Mai-Rückblick: Der kleine November

Zweierlei hat die Leute diesen Monat ganz offenkundig umgetrieben. – Das eine ist Fußball. Dabei handelt es sich um jene ganz eigenartige Veranstaltung, bei der Männer sehr erregt anderen Männern in kurzen Hosen hinterherschauen.

Und es traf sich gut, dass es diesen Monat gleich zwei Fußball-Highlights gab, die Deutsche Meisterschaft und das Champions-League-Finale. Denn das andere, was diesen Monat nun wirklich alle umgetrieben hat, war nicht so schön: das Wetter.

Normaler Weise freut man sich im Mai ja daran, auch schöneren Beinen als jenen hochbezahlter sportlicher Leistungsträger nachschauen zu können. “Wonnemond” führt Wiktionary als Synonym an und so vielversprechende Begriffe wie “Maifeiertag” und “Maibock” als Komposita. Das alles trifft die Gefühlslage heuer allerdings überhaupt nicht.

Eher schon eine sprachliche Neuschöpfung, die auf Facebook kursiert: “Der kleine November”. 128.000 mal findet den Google. Ja, das Scheduling dieses Jahr ist gehörig durcheinander geraten.

Und so sitzt man denn, sechs Monate verfrüht, am Schreibtisch, hinterm PC und schaut durchs Fenster auf Pfützen, auf deren Oberflächen sich ständig neue konzentrische Kreise bilden. Frühlingsgefühle lassen die gar nicht erst aufkommen. Und deshalb tut man, was immer schief geht: man denkt über sein Leben nach.

Man fröstelt. Nicht daran zu denken, das Fenster aufzumachen. Hermetisch abgeschirmt wie in einem Glashaus kommt man sich vor, einem Mainframe-Rechenzentrum von früher. Und man ist ja mittlerweile tatsächlich auch ein Legacy-System.

An der Reliability mangelt’s nicht. Zero Downtime – und das schon sein Jahren. Noch nie ist jemand draufgekommen, die Applikationen, die man tagtäglich zuverlässig verarbeitet, auf neuere Systeme portieren zu wollen. Die Hardware ist auch noch in Schuss – na ja, der Rücken vielleicht nicht mehr so ganz.

Aber die System-Software! Wenn man die Log-Files aus seiner bisherigen Betriebszeit nachliest, dann stößt man doch auf ganz massive Vulnerabilities. Patches dafür gibt es nicht. Darin unterscheidet sich der Mensch vom Mainframe.

Aber Exploits existieren zuhauf! Da ist das Leben wiederum wie die IT. Wenn eine Schwachstelle entdeckt wird, dann wird sie auch ausgenutzt. Man ist zu einem Bot geworden, der tut, was andere von ihm wollen, ferngesteuert von einem Command-and-Controll-Server. Und wer hat einen zum Zombie gemacht? – Der, der sich bei diesem speziellen proprietären System am besten auskennt, man selbst.

Der Source-Code eines Menschenlebens besteht aus Millions Lines of Code. Und wenn man genau hinschaut, findet man einen Bug nach dem anderen. Trotzdem ist man froh, nicht quelloffen zu sein. Nicht auszudenken, wenn andere die eigenen Schwachstellen auch noch im Klartext zu Gesicht bekämen…

Eine Mail! Der Franz und ein paar Spezl schauen sich am Samstag in der Wirtschaft das Pokalfinale an. Ob mit Unsereinem da auch zu rechnen sei?

Das passt doch so richtig zu diesem komischen Mai. Alles ist seltsam! Warum möchte ein Fußball-Enthusiast wie der Franz bei so einem wichtigen Spiel unbedingt einen Dilettanten dabei haben. Das will gegoogelt werden…

So, jetzt ist’s klar. Es spielt der FC Bayern gegen den VfB Stuttgart. Native VfB-Fans wiederum sind rar in München. Aber ohne macht’s offenkundig keinen Spaß. Deshalb wollen der Franz und die anderen wenigstens eine Schwaben-Emulation dabei haben. Eine lausige Performance würde Unsereins da bieten.

Andererseits die Workload dieser Woche ist erledigt. Und sogar die übelste Task eines jeden Jahres, die November-Tristesse, schon abgearbeitet. Das Bier beim Franz ist gut. Eigentlich alles treffliche Gründe, um hinzugehen. Und vor allem: Am Samstag beginnt der Juni.

Redaktion

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