Ed Snowden hat einen Fehler gemacht. “Speaking the truth is not a crime“, steht in dem Brief, den er Christian Ströbele nach Berlin mitgegeben hat. Adressiert ist der “to whom it may concern”. – Da wird sich wohl niemand angesprochen fühlen.
Das frustrierendste Thema für eine Glossen-Schreiber ist die NSA-Affäre. Was immer man sich da auch an Übertreibungen ausdenken mag, jedes Mal stellt man fest: Die Wirklichkeit spitzt sehr viel besser zu. Spät ist es auch schon. Und so schweifen denn die Gedanken ab…
Wie schön wäre es, stattdessen jetzt in einem Wirtshaus zu sitzen und sich mit Leuten aus allen Himmelsrichtungen ordentlich einen hinter die Binde zu gießen. Mit Hans-Peter etwa, einem Hiesigen, also aus dem Süden, Roland aus dem äußersten Westen und Thomas aus dem Norden. Eine Dame ist auch dabei, Angela. Die kommt aus dem Osten. Sachen sagen die! Das könnte Unsereins gar nicht – zumindest nicht, ohne rot zu werden.
So wird’s denn auch ein richtig netter, feucht-fröhlicher Abend. Und es kommt, wie’s kommen muss: auf der Heimfahrt – Blaulicht, Kelle, Polizeikontrolle. Wo man herkomme und ob man Alkohol getrunken habe, will der Beamte wissen. Man errötet.
Dankenswerter Weise aber souffliert Roland: “Ich heiße Sie recht herzlich willkommen. Wir hatten aus meiner Sicht eine informative und gute Sitzung im Mangfallstüberl. Um das Ergebnis gleich vorwegzunehmen: Die Bedienung und der Wirt haben uns erklärt, dass sie sich in Deutschland an die deutsche Straßenverkehrsordnung halten, der Fahrer dieses Fahrzeugs ebenfalls. Bevor ich zu den Punkten im einzelnen komme, möchte ich um Ihr Verständnis bitten: Die Zeche des Fahrers dieses Fahrzeugs – und das liegt in der Natur der Sache – muss in Teilen geheim bleiben, sonst könnte er seine Fahrt, die einen wichtigen Beitrag zu unserer Verkehrssicherheit leistet, nicht fortsetzen.
Klasse, der Mann! Vom Rücksitz aus flüstert Roland weiter: “Ich zitiere aus einem Papier des Wirts.” – Das Bierfilzerl meint er. – “Darin steht nichts von alkoholischen Getränken.” Recht hat er. Bloß sieben Striche waren darauf – für sieben Halbe.
“Alle Verdächtigungen, die erhoben wurden, sind ausgeräumt“, raunzt jetzt Hans-Peter von der Rückbank. Er weiß offenkundig, wie man mit deutschen Beamten spricht. Der Polizist jedenfalls nimmt Haltung an. “Viel Lärm um falsche Behauptungen” sei das alles, ruft Hans-Peter. Die aber hätten sich wohl jetzt alle “in Luft aufgelöst”.
Der Beamte sieht das ein mit der Luft, schnüffelt aber und fragt schließlich doch verschüchtert, warum der Fahrer denn dann eine Fahne habe. Thomas meldet sich vom Beifahrersitz. Er ist der smarteste von allen und manche sagen, er bekomme deswegen auch bald den Job vom ruppigen Hans-Peter. Er bietet an, der Fahrer könne ja ins Röhrchen pusten – au, Mann! – es sei denn – ja, es sei denn, dies würde das “intakte” Verhältnis des Zechers hinterm Steuer zur StVO belasten.
Der seltsame Polizeibeamte, dessen Verhältnis zur Straßenverkehrsordnung dem mancher deutscher Staatsmänner zum Grundgesetz ähnelt, erkennt die Gefahr für die Akzeptanz einschlägiger Rechtsvorschriften, die davon ausginge, wenn diese ernst genommen würden, möchte selbige natürlich unbedingt vermeiden und schickt sich an, “eine schöne Alkoholfahrt noch!” zu wünschen. – Da mault die Dame auf der Rückbank.
Sie hat die ganze Zeit so getan, als gehöre sie gar nicht dazu, obwohl sie die absolute Prinzessin ist, wo immer sie auftritt. Gelangweilt gesimst und mit ihren beiden Handys telefoniert hat sie unterdessen. Jetzt zieht sie die Mundwinkel herunter und meldet sich zu Wort.
Sie habe ja gar nichts dagegen, dass Trunkenbolde auf deutschen Straßen unterwegs seien, nörgelt Angela. Aber “unter Freunden“, also mit ihr auf dem rückwärtigen Thron, “das geht gar nicht”.
Der Beamte horcht auf. Man kennt das ja aus unzähligen US-Krimis. Jetzt gibt’s nur eines: den rechten Fuß durchdrücken: Gas!
Dann der Knall, wie ein Schuss! Und der Schmerz!…
Verdammt! Schon wieder über der Arbeit eingeschlafen und mit dem Kopf auf der Tastatur aufgeschlagen. Was für ein blöder Albtraum! Überhaupt: Nie könnte man vier solch komische Gestalten mit seinem Zweisitzer nach Hause fahren.
Der Morgen graut. Es wird ein schöner Tag. Und am Abend ist Stammtisch. Man sollte vielleicht wieder mal hin – mit der Tram selbstverständlich, weil auf der Rückfahrt mit dem Auto könnte man ohne die Unterstützung von Roland, Hans-Peter und Thomas einem deutscher Staatsdiener unterhalb der Ministerialebene einfach keinen Schmarrn erzählen.
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