleine Gruppe von Nutzern verursacht einen sehr großen Teil des Datenverkehrs. Diese Heavy User werden derzeit von allen anderen Nutzern mitfinanziert.”

Nach eigenen Angaben will die Telekom die Drosselung nicht vor 2016 einführen. Allerdings macht der Konzern die technische Umsetzung von der Entwicklung des Breitbandvolumens abhängig.

Auch der deutsche Mittelstand meldet sich inzwischen zu Wort. “Die massive Restriktion des führenden deutschen Internet-Providers trifft nicht nur Consumer, sondern beispielsweise auch Freelancer und Selbstständige, die durch die Drosselung in die 90-er Jahre zurückversetzt werden“, erklärt Dr. Oliver Grün, BITMi-Präsident und Vorstand der GRÜN Software AG. Die gedrosselte Datenrate von 384 kBit/s komme einer faktischen Sperrung gleich. “Die Telekom wagt damit einen Vorstoß zulasten der gesamten deutschen Wirtschaft und gegen Fortschritt und Innovation.”

[mit Material von Björn Greif, ZDNet.de]

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Redaktion

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  • Ich kann die ganze politische Aufregung (Petitionen usw.) keineswegs nachvollziehen.

    Zum einen finde ich es eher mutig und ehrlich den Kunden transparente Produkte auf den Tisch zu legen, wo andere (sei es vorsätzlich oder fahrlässig) Upstreams überbuchen oder die Netzneutralität zB mittels protokollbasiertem trafficshaping zurechttricksen. IP kostet weltweit Geld und die Preise viele Anbieter funktionieren nur über Mischkalkulationen.

    Die Wiedereinführung volumenbasierter Anschlüsse bietet den Kunden dauerhaft preiswerte und effiziente Uplinks. Für einen Zwangserhalt des Mischkalkulationssozialismus war ich noch nie.

    Wems nich passt - es gibt genug andere Anbieter. Ich bin mir aber ziemlich sicher, das auch die nicht zaubern können...

  • Und was sollen alle die Nutzer sagen, die noch nie 384 kBit/s hatten und es voraussichtlich die nächsten Jahre nicht bekommen? Etliche Nutzer in ländlichen Gebieten bezahlen 2000er DSL - als kleinstes mögliches Produkt. Am Ende ankommen tut nur etwas mehr als zwei ISDN-Leitungen.
    Wenn du zu weit vom Amt weg wohnst, hast du eben Pech gehabt!
    Kannst ja in die Stadt umziehen......
    Und eben diese Gebiete sind es auch, wo man zum mobil telefonieren vor die Tür gehen muss und auf der LTE-Landkarte weiße Fecken klaffen.
    Da in Berlin Breitbandversorgung = 2000er DSL bedeutet und das ja auf der Rechnung steht, ist für die Statistik alles in Ordnung.
    Besonders nett ist es, wenn die Telekom auch noch regelmäßig anruft und einem Entertainment verkaufen möchte.

    • Typisch Deutsch .. ich bekomme nur langsames DSL weil ich in der Pampa wohne ...darum sollen die anderen auch beschnitten werden.

      Ich hoffe dass die Politik sich einschaltet weil Internet inzwischen zum Grundbedarf gehört. Spätestens wenn andere Anbieter auch auf die Idee kommen, muss das Kartellamt einschreiten.

      Im Moment hilft nur ..Telekom beim nächstmöglichen Termin kündigen und anderen Anbieter wählen.

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