Dell: Mini-Rechenzentrum im PC-Format und Cloud-Services-Strategie
Mit einem Mini-Rechenzentrum für den Platz neben dem Schreibtisch führt Dell einen beinahe neuen Formfaktor in den Markt ein. Gleichzeitig gibt der Hersteller erste Details darüber bekannt, wie sich der Anbieter in Zukunft auf dem Serviceprovidermarkt positionieren will.
Auch Kleinvieh macht Mist. So könnte die philosophische Überlegung in der Designabteilung von Dell gelautet haben, die nun zur Markteinführung von PowerEdge VRTX führt. Denn dieses Tower-System ist ein vollintegriertes, günstiges Mini-Rechenzentrum für KMUs, Niederlassungen und andere Anwender, die zwar einige Rechenleistung brauchen, sich aber den damit verbundenen Verwaltungs-, Integrations- und Wartungsaufwand ersparen wollen.
“Die Nutzer unseres neuen Systems können sich von dem Chaos aus zig sukzessive angeschlossenen Geräten und Kabeln im IT-Raum verabschieden”, meint Jürgen Renz, Geschäftsführer Dell Deutschland.
Ganz neu ist dieser Ansatz nicht. Vor einigen Jahren brachte Fujitsu schon einmal eine ähnlich angedachte Lösung, die aber aufgrund unausgereifter Technologien nicht die nötige Aufmerksamkeit erzeugte. Inzwischen entstehen weltweit 35 Prozent aller Serverumsätze durch den Verkauf von Converged Systems.
Der technologische Ansatz ist auch mit HP vergleichbar. Dell und HP verwenden konsequent offene Standards für die Kommunikation und bekannte Formfaktoren – doch liegen HPs Converged Systems allesamt in höheren Preisregionen. VRTX dagegen ist schon ab 15000 Euro zu haben. Nach oben sind die Grenzen wie üblich weit offen, je nachdem, wie das System im Detail ausgerüstet wird.
Resultat der Dell-Entwicklung, die in engem Kontakt zu Intel erfolgte, ist eine voll integrierte Kiste. Das Gerät lässt sich senkrecht im Tower-Format aufstellen oder aber in Standard-Racks einbauen.
Der VRTX-Server fasst bis zu vier halbhohe Serverblades Dell Power Edge M520, M620 und bald auch M820 auf Basis von Prozessoren aus Intels E5-Serie, 12 Festplatten im 3,5- oder 25 im 2,5-Zoll-Format respektive SSD-Speicher mit entsprechendem Formfaktor, das macht insgesamt bis zu 48 TByte Speicher, sowie einen integrierten 1-GBit/s-Switch mit 16 internen und acht externen Ethernet-Ports. Eine mit 10-GBit/s-Switch ausgestattete Variante kommt schon bald auf den Markt.
Außerdem hat das System bis zu acht PCIe-Slots. Die daran angeschlossenen Geräte kommunizieren direkt mit den Servern. Das eröffnet unkomplizierte Erweiterungsmöglichkeiten. Für geringen Energieverbrauch sorgen unter anderem vier drehzahlgesteuerte Lüfter. Der interne Speicher funktioniert als gemeinsame Ressource, kann also beliebig unter den Servern aufgeteilt werden. Die einzige Schwachstelle ist derzeit der noch nicht doppelt vorhandene RAID-Controller, doch eine redundante Version ist bereits geplant.
Wenig Aufwand, wenig Krach
Redundante Managementboards (Chassis Management Controller, CMC) bieten alle Funktionen, die man für die Verwaltung des Gesamtsystems benötigt, über eine einfach zu verstehende Browserschnittstelle. Dienstleister oder Mitarbeiter in der Zentrale können remote auf das System zugreifen, das sich auch in bereits vorhandene Managementumgebungen einbauen lässt. “Das Management ist so einfach, dass sogar Leute aus nichttechnischen Bereichen es schnell verstehen und nutzen können”, meint Peter Dümig, Field Product Manager Enterprise Solutions.
Interessante Details sollen dazu beitragen, den Umgang mit VRTX so einfach wie möglich zu machen. “Blade-Server haben wir deshalb verwendet, weil man sich beim Auswechseln nicht um Verkabelung kümmern muss”, erklärt Dümig. Jedes Serverblade im VRTX hat zwei Slots für SD-Speicherkarten, auf denen sich beispielsweise die Bootkomponenten für Betriebssystem und Virtualisierung unterbringen lassen. Geht eine Karte kaputt, bootet man das System einfach von der zweiten wieder.
Auch Aktualisierungen der Systemsoftware kann man so leicht durchführen: Die alten Speicherkarten werden einfach aus dem Serverblade herausgezogen, neue, vom Partner oder Hersteller gelieferte eingesteckt und dann hochgefahren. Die reichhaltige Ausrüstung mit PCIe-Schnittstellen sorgt dafür, dass sich sehr unkompliziert externe Speicher- oder andere PCIe-fähige Ressourcen integrieren lassen. Sie gehören dann aber exklusiv einem Server und erweitern nicht den Shared-Bereich.
Verglichen mit den üblichen Rack-Komplettlösungen ist VRTX ein Leichtgewicht: Zwischen 25 und knapp 70 Kilo kommen je nach Ausbau auf die Waage, der Lärmpegel liegt auch bei voller Auslastung nicht über 44 dbA. “Wir haben das System extra bürotauglich konzipiert”, betont Dümig.
Der Vertrieb soll über die Dell-Partner laufen. Sie können mit VRTX eigene, vollständig integrierte Lösungen entwickeln, beispielsweise für Freiberufler wie Rechtsanwälte, Ärzte und Architekten oder branchenübergreifend für kleine Unternehmen, die nur wenige Büroarbeitsplätze brauchen.
Denkbar wäre etwa ein Paket aus vorinstallierter Büro- und Branchensoftware mit Client- und Server-Virtualisierung sowie der zugehörigen Zahl an Thin Clients, so dass der Kunde am Ende nur noch die Systeme hochfahren und die Daten seines Unternehmens aufs System überspielen muss. Ausgerüstet mit einer IP-Telefoniekarte, könnte VRTX zusätzlich als digitale Telefonanlage dienen.
Renz sieht für das Produkt sehr gute Marktchancen. Er glaubt, dass Dell bis Ende des kommenden Jahres eine vierstellige Zahl von VRTX-Systemen in Deutschland absetzen kann. “Wir sind mit großen Unternehmen, die viele Niederlassungen haben, im Gespräch – da käme schon pro Deal eine dreistellige Systemmenge zusammen”, sagt er.
Man habe anscheinend einen Nerv getroffen und erwecke gerade auch bei Neukunden sowie der gesamten Partnerlandschaft intensives Interesse. “Wir haben aus 1200 Anrufen bei potentiellen Kunden 300 Leads generiert”, berichtet Renz.
Auf keinen Fall Cloud-Service-Provider
Doch das Mini-Rechenzentrum ist nicht die einzige Neuheit von dem in letzter Zeit gebeutelten Technologieunternehmen: Dell hat sich endlich einen Weg überlegt, wie man am wachsenden Markt der Cloud-Services verdienen kann. Geplant ist hier wenig überraschend die enge Kooperation mit Partnern. Dell will ihnen ganze Softwarestacks öffnen.
Beispielsweise sollen sie in Zukunft spezielle Providerlizenzen für Dell-Software wie die von Quest kaufen können, um dann die mittels dieser Produkte möglichen Dienste selbst als Serviceprovider an ihre Endkunden zu vermarkten.
Natürlich ist davon auszugehen, dass Dell diese Provider-Partner vorzugsweise auch mit entsprechender Cloud-Hardware und –Software ausrüsten möchte. Über eines ist man sich aber bei Dell derzeit klar: “Wir wollen nicht selbst Anbieter von Cloud-Services an Endkunden werden, sondern beim mittelbaren Geschäft bleiben”, betont Renz. Auch hier schlummere nämlich ein veritables Marktvolumen.
Vergegenwärtigt man sich freilich die Historie, war auch von anderen Hardwareplayern, etwa Fujitsu, lange Ähnliches zu hören – bis sie schließlich doch direkt in das Geschäft mit SaaS einstiegen.