Manchmal wünscht man sich halt, man hätte wieder die Probleme seiner Kindheit, aber sonst keine. Ob man denn nicht aufs Klo müsse, hat einen die Mama da immer gefragt – vor allen Spielkameraden. Megapeinlich war das. Der Einwand, dass man doch schon ein Großer sei, hat ihr nie eingeleuchtet.
Auch heute, etliche Jahrzehnte später, würde er das nicht. Und deshalb nimmt man als älterer Herr ihre Hinweise auf die Notwendigkeiten des Stoffwechsels als Ausdruck liebevoller mütterlicher Besorgnis, wenn sie denn wie jetzt wieder für ein paar Tage zu Besuch ist.
Aber andere sollten gefälligst nicht mit einem reden wie mit einem dummen Kind. Schon gar nicht Windows! Ob man denn auch das Ethernet-Kabel eingesteckt hätte, fragt einen die Hilfe-Funktion mitleidig, wenn man sie bei Netzproblemen konsultiert.
Da schreibt man sich jahrelang das ISO/OSI-Referenz-Modell rauf und runter. Und dann meint so ein dümmlich arrogantes Stück Software, man sei zu blöd, um zu wissen, dass ein kabelgebundenes Netz halt nur mit Kabeln funktioniert.
Gibt es irgendwas, das einen schwächer anredet als Microsoft? – Es gibt. Es sind 15 – beziehungsweise 20. So viele Parteien treten nächsten Monat in Bayern zur Land- und Bundestagswahl an. Und im August haben die ihre Plakatständer aufgestellt.
Völlig ohne Prädikat (deutsch: Satzaussage) kommt die CSU aus. Sie wirbt mit “BAYERN. (in Versalien) Zusammenhalt.” Das zugehörige Bild zeigt Burschen beim Aufstellen eines Maibaums, ein anderes eine Floßfahrt auf der Isar. Slogan: “BAYERN. Heimat.”
Für “BAYERN. Zukunft” missbraucht die CSU ein Bild von unschuldigen Kindern, Bub und Mädel. Und “BAYERN. Freiheit.” illustriert sie mit einem von uns Radlern. Wie viele Mass müsste man wohl beim nächsten Halt im Biergarten zu sich nehmen, sinniert man, während man einen Plakatständer umrundet, damit einem “CSU. Pfundig.” in den Sinn kommt? – Also eine reicht da sicherlich nicht. Heimradeln möchte man anschließend nicht mehr müssen.
Zwar mit einem ganzen Satz, aber einem ohne Inhalt, wirbt die SPD im Bundestagswahlkampf: “Das Wir entscheidet.” Der ist so hohl, dass er immer geht. Der, der ihn wohl erfunden hat, macht damit für Leiharbeit Reklame. Das ist jenes moderne Geschäftsfeld, das sich von altertümlicher Sklaventreiberei im Wesentlichen dadurch unterscheidet, dass Arbeitsmänner und –frauen nicht verkauft, sondern vermietet werden.
Das aber stört die Genossen weniger. Unangenehmer für sie ist, dass der Erfinder sein dürftiges geistiges Eigentum reklamiert.
Für die Landtagswahl wiederum wirbt die SPD mit: “Genau! UDE.” Die letzten drei Buchstaben sind kein TLA (Three Letter Acronym), sondern der Name des sozialdemokratischen Spitzenkandidaten. Der ist eigentlich ein recht sympathischer Mann, was allein schon daran liegt, dass er sich neben seinem Hauptberuf als Münchner Oberbürgermeister ziemlich erfolgreich als Kabarettist betätigt. Hintersinn und die in der Politik ansonsten übliche Brutalität gehen halt einfach nicht zusammen.
Im Zusammenhang mit Wahlen wird von ihm der Satz kolportiert: “Der eine oder andere wird am Sonntagabend etwas zu feiern haben – wahrscheinlich eher der andere.”* Genau! Ude.
Die FDP wirbt – das muss man ihr lassen – mit vollständigen Sätzen, etwa: “Wir machen Schluss mit Schulden.” Gemeint sind die öffentlichen. Dazu gibt’s ein Bild vom Spitzenkandidaten und bayerischen Wirtschaftsminister Martin Zeil. Der war zuvor bei einer Privatbank mit “Finanzprodukten” befasst, die geeignet waren, Kommunen in die Zahlungsunfähigkeit zu treiben. – Irgendwie ist das konsequent: Wer pleite ist, bekommt schließlich keinen Kredit und kann folglich keine Schulden mehr machen.
Bei den Grünen konnte man diesen Monat “kickern mit Jürgen!” (Trittin) “Und du?” fragte das Plakat. – Na ja, wenn man schon gefragt wird. Vielleicht ist, mit Jürgen zu kickern, ja weniger schlimm, als Claudia zu wählen, die Spitzenkandidatin für den Bundestag.
Und dann haben sich die Grünen noch ein neckisches Farbenspiel ausgedacht. Farben eignen sich ja sehr gut zum Signalisieren. Und das tun Politiker gerne, weil sie glauben, die Wähler seien zu blöd, um in ordentlichem Deutsch formulierte Argumente aufnehmen zu können.
“Grün ist das neue Weiß-Blau”, behaupten also die Grünen. Die Schwarzen sehen das natürlich anders und fordern: “Weiß-Blau statt Rot-Grün!” Die Piraten schließlich – die gibt’s auch noch – wollen deshalb eine jetzt unbesetzte Farbe entern und plakatieren: “Orange ist das neue Grün.”
Als Wähler verwirrt einen diese inkonsistente Farbkodierung doch sehr: Wollten die Grünen nicht eigentlich dahin, wo jetzt die Blau-Gelben sind? Und wenn jetzt das gesamte politische Farbspektrum neukodiert wird: Was ist dann das neue Rot? – Blass vielleicht? Das könnte passen.
Eigentlich ist es ja eine Unverschämtheit: Wenn man sich um eine Stelle bewirbt, dann ist man gehalten, beim Vorstellungsgespräch ordentlich Rede und Antwort zu stehen und seinem künftigen Arbeitgeber mit Respekt zu begegnen. Bloß die Kandidaten für die Spitzenjobs der Republik glauben, ihren potentiellen Chef, den Souverän, schwach anreden zu können.
Was also soll man Leuten antworten, die meinen, einen als unmündiges, aber wahlberechtigtes Kind behandeln zu müssen? Antworten in Form einer Satzreihe oder eines –gefüges würden da wohl zu sehr verblüffen.
Zum Glück hat uns die Computerei diese nur wenige Byte großen Bildchen beschert, die Emoticons. Das ist es wohl, was von einem erwartet wird. Also:
An die CSU: ^v^v^ [Berge, oder: Bayern ist schön. Und noch schöner wär’s ohne Gestalten wie euch.]
:,( [Die Botschaft an die SPD: Was ihr dieser Tage wieder so treibt – Bebel feiern und Steinbrück aufstellen?!? Wie hat’s :-O (Mick Jagger) seinerzeit so treffend formuliert? – You make a grown man cry!]
($)_($) [Nun macht euch nicht ins Hemd, chronisch träge Leistungsträger von der FDP. Euer politisches Personal ist zwar so lausig, dass es in der freien Wirtschaft nicht überlebensfähig wäre. Aber es werden sich für euch schon wieder ein paar warme Plätzchen in irgendwelchen Ministerien finden. Merke: Liberal ist, wenn die Staatsknete fließt.]
:8) [Grüne, bevor ihr in Bayern die FDP von den Fleischtöpfen verdrängen könnt, müsst ihr erst einmal euer Verhältnis zum Schweinsbraten klären.]
P-( [Piraten, für euch sieht es schlecht aus. Und wenn man sich nennt wie ihr, dann sollte man wissen: Kielgeholt zu werden, ist verdammt unangenehm.]
Microsofties, ein (*v*) (Pinguin) soll euch in den (_Y_) (Gesäß) beißen. Tux, fass!
<3 (lieb) gemeint, Mama. Aber ich muss nicht. Ich war vorhin auf dem Klo. :-D Nein, ich vergess’ das nicht immer, wenn ich für silicon Wortspiele mach’. Und ich hab auch erst ein Glas Cabernet Sauvignon getrunken. Ich muss nicht, wirklich. <3 <3
* zitiert nach Wolfgang Prinz: Politzirkus, Norderstedt, 2009
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Spitze!
Achim Killer erinnert mich ein wenig auch an Bastian Sick.
Jetzt hätte ich nur noch gerne einen Artikel über DE-Mail, 115, E-Government und CIOs....