“Virtuelle Kollegen” – Automatisierung in der IT
Verwaltungsaufgaben lassen sich standardisieren. Was Lösungen abbilden können, die über diese standardisierten Prozesse hinausgehen, erklärt Hans-Christian Boos, Geschäftsführer arago AG im Interview mit silicon.de. Doch bevor solche Lösungen zum Einsatz kommen können, müssen sie zunächst “trainiert” werden, weiß der Gründer des IT-Automatisierungsspezialisten aus Frankfurt am Main.
silicon.de: Herr Boos, viele IT-Entscheider prüfen aktuell, in wieweit ihr Unternehmen von einer Automatisierung der IT profitieren könnte. Was kann man sich unter diesen Automatisierungslösungen vorstellen, was genau passiert da?
Boos: Gerade in der IT, einer Branche, die hochgradig mit diversen Veränderungen konfrontiert wird, fallen täglich Aufgaben an, die mehrere Mitarbeiter über lange Zeiträume auslasten. So beschäftigt beispielsweise die Systemadministration jeden Tag die Experten eines Unternehmens: Dazu gehört vor allem die Bearbeitung diverser Tickets. Allerdings binden diese Aufgaben zur Einhaltung des Status quo wertvolle Mitarbeiter und schränken so deren Einsatzmöglichkeiten für zukunftsorientierte Projekte ein Dies wiederum beschränkt die Innovationskraft eines Unternehmens und damit letztlich auch dessen Wettbewerbsfähigkeit.
silicon.de: Wenn wir von IT-Automatisierung sprechen, reden wir dann immer von der gleichen Methodik? Oder gibt es verschiedene Varianten? Und wenn ja, worin liegt der wesentliche Unterschied?
Boos: Viele IT-Betriebe profitieren bereits von der Automatisierung ihrer IT-Strukturen. Dabei kann man zwischen zwei wesentlichen Methoden unterscheiden: Standardisierter Automatisierung auf der einen Seite und wissensbasierte Maschinen auf der anderen. Erstere eignen sich für die Verwaltung von Anwendungen und Arbeitsebenen, die hoch standardisiert arbeiten – zum Beispiel Betriebssysteme oder Standardapplikationen. Diese Lösungen arbeiten mit Workflows, Runbooks oder Skripten, die Schritt für Schritt die ihnen übertragenen Prozesse abarbeiten. Im Prinzip kann man sich darunter eine Arbeit wie am Fließband vorstellen. Die Arbeit wird in einer starren Reihenfolge über Werkzeuge an Experten vorbeigeführt, bis sie schließlich vollendet ist. Allerdings wird es brenzlig, wenn die Lösung mit einem Problem, beispielsweise einem Virus, oder einer ungewohnten Situation konfrontiert wird. Treten solche Szenarien ein, kann die standardisierte Variante ihre Arbeit nicht mehr korrekt ausführen und muss überholt oder sogar ersetzt werden.
Da diese Fälle zum Alltag der IT gehören, ist eine Automatisierungsplattform notwendig, die einen Schritt weiter geht oder besser: weiter denkt. Bei der wissensbasierten Automatisierung liegt der Fokus auf der konkreten Anwendung von Wissen.
Die Lösung ist damit in der Lage, den gesamten Technologie-Stack – vom Betriebssystem bis hin zur Individualapplikation – zu managen und integriert sich dabei problemlos in die bestehende IT-Landschaft, also auch in komplexe, nicht-standardisierte Umgebungen. Die Quelle ihrer Fähigkeiten ist Intelligenz. Dazu nutzt die Maschine einen sogenannten Wissenspool, in dem Experten ihr Wissen zur Bewältigung entsprechender Aufgaben und Vorgänge in Form von Wissensbausteinen ablegen. Aus diesen Bausteinen erstellt die Lösung einen eigenständigen Ablauf von Handlungen – und das völlig dynamisch. Somit ist sie in der Lage, auch auf unerwartete Ereignisse zu reagieren. Findet das Werkzeug einmal keine Lösung, dokumentiert es den Vorgang sauber und wendet sich an das Expertenteam, um hier gezielt neues Wissen abzufragen. Insgesamt kann so ein Automatisierungsgrad von bis zu 80 Prozent erreicht werden.
silicon.de: Wissensbasierte Automatisierung kann also dort ansetzen, wo die standardisierte Variante an ihre Grenzen stößt. Dazu muss sie aber erst entsprechend angelernt und vorbereitet werden. Bedeutet dies einen großen Mehraufwand für Unternehmen?
Boos: Natürlich gilt: Je mehr Input – also Wissen – die Automatisierungslösung erhält, desto besser ist sie für die Verwaltung von komplexen Aufgaben gewappnet. Der Zeitaufwand, der dabei für die IT-Mannschaft anfällt, hält sich allerdings in Grenzen, da sämtliche Wissensbausteine nur ein einziges Mal eingepflegt werden müssen und ab dann für den gesamten Betrieb in einer Art Wiki abgelegt sind. Neben der zentralen Sammlung und Archivierung entsteht ein weiterer signifikanter Vorteil: Die Automatisierungsmaschine wendet das Wissen für sämtliche Anwendungen an, die es bearbeitet. Zusätzlich ist zu beachten, dass sich der Zeitaufwand für das Anlernen des virtuellen Kollegen schon nach kurzer Zeit amortisiert, da natürlich die IT-Fachkräfte entsprechend entlastet werden.
silicon.de: Wie wirkt sich die Automatisierung der IT-Strukturen im Betrieb aus? Was sind die drastischsten Veränderungen, welche Vorteile erschließen sich für das Unternehmen? Und inwieweit profitiert das Personal davon?
Boos: Ganz klar: Die Wettbewerbsfähigkeit des IT-Betriebes bleibt erhalten. Dies drückt sich nicht nur durch einen flexiblen und transparenten IT-Prozess aus, der die stabile Qualität des Unternehmens sicherstellt, sondern schlägt sich vor allem in der Innovationskraft des Unternehmens nieder. Denn es erhält durch die wissensbasierte Automatisierungsplattform die notwendige Agilität und Skalierbarkeit, die zur effizienten und wirtschaftlichen Verwaltung der IT-Strukturen benötigt werden. Außerdem profitieren die Mitarbeiter natürlich von der Möglichkeit, neue Technologien und Prozesse zu erlernen, um so ihre Expertise und innovativen Ideen den Betriebsalltag einzubringen.
silicon.de: Wenn die Maschine also die Arbeit von Menschen übernimmt, kann es dann sein, dass langfristig Stellen eingestrichen werden? Ist es vorstellbar, dass Administratoren durch eben diese Automatisierung ihren Job verlieren?
Boos: Eine Automatisierungsplattform soll IT-Experten entlasten und nicht ersetzen. Unternehmen stehen oftmals vor der Wahl, wo und wie sie ihre Mitarbeiter einsetzen, da ihnen aus Effizienzgründen natürlich nur eine wirtschaftlich sinnvolle Anzahl an Mitarbeitern zur Verfügung steht. Daher müssen IT-Entscheider oftmals abwägen, ob sie ihre Mitarbeiter beispielsweise für die Administrierung beziehungsweise Pflege von Betriebssystemen oder für die Weiterentwicklung des Unternehmens einsetzen. Beides ist oftmals nicht möglich, da die Aufgaben sehr zeitintensiv sind. Der Einsatz einer intelligenten Lösung ermöglicht jedoch, dass sowohl die täglichen Systempflegeaufgaben als auch Innovationsprozesse im Unternehmen vorangetrieben werden.
silicon.de: Und wie steht es um das Thema Sicherheit? Vielen Anwendern ist doch bestimmt etwas unwohl, wenn sie ihren IT-Betrieb komplett automatisieren lassen. Kann man sich darauf verlassen, dass eine Maschine besser arbeitet als ein Mensch?
Boos: Die Sicherheit von geschäftskritischen Daten ist eine elementare Voraussetzung, die wissensbasierte Lösungen erfüllen müssen. Anwendungen wie der AutoPilot halten sämtliche Compliance-Richtlinien ein und garantieren damit eine sichere und stabile Arbeitsweise. Ein weiterer Vorteil ist die permanente, gewissenhafte Dokumentation sämtlicher Arbeitsschritte. Die IT-Verantwortlichen sind damit über sämtliche Schritte der Lösung unterrichtet und haben den reibungslosen Ablauf des Betriebs stets im Blick.
silicon.de: Vermutlich nicht jeder IT-Betrieb und nicht jede Anwendung lassen sich mittelfristig wirtschaftlich sinnvoll automatisieren. Wann sollte sich ein Unternehmen für eine Implementierung entscheiden und was sollte es dabei beachten?
Boos: Die Integrierung einer wissensbasierten Automatisierungsplattform ist aus wirtschaftlicher Sicht immer sinnvoll – schon alleine aus Gründen der Wirtschaftlichkeit, Prozessoptimierung und zur Steigerung der Kreativleistung von Mitarbeitern. Allerdings sollte unbedingt beachtet werden, dass die Automatisierungsmaschine so “weich” wie möglich in die bestehenden IT-Infrastrukturen eingefügt wird und so das Tagesgeschäft nicht belastet.
silicon.de: Wie muss für Sie der IT-Betrieb der Zukunft aussehen? Wird Science-Fiction zur Realität und übernehmen Maschinen die Kontrolle in den IT-Abteilungen? Und wie nah sind wir bereits an diesem Szenario?
Boos: Maschinen können schon heute entscheidend dazu beitragen, dass ein IT-Betrieb erheblich effizienter arbeitet. Dabei kann die Plattform sowohl einfache als auch komplexe Aufgaben übernehmen. Einen gut ausgebildeten, kreativen IT-Experten kann die Lösung allerdings nicht ersetzen, auch wenn sie wie ein virtueller Kollege arbeitet.