Dass Digitalisierung die Arbeitswelt verändert, ist eine Plattitüde. Wie aber diese Veränderungen im Detail aussehen, damit befassten sich die diversen Vorträge auf der Tagung des Münchner Kreises.
Mitarbeiter und Führungskräften müssen in Zukunft mit anderen Rollen leben. Denn Wissensarbeit, die immer wichtiger wird, lässt sich nicht in starre Schemata pressen. Dr. Josephine Hofmann vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO): “Aus Mitarbeitern müssen Lern-Entrepreneure werden, aus Führungskräften die Coaches der Mitarbeiter.”
Damit nicht genug: Die Manager brauchen Überblick über das breite Spektrum möglicher Kommunikationskanäle und ihrer Wirkungen, denn sie müssen planen, wie sie die Kommunikation im Unternehmen steuern und gestalten. Jede Kultur, jede Funktion hat ihre Eigenheiten.
Wer in einer eher sachorientierten Kommunikationskultur, beispielsweise in der Finanzbranche oder im angloamerikanischen Kulturkreis, statt knapper E-Mails schwülstige Einladungen zu stundenlangen Mittagessen verschickt, macht sich unbeliebt.
Und wer, wie Hofmann in einer Untersuchung mit Studenten feststellte, ein überregionales Team mit einer gemeinsam zu lösenden Aufgabe betraut, sollte dem Team auch eine Videoconferencing-Lösung spendieren. Sonst nämlich wird die Arbeit sehr wahrscheinlich in einzeln bearbeitete Häppchen aufgeteilt, die das Team nachher zusammenfügt – so Hofmanns Erfahrungen.
Bei der firmeninternen Entwicklung einzelner Mitarbeiter sollen in Zukunft neuartige, IT-gestützte Analysemethoden helfen, um die vielen im Unternehmen verstreut vorliegenden Leistungsbeurteilungen, Berichte, Zieldefinitionen oder anderen Dokumentationen über das Individuum zu einem Gesamtprofil zu verdichten.
“Bei der sinnvollen Nutzung dieser vielen Daten sind wir noch ganz am Anfang”, so Prof. Dr. Ingo Weller vom Stiftungslehrstuhl für Personalwirtschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Was das für den Datenschutz bedeutet, ist allerdings noch unklar.
Die Bewerbungsphase verändert sich besonders durch soziale Medien. Nicht immer zum Vorteil der Bewerber, wie eine von Weller präsentierte Studie aus Frankreich zeigt: Man erstellte zwei identische Profile in Stellenbörsen und legte zu jeder eine nahezu identische private Facebook-Seite an. Einziger Unterschied: Einer der fiktiven Bewerber nannte bei Facebook seinen arabischstämmigen Familienhintergrund. Dann wurden tausend passende Stellenausschreibungen gesucht und jeweils 500 mit einem der beiden Profile adressiert. Fazit: Der angeblich arabischstämmige Bewerber erhielt ein Drittel weniger Einladungen zum Gespräch. Also nutzen Personaler ganz selbstverständlich auch Informationsmöglichkeiten im Web außerhalb von Bewerbungsprofilen und lassen sich von dort vorgefundenen Informationen zum Nachteil der Bewerber beeinflussen.
Ein positives, weil Chancengleichheit förderndes Beispiel für den Technologieeinsatz sei, so Weller, die Plattform Stuser. Hier werden Studienplatzbewerber übers Web persönlich mit Studierenden ihres Wunschfaches in Kontakt gebracht und können dabei Informationen über die Details des Studienablaufs oder der Anforderungen einholen – Das ist Wissen, das sonst laut Weller nur zu bekommen ist, wenn sich im Famililen- oder Freundeskreis Akademiker befinden.
Die Informationsgespräche werden auf der Plattform gespeichert, indexiert und suchbar gemacht, die Inhalte stehen dann allen Informationssuchenden zur Verfügung. Weller: “So wird typisches Erfahrungsmwissen zu suchbarem Wissen.” Das aber sorge für mehr Chancengleichheit.
Erfreuliche Perspektiven bieten sich vor allem Wissensarbeitern und Ingenieuren, denn sie sind am ehesten in der Lage, sinnvolle Anwendungen für die überbordende Datenflut zu entwickeln. Deshalb steigt ihr Verdienst kräftig.
Mittlere Qualifikationen, deren Jobs höhere Routineanteile besitzen, gucken in die Röhre: Viele ihrer Jobs werden in Zukunft durch Automatisierung wegrationalisiert oder ins billige Ausland ausgelagert, warnen die Fachleute. Das betrifft Facharbeiter, aber durchaus auch Bürojobs. “Solche Menschen landen dann oft im niedrig bezahlten Dienstleistungssektor”, referierte David Dorn, Assistant Professor of Economics am CEMFI (Center for Monetary and Financial Studies) in Madrid, der sich mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt befasst.
Einen dauerhaften und groß angelegten Wegfall von Arbeitsplätzen werde es nicht geben, doch habe die Digitalisierung das Potential, die Gesellschaft in eine reiche Oberschicht und eine breite Schicht von schlechter bezahlten Dienstleistern, etwa Putz- und Pflegekräften sowie Handwerkern, zu spalten und so für soziale Unruhe zu sorgen. Als Gegenmittel empfiehlt der Wissenschaftler ein offenes, Chancengleichheit begünstigendes Bildungssystem, ausgleichende Sozialsysteme und wenn das nicht reicht, auch Umverteilung.
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