Rechenzentren: Mehr Einsparung nur durch neue Wege

1,04 ist die PUE (Power Usage Effectiveness) des Sieger-Rechenzentrums bei der jährlichen Preisverleihung des European Code of Conduct for Datacenters. Es gehört ARM und befindet sich in Cambridge (UK). Das Verhältnis zwischen IT-Energieverbrauch und dem Verbrauch der restlichen Landschaft kann man nicht mehr viel stärker optimieren. Also müssen andere Wege her, um den Energieverbrauch der IT einzuschränken. Zwei davon wurden auf der Tagung von The Green Grid diskutiert: die Dämpfung oder Verhinderung harmonischer Oberschwingungen und bessere Software, die stärker darauf ausgerichtet ist, Systemressourcen nur zu beanspruchen, wenn das tatsächlich nötig ist.

Seit Fourier weiß man, dass man jede beliebige Kurve durch die Überlagerung diverser Sinuskurven darstellen kann. Umgekehrt kann die Überlagerung mit harmonischen Oberschwingungen (sie schwingen mit einem ganzzahligen Vielfachen der zugrunde liegenden Sinuskurve) die Sinuskurve von Strom und Spannung empfindlich verformen, was zu Verlusten und Erhitzung von Bauteilen führt.

Für jedes Prozent der Total Harmonic Distortion (THD) gibt ein Papier von The Green Grid zwei Prozent Verlust an. Weil die Gegenmaßnahmen aber Geld kosten, empfiehlt The Green Grid, Maßnahmen erst zu erwägen, wenn THD für den Strom größer ist als 15 Prozent und für die Spannung größer als acht Prozent. Zunächst muss die Verzerrung also genau gemessen werden – bei Inbetriebnahme des Rechenzentrums und bei jeder größeren Aktualisierung. Also müsse an den Koppelpunkten von Stromkreisen entsprechendes Messequipment installiert sein.

Welche Maßnahmen können nun helfen, die Verluste durch Harmonische zu begrenzen? Ian Bitterlin, Leiter der Technischen Arbeitsgruppe EMEA bei The Green Grid, listete einen ganzen Katalog von Möglichkeiten auf – immer vorausgesetzt, eine vorgeschaltete ROI-Betrachtung ergibt ein positives Ergebnis. Beispiele sind Transformatoren mit höheren K-Faktoren, die der Wärmeenergie von Oberschwingungen besser trotzen, größere Transformatoren oder Filter.

Software frisst unnötig Energie

Der zweite Bereich, der noch für viele Verbesserungen taugt, ist die Software. Denn oft ist sie so schlecht auf die Hardware abgestimmt, dass sie viel Strom verbraucht, der absolut unnötig ist. Konstantes Polling, überflüssige Interrupts, Ausgaben auf abgeschaltete Bildschirme sind nur drei der vielen schlechten Programmiergewohnheiten, die Software zum Energiefresser machen. “Inaktive Software dürfte eigentlich überhaupt keine Energie verbrauchen”, betonte der aus Indien zugeschaltete Abhishek Agrawal, der sich mit der Softwaregruppe von The Green Grid hier um Verbesserungen bemüht. “Faktisch kann eine einzige inaktive Software, die ständig Energie verbraucht, das gesamte Energiemanagement von Rechnern aushebeln.” Außerdem erzeugen solche Programme den Eindruck, ein System wäre ausgelastet, obwohl es das nicht ist und andere Aufgaben übernehmen könnte. Hier gibt es noch viel zu tun.


Von den in der Normierung begriffenen Verbrauchswerten für Server und angeschlossene DV-Geräte, die in Brüssel ebenfalls Thema war, braucht niemand allzu stressigen Veränderungen zu erwarten. Es wird noch 55 Monate dauern, bis Grenzwerte entsprechend der Ecodesign-Richtlinie 2009/125/EG für die relevante Produktgruppe DG ENTR Lot 9 festgelegt sind – etwa zwei Technologiegenerationen. Zudem haben alle Interessenten in der aktuellen Phase der Vorstudie große Mitsprachemöglichkeiten.

Paradigmenwechsel nötig

Bitterlin, als Technologiechef von Emerson Network Power jeder grünen Hysterie vollkommen unverdächtig, ließ den Anwesenden wenig Hoffnung, dass es mit dem Energiesparen irgendwann sein Bewenden haben werde. Zwar gelte Moores Law, doch: “Bisher haben die zunahmen in Datenvolumen und –verkehr noch jeden Effizienzgewinn durch neue Technologien überkompensiert.”

Die IT befinde sich derzeit nicht auf einem nachhaltigen Entwicklungspfad, sondern auf einem, der, linear fortgeschrieben, dazu führe, dass der gesamte weltweit erzeugte Strom ausschließlich in den Betrieb von Kommunikationsnetzen und ihren Endgeräten fließe. Ein Beispiel: Ein vierminütiges Pop-Video, das im Lauf eines Jahres 1,5 Milliarden Mal von Youtube heruntergeladen wird. verbraucht allein insgesamt 312 GWh Strom. Bitterlin: “Das entspricht dem gesamten Stromverbrauch von Burundi oder dem Jahresspritverbrauch 80.000 britischer Autos.”
Einen Lösungsvorschlag hat Bitterlin auch parat. “Wir brauchen dringend einen Paradigmenwechsel in der IT”, forderte er. Wie der aussehen könne, wusste er allerdings nicht. “Die Zukunft ist grundsätzlich unvorhersehbar, aber vielleicht ist Graphen als Grundstoff ein Kandidat”, meinte er und forderte europäische IT-Spezialisten auf, sich verstärkt diesem Thema zu widmen.

Der Stromverbrauch der IT-Endgeräte und Kommunikationsnetze frisst, wenn es so weitergeht, irgendwann die gesamte weltweit erzeugte Energie. Quelle: The Green Grid

Redaktion

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