In Hamburg ist Informatik nicht mehr länger Bestandteil der naturwissenschaftlichen Fächer, sprich Part des Pflichtfachs Naturwissenschaft und Technik. Diese Entscheidung fällte der Stadtstaat am Ende des vorangegangenen Schuljahres. Und da Kulturpolitik Sache der Länder ist, sorgte dies außerhalb Hamburgs zunächst für wenig Aufregung. Inzwischen keimt aber offenbar die Befürchtung, das Beispiel könnte Schule machen beziehungsweise andere Länder von der Einführung des Pflichtfachs Informatik abhalten und formiert sich breiterer Widerstand.
So gibt es jetzt seit Kurzem auch eine Initiative der Universität Frankfurt (PDF) zur Stärkung der Schulinformatik, die vom Bundesverband IT-Mittelstand e.V. (BITMi) unterstützt wird. “Die Unterrichtspraxis an allgemeinbildenden Schulen wird der veränderten Bedeutung von IT nicht mehr gerecht. Der IT-Standort Deutschland verliert den Anschluss”, warnt dessen Präsident Oliver Grün. Als Querschnittstechnologie sei die IT heute schließlich in beinahe allen Lebensbereichen präsent.
Bislang ist Informatik nur in Bayern, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern ein Pflichtfach. In Hamburg bieten die Stadtteilschulen nach der Entscheidung Ende Mai Informatik künftig nur noch als Wahlpflichtfach an. “Hamburg macht einen gewaltigen Schritt zurück – in der heutigen Informationsgesellschaft eine Farce”, kritisiert Verbandspräsident Grün. “Die Informatik ist die Lehre von der Verarbeitung und Verbreitung von Informationen und gehört im digitalen Zeitalter zur Allgemeinbildung.” Länder wie Estland, Indien, Südkorea, Israel und die USA hätten die Chancen eines frühen, kreativen Umgangs der Schüler mit der Technik längst erkannt. Deutschland habe dagegen dringenden Nachholbedarf.
Auch der Bitkom hat sich schon zur Hamburger Bildungspolitik geäußert. Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder hält die Entwicklung für grundfalsch. “Informatik ist kein Orchideenfach für ganz besonders Interessierte, Informatik muss als Teil der Allgemeinbildung begriffen werden.” Der Bitkom fordere deshalb die Einführung von Informatik als Pflichtfach in der Sekundarstufe I.
Rohleder begründet das mit den derzeit über 43.000 offenen Stellen für IT-Spezialisten in Deutschland und der Bedeutung der Branche als Wachstumsmotor. “Statt Informatik auszulagern und damit in direkter Konkurrenz zu anderen Aktivitäten, auch Freizeitangeboten, zu setzen, muss es uns gelingen, mehr Jungen und vor allem Mädchen für die Informatik zu begeistern.”
Er macht zudem deutlich, dass es dabei nicht um Programmieren gehe. Das sieht auch BITMi-Präsident Grün so. Schüler sollen vielmehr frühzeitig ein Verständnis für Technik entwickeln, die sie im Alltag selbstverständlich anwenden. Dabei solle nicht nur die Anwendungskompetenz erhöht, sondern auch die ethischen Regeln im Umgang mit IKT reflektiert werden.
“Es ist ein übergreifender Ansatz erforderlich, der Chancen für zukünftige Anwender und Spezialisten eröffnet”, so Grün. IT-Unterricht bedeute gleichsam eine Erhöhung der überfachlichen Kompetenz und könne das Lernen in anderen Fächern und das Arbeiten in vielen Berufen vorteilhaft beeinflussen. “Diese generelle IT-Qualifizierung wird eine Breitenwirkung erzielen, Hemmschwellen überwinden und sich positiv auf die Neugierde für die Informatik insgesamt auswirken.”
Daher unterstützt der Verband auch die Initiative der Universität Frankfurt zur Stärkung der Schulinformatik in Hessen. “Die Situation in Hessen gleicht der in anderen Bundesländern”, erklärt Professor Jürgen Poloczek, Mitglied des Arbeitskreises “Informatik in der Schule” an der Goethe-Universität: Der Arbeitskreis setzt sich dafür ein, dass Informatik in der Sekundarstufe I Pflichtfach und in der Sekundarstufe II den Naturwissenschaften gleichgestellt wird. “Informatikunterricht ist eine wichtige Voraussetzung für naturwissenschaftliche und technische Berufe”, begründet auch Poloczek.
[Mit Material von Peter Marwan, ITespresso.de]
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Bedarf es wirklich eines Informatikunterrichts, bei dem es nicht ums Programmieren geht? Ich habe da so meine Zweifel. Gerade durch Programmieraufgaben könnten die Schüler doch viel über Algorithmen, Komplexität, Bits und Bytes oder die Funktionsweise eines Mikrocontrollers lernen. Grau ist dagegen alle Theorie! Und technischen Sachverstand dürften die meisten Schüler heute mehr als manch ihrer Lehrer haben. Außerdem würden wohl auch nicht mehr so viele Studienanfänger mit einer vollkommen falschen Vorstellung von einem Informatikstudium an die Uni kommen.