“Wann Mollath freikommt? Diese Frage könnte man Frau Merk am Montag um 19 Uhr im Landgasthof Hofolding stellen.” Dieser Text stammt ursprünglich von der Ärztin und dem CSU-Mitglied Ursula Gresser. Inzwischen ist der fragliche Tweet gelöscht. Denn zwei Beamte in Zivil haben die habilitierte Professorin, die unter anderem auch für Münchner Gerichte Gutachten verfasst, besucht und Gresser mitgeteilt, dass es Bedenken wegen der Sicherheit auf der Veranstaltung gebe, auf der Bayerns Justizministerin Beate Merk als Sprecherin angekündigt war.
In einem weiteren Tweet hält Gresser fest: “Es war ein Versuch der Einschüchterung. Als ich fragte, ob man wolle, dass ich nicht zur Veranstaltung gehe, kam ein diskretes Nicken.”
Der Blogger und Fernsehmoderator Richard Gutjahr hatte den Fall als erster gemeldet. Inzwischen hat auch die TAZ dazu einen Bericht. Gegenüber dem Blatt erklärt Gresser zu dem unerwarteten Polizeibesuch: “Das war wie der Besuch von Marsmännchen. Da war ich platt.” Gresser äußert auch die Vermutung, dass man sie auf diese Weise auch davon abhalten wollte, die Veranstaltung aufzusuchen und sie einzuschüchtern.
Das Justizministerium wolle jetzt den Vorfall prüfen heißt es. Gegenüber Gutjahr hat die Polizeidienststelle Ottobrunn und ein Sprecher des Polizeipräsidiums München den Einsatz der Beamten bestätigt. Es sei ausschließlich um die Betreffende Kurznachricht gegangen, so der Sprecher gegenüber Gutjahr.
Gresser setzt sich schon länger mit dem Fall Mollath sowie auseinander und twittert auch regelmäßig dazu. Mollath war übrigens nicht Thema der Veranstaltung, sondern lautete: “Facebook & Co. – sicher surfen in sozialen Netzwerken, mit Staatsministerin Dr. Beate Merk“.
Der Stern berichtet, dass das Justizministerium auf Nachfrage jetzt erklärt habe, dass der Hinweis von einem Anwalt eingegangen sei. Der habe den Verdacht gehegt, dass Frau Gresser, die Veranstaltung stören oder als Bühne nutzen wolle. Daher habe man die für den Personenschutz von Frau Merk verantwortlichen Stellen weitergeleitet. Übrigens habe Frau Gesser die Veranstaltung trotz der Zivilbeamten besucht.
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Was will man von solch einem Regime auch anderes erwarten ...
H.
Eine berechtigte Frage in einem Tweet: Wieviele Mollathts gibt es eigentlich in Bayern noch? Der § 63 StGB (Maßregelvollzug) wurde einmal für psychisch kranke und für die Gesellschaft erheblich gefährliche Wiederholungstäter geschaffen.
Daraus hat sich eine einträgliche pseudo-akademische Gutachterclique entwickelt, die für jede Eingangangs-Exploration so um die 12.000 EURO abrechnen, d.h. zwischen 90 und 100 Stunden a 90-100 EURO. Jedes Gericht hat seine bevorzugten Monopolgutachter, in München z.B. mit Vorliebe Dr. Stadtland.
Ein eingträgliches Geschäft, auch für die Anstalten, welche für jeden forensischen Patienten täglich 220 EURO berechnen, somit p.Jahr über 80.000 EURO.
(Ein Strafgefangener schlägt dagegen mit 70 EURO am Tag zu
Buche.) Annähernd 10.000 psychisch Kranke sitzen bundesweit in dieser psychiatrischen Endlosschleife, auch ohne erhebliche Gefahr für die Öffentlichkeit. Davon die meisten
natürlich in Bayern. Ein justitiabler Wirtschaftsfaktor somit in der Größenordnung von weit über 100 Mio. EURO!
Die honorigen Oberpsychiater Prof. Nedophil München und Prof. Leygraf Essen bescheinigen der Justiz eine 40 bis 60 prozentige Fehleinweisung in die forensische Psychiatrie, wo das Merkmal der erheblichen Gefahr nie bestanden hat. Der Artiekl 2 Abs. 2 des Grundgesetztes wird dann ad absurdum geführt, wenn die gesetzlich vorgeschriebenen jährlichen Fortdauerprüfungen durch die zuständigen Strafkammern zur fünfminütigen Lachnummern verkommen.
Gustl Mollath wird seit sieben Jahren "therapiert". Was therapieren die eigentlich?
Bayerische Land-und Oberlandgerichte schließen z.B. Pflichtverteidiger wegen Ortsferne rechtswidrig aus.So in einem aktuellen Fall bei einer anstehenden Fortdauerprüfung, die jetzt in die Beschwerde und nötigenfalls bis vor das Verfassungsgericht geht, wo der engagierte Menschenrechtsanwalt Dr. Schneider-Addae-Mensah aus Karlsruhe von beiden Münchner Obergerichten wegen Ortsferne abgelehnt wurde. Dr. Schneider-Addae-Mensah hat zum Leidwesen der Justiz und Anstaltspsychiatrie vor dem Bundesverfassungsgericht des Verbot von Zwangsbehandlungen
in der Psychiatrie erstritten. Ein rotes Tuch für die bayerische Justiz!
Maßregelvollzug ist die einzige Freiheitsentziehende Maßnahme, die tatsächlich bis zum Lebensende gehen kann.
Es wird therapiert, auf Teufel komm raus. Noch bis weit in die 1970iger Jahre waren Homosexuelle wegen Abartigkeit und erheblicher Gefährlichkeit in psychiatrischen Anstalten weggesperrt. Und nach der Novelierung des § 175 StGB waren die über Nacht plötzlich alle gesund.
Ein Glück, sonst wäre Westerwelle und Co. heute nicht in ihren politischen Ämtern.
Sehr guter Artikel. Chapeau!
Nachtrag:
Der bayerische Staatsanwalt Dr. Beckstein - der Name läßt aufhorchen - hat im vergangenen Jahr einen wegen dem privaten Besitz von Posing-Bildern psychiatrisch untergebrachten Patienten bescheinigt, die Sicherungsmaßnahmen während eines fünftägigen stationärem Aufenthalt im Harlachinger Krankenhaus seinen nicht zu beanstanden, da der Patient sich ja nicht "beschwert" habe.
Fünf Tage und Nächte mit sieben Kilo schweren Fußketten fixiert, in einem fensterlosen Raum mit zusätzlicher uniformierter Bewachung. Diese Ketten wurden weder zum Duschen noch beim Toilettengang abgenommen.
Kein Schwerverbrecher, sondern ein junger Mann der im theokratischen Bayern ein paar Pornobilder besesessen hat.
Eine staatsanwaltschafliche Geisteshaltung die darum Gänsehaut verursacht, weil man daran glauben möchte, dass so eine Menschen verachtende Zeit historisch überwunden wäre.Die in nationalsozialistischer Zeit in bayerischen Irrenanstalten zu Tode therapierten lebensunwerten Menschen hatten sich ja auch nicht beschwert.
Reiner Langenbach-Zidar
Schriftsteller
(Demnächst "Im Namen der Psychiatrie-die Endlosschleife")