Die Zukunft von Dell – Hop oder Top?

DELL-Gründer und CEO Michael Dell hat aktuell zu einem sehr ungewöhnlichen Mittel gegriffen – er koordiniert einen Buyout von Dell Inc. für 24,4 Milliarden US-Dollar in der Hoffnung, effektiver durch den notwendigen Transformationsprozess zu gehen, wenn man sich nicht quartalsweise mit nervösen Investoren auseinander setzen muss und die Entwicklung des Aktienkurses zum primären Steuerelement wird.

Michael Dells MSD Capital (seine eigene Investitionsfirma) hat sich mit Silver Lake Partners zusammengetan, um das Unternehmen zu privatisieren, also vom Aktienmarkt zu nehmen. Microsoft Corp. wird dieses Buyout mit 2 Milliarden US-Dollar Darlehen unterstützen. Sollte das Buyout erfolgreich sein – was es beim richtigen Preis sein sollte – was bedeutet das für IT-Executives und DELL-Kunden?

Zunächst muss man Michael Dell für dieses mutige und konsequente “Experiment” Respekt zollen. Er zeigt, dass ihm der Weiterbestand und die Weiterentwicklung des “eigenen” Unternehmens sehr wichtig ist – und er selbst dafür bereit ist, einen hohen Einsatz zu leisten. Der Erfolg ist damit aber noch keineswegs garantiert.

Um zu verstehen, welchen Weg DELL einschlagen “kann”, “sollte” oder “muss”, muss man verstehen, wo DELL heute steht. DELL hat als Low-Cost-PC-Firma im Consumer-Markt begonnen. Sukzessive wurde das Modell erweitert in PC für Consumer und PC und Server für den kommerziellen Bereich.

Obwohl DELL grundsätzlich den gesamten B2B-Markt adressiert und Kunden in allen Segmenten hat, liegen die Schwerpunkte im öffentlichen Bereich und Small and Medium Business (SMB) sowie selektiv im Large-Enterprise-Markt.

In den letzten sechs Jahren hat DELL 22 Unternehmen gekauft – allein 10 im Jahr 2012 – und expandierte in Hardware Components, Software und Services, inklusive Cloud Services. Den Weg zu einem höheren Service-Anteil haben wir immer als richtig bewertet, die operative Umsetzung (zum Beispiel Perot Systems) war gerade in Deutschland oft holprig und wenig sichtbar.

Allerdings hat das Unternehmen trotz dieser Aktivitäten sein Momentum verloren. Es hat PC-Marktanteile schneller verloren als die Wettbewerber, was für ein Unternehmen, welches über die Hälfte des Umsatzes mit End-User-Lösungen erzielt, desaströs ist.

Dell hatte im PC- und insbesondere im Notebook-Bereich zwischenzeitlich auch Probleme mit Produkt-Innovationen und -Qualität. Diese scheinen aktuell behoben und das Anwender-Feedback ist positiv, vor allem bezüglich der in letzter Zeit auf den Markt gebrachten hochwertigen Serien (zum Beispiel XPS 12, XPS 27 oder Latitude 10). Sowohl  Verarbeitung, Materialien wie auch Innovationen werden positiv bewertet.

Smartphones und Tablets haben die Umsätze des traditionellen PC-Marktes stark negativ beeinflusst und DELL konnte das nicht durch andere Umsätze im Endkundengeschäft kompensieren. Fakt ist, dass DELL in beiden Bereichen als Billiganbieter für Massenware gilt und nicht als Marktführer oder Innovator. Das Unternehmen war nicht in der Lage, alle Firmenzukäufe zu integrieren und tut sich sehr schwer, als ein One-stop Shop wahrgenommen und anerkannt zu werden.

Der geplante Buyout gibt dem Unternehmen Zeit, sich neu zu orientieren und eine Langfriststrategie umzusetzen, sowie die “Unternehmenskultur” zu verändern. Ein solcher Turnaround ist ein mehrjähriger Prozess mit potenziellen Verzögerungen und Rückschlägen.

Dies unter dem Quartalsdruck eines börsennotierten Unternehmens zu bewerkstelligen, ist sehr schwierig und macht keinen Spaß. Deshalb das Bestreben von Michael Dell, die Firma wieder zu privatisieren, um Freiheitsgrade zu gewinnen.

Während es dabei eine Reihe von Herausforderungen für DELL gibt, sind es zwei, die für Erfolg oder Misserfolg der neuen Unternehmensstrategie ganz entscheidend sind:

  • DELL muss sich entweder vom Endkundengeschäft (PC, Notebook, Tablets, Smartphones, …) verabschieden oder wieder “Marktführer” werden. Es fehlt an Produkten in wichtigen Kernbereichen des jetzigen und zukünftigen Endkundenmarktsegmentes, und Dell kann die ehemalige Position nicht durch reine PC-Lösungen wiedererlangen.
  • Zweitens, DELL hat die Transformation von einem reinen Transaktions-Verkäufer zu einem Beziehungsverkäufer (Relationship Sales) nicht geschafft. Sollte der Lieferant einer der führenden Gesamtanbieter im Geschäftskundenbereich werden wollen, dann muss er in Kundenbeziehungsmanagement inklusive der sehr wichtigen Dienstleistungskomponente (weiter) investieren. Dies bedeutet aber einen massiven Kulturwandel mit tiefgreifendem Einfluss auf die Kernwerte und -kompetenzen des Unternehmens. Hewlett-Packard hat damit seit dem Aufkauf von Compaq in 2002 gekämpft, und IBM brauchte über 10 Jahre, um die Unternehmenskultur zu ändern. Die zugrundeliegende Frage ist, ob oder ob nicht der CEO Dell – von der Herkunft her ein (sehr erfolgreicher) Transaktionsverkäufer – diese Kulturveränderung erfolgreich anführen kann, um die neue Unternehmensvision umzusetzen.

Neben diesen beiden Herausforderungen gibt es noch eine Reihe von anderen Themen, die adressiert werden müssen. Die Beziehung zwischen IT-Executives und DELL hängt davon ab.

Unternehmenswerte

Dell wird sich entscheiden müssen, welche der heute bestehenden Unternehmenswerte es  wert sind, behalten zu werden und welche “abgestoßen” werden sollen.

  • In kundenorientierten Organisationen sind Mitarbeiter ein primärer Produktionsfaktor. Wird Dell dies adressieren, oder werden weiterhin Prozesse im Vordergrund stehen?
  • Sind nach der neuen Unternehmensstrategie weitere Zukäufe notwendig, um das Puzzle zu vervollständigen? Wird die neue DELL genügend Mittel haben, die Firmen zu kaufen, die notwendig sein werden, oder wird die finanzielle Belastung des Buyouts die Wettbewerbsfähigkeit erdrosseln?
  • DELL ist vor kurzem in das Produkt-Leasing-Geschäft eingestiegen. Wird DELL das nötige “Kleingeld” dafür haben und Alleinstellungsmerkmale in diesem heiß umkämpften Markt entwickeln können oder muss man sich wieder zurückziehen?
  • Die Wertschätzung und Priorisierung der Dienstleistungs- / Service-Komponenten ist oft noch unklar. Bislang hat DELL nicht Fuß fassen können bei größeren Projekten und Beratungsthemen – obwohl DELL mitunter sehr gut, qualifiziert und professionell aufgestellt ist – aber insbesondere im deutschen Markt unscheinbar oder kaum wahrnehmbar.
  • Das mittlerweile im Server- und Storage-Bereich sehr interessante Angebot der “Integrierten Server- /Storage-Systeme” (Cisco UCS, IBM PureSystems, HP Converged Systems, Oracle EngineeredSystems, VCE, …) scheint bisher an DELL vorbei zu gehen. Dies ist wegen der großen Anwender-Nachfrage und der grundsätzlichen DELL-Eignung in diesem Segment zum einen überraschend, zum anderen aber auch gefährlich.

Geschäftsmodell

Was wird das neue Geschäftsmodell sein? Es wird mit HP, IBM und Oracle im Wettbewerb stehen, und dies sind alles “Innovatoren”, die mehr als nur Commodity-Produkte und -Services anbieten und alle die gesamte Geschäftsbeziehung mit dem Kunden besitzen wollen. Auf der anderen Seite stehen Technologie-orientierte Unternehmen wie Cisco, EMC und Netapp, die ihre Alleinstellungsmerkmale primär aus technischen Innovationen generieren.

Jedes Unternehmen hat ein individuelles Geschäftsmodell, was wichtig ist, um auch wirtschaftlich erfolgreich und nachhaltig zu agieren. Wo kann, will und wird sich da Dell positionieren?

Business Partner und Channels

DELL wird überprüfen müssen, wie es mit Partnern heute zusammenarbeitet und welche Vertriebs- und Distributionskanäle wie genutzt werden. Dell hat einen Cloud-Auftritt, aber kann es diesen nutzen in einer Art und Weise wie Apple oder Google? Kann es ein voller Serviceanbieter sein und trotzdem Geschäftspartner und Vertriebskanäle effektiv einsetzen? Ohne starke Geschäftspartner und Kanäle wird DELL nicht erfolgreich sein, aber das Finden eines nachhaltigen Win-Win-Geschäftsmodells innerhalb der Partner Community ist alles andere als einfach.

Microsoft

Microsoft ist kein Inhaber von DELL geworden, aber ein Geldgeber. Dies wird für DELL eine gewisse Abhängigkeit schaffen. Microsoft will mit dem Investment sicher den Absatz und Einsatz der eigenen Produkte fördern. Wird dies Dell damit auch im eigenen Produkt- und Lösungsspektrum limitieren?

Prozesse

DELL muss seine Entwicklung, Operation und Verkaufsprozess überarbeiten. Der Kunde muss an erster Stelle kommen, nicht die Produkte oder Services. Dies wird ein langfristiger Veränderungsprozess mit so manchem Frust auf dem Wege sein.

Technology

Heute baut DELL seine Produkte primär aus Standardkomponenten zusammen und hat an einigen Stellen ergänzendes Intellectual Property (IP) für diese Produkte und Services. Kann es dieses IP nutzen und weiter ausbauen, um als Innovator gesehen zu werden oder wird das IP austrocknen und das “Talent” (die wichtigen und richtigen Mitarbeiter) sich verabschieden? Über die letzten Jahre hat DELL die Ressourcen an Bord gebracht, um die Assets vorteilhaft zu nutzen. Wird die neue DELL weiterhin diesen Pfad beschreiten? Wenn DELL im Endkundenbereich bleibt, wird es in der Lage sein, Mobility und Social (zwei wichtige Themen für die Wettbewerbsfähigkeit) richtig zu adressieren? Wenn nicht, wird es dann die bittere Pille schlucken und den Bereich aufgeben?

DELL war einmal der Marktführer im PC-Bereich und hat durch vollkommen neue Produktions- und Lieferprozesse den Markt an einigen Stellen revolutioniert. Damit wurde es auch einer der großen Technologie-Lieferanten im Unternehmensumfeld. Jetzt muss sich das Unternehmen “neu erfinden” und fit machen für die nächste Phase des IT-Marktes, um wieder nachhaltig attraktiv und erfolgreich zu sein. Dies ist ein mögliches, aber keineswegs einfaches Unterfangen.

Es bleibt spannend zu sehen, wie DELL sich in den nächsten Jahren entwickeln wird und ob der “Turnaround” erfolgreich geschafft wird. Der grundsätzlich eingeschlagene Weg ist mutig und erfolgversprechend, die richtige Positionierung und auch die konsequente Umsetzung sind aber kritisch für den langfristigen Erfolg.

Redaktion

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  • Microsoft scheint sich immer häufiger zum Hoffnung der Rettung bietenden Strohhalm Ertrinkender zu "mausern". Man bleibt gespant, ob und wann Microsoft diesen den "Landgang" ermöglicht...

  • Eine recht gute Analyse der sehr komplexen Herausforderungen fuer Dell. Unabhaengig von dem "Mut" (ich sage auch mal Ego)duerfte es bei Michael Dell aber auch darum gehen, sehr gut an diesem Deal zu verdienen. Der Preis der Privatiserung ist zweifelsohne fuer ihn vorteilhaft, fuer die uebrigen Shareholder, eher sehr bescheiden, da die Performance der Aktie stetig in Richtung Sueden ging. Es gibt durchaus langfristige Shareholder, die da natuerlich misstrauisch werden muessen.So wie ich Dell kenne wird es sehr lange dauern bis ein wirklicher one-stop-vendor daraus geworden ist, wenn ueberhaupt. Ob Michael Dell, der nun immerhin schon 5 Jahre lang versucht diesen Prozess auf den Weg zu bringen, der richtige Mann ist, darf stark bezweifelt werden. Die Zukaeufe haben bislang nicht gegriffen und wurden realativ schlecht integriert. Die Geschaeftsentwicklung kann z.Zt. nur als dramatisch beschrieben werden.

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