“Es macht überhaupt keinen Sinn”, so Jim Hamamann Snabe, scheidender Co-CEO von SAP, eine Linie im IT-Markt zwischen Europa und dem Rest der Welt zu ziehen. Derzeit wird die IT-Industrie von US-Herstellern wie Microsoft, Google, Cisco, HP oder Oracle dominiert. Und in politischen Kreisen scheint man sich derzeit für die Idee zu erwärmen, einen europäischen IT-Giganten nach dem Vorbild von Airbus zusammenzuschustern.
Wie Snabe in einer Mail an die Agentur Reuters festhält, glaubt er, dass die Idee eines staatlich verordneten IT-Unternehmens von vorne herein zum Scheitern verurteilt ist. Der IT-Markt agiere global. Eine Abschottung gegenüber den USA mache daher keinen Sinn. Auch würden diese Pläne zu weniger Wettbewerb führen, was sich auch auf die Innovationskraft und Wachstum negativ auswirken würde.
Bundeskanzlerin Angela Merkel und die österreichische Innenministerin Johanna Mikl-Leitner forderten bereits im Sommer im Zuge der Ausspähaffäre, die europäischen IT-Kräfte zu bündeln und damit auf dem IT-Markt ein europäisches Gegengewicht zur amerikanischen Übermacht zu schaffen.
Auf einer Veranstaltung in München erklärte Sven Denecken, Vice President, Strategy Cloud Solutions: “Wir haben inzwischen auch Anfragen von US-Firmen, die ihre Cloud-Daten gerne innerhalb Deutschlands speichern wollen.” Und auch Snabe erklärt, dass die aktuelle Debatte derzeit vor allem SAP in die Hände spiele.
SAP kann als deutsches Unternehmen einen weitaus stärkeren Datenschutz gewährleisten, als das in den USA der Fall ist. Auch wenn sich Snabe gegen einen konstruierten europäischen IT-Multi ausspricht, so sieht er doch die Notwendigkeit von einheitlichen Datenschutzregeln. Bereits vor einigen Monaten hatte er eine Art Schengen-Raum für Datenschutzregeln gefordert und jetzt macht er wieder deutlich, dass es auf internationaler Ebene klare und verbindliche Regeln für den Datenschutz geben muss, um das angeschlagene Vertrauen der Nutzer und Unternehmen in die Technologie wieder herzustellen. Zumal unterschiedliche Datenschutzregeln in verschiedenen Ländern für die Anbieter zusätzlich kosten bedeutet.
SAP, das das eigene Cloud-Angebot inzwischen beschleunigt ausrollen will, könnte natürlich auch von einem regulatorisch vereinheitlichten Markt profitieren.
Snabe sieht indes andere Instrumente zur Förderung eines stärkeren europäischen IT-Marktes, so zum Beispiel die staatliche Förderung von Innovationen. Es gehe dabei nicht nur um Innovationen in der IT-Branche, sondern die IT als Basis für Entwicklungen in sämtlichen Industrien.
Zudem sollte mehr in die Ausbildung investiert werden und die Gründung von Unternehmen müsse vereinfacht werden. Und mit dieser Forderung ist er nicht alleine. Auch der deutsche IT-Mittelstandsverband BITMI macht sich regelmäßig bei der Politik für bessere Rahmenbedingungen im produzierenden deutschen IT-Mittelstand stark. Erst auf der CeBIT hatte der Verband von deutschen Unternehmen eine stärkere Internationalisierung gefordert.
Als Förderaßnahmen schlägt der BITMi vor allem die Schaffung finanzieller Anreize für Investoren und Risikokapitalgeber aber auch ein auf mittelständischen Bedürfnisse zugeschnittenes Private-Equity-Gesetz sowie einen gesonderten IT-Fonds Deutschland vor. Über diesen Fonds sollen Start-ups und expandierende IT-Firmen im Mittelstand gezielt gefördert werden. Auch für eine unbürokratische steuerliche Forschungs- und Entwicklungsförderung für den IT-Mittelstand macht sich der Verband regelmäßig stark.
Das französische Investmenthaus Truffle listet in einer aktuellen Untersuchung die größten europäischen Softwarehändler auf. Dank SAP ist Deutschland der stärkste IT-Anbieter in Europa. Ohne SAP würde Deutschland auf Rang zwei hinter Großbritannien rutschen.
Aktuell beleuchtet auch die Studie EU Softwarecluster Benchmark 2013 des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung den Status der Software-Cluster in Europa. Die Fraunhofer-Experten sehen klar das amerikanische Silicon Valley als Vorbild, doch schafft es kein europäischer Cluster derzeit das US-Vorbild zu kopieren.
Denn das amerikanische IT-Mekka zeichnet sich sowohl durch wirtschaftliche Erfolge wie auch durch dynamisches Wachstum aus. Wie Wolfram Jost, CTO der Software AG in einem Gespräch mit silicon.de erklärte, gebe es in den US schlicht eine andere Innovations-Kultur: “Da werden Unternehmen gegründet, die sich zum Ziel gesetzt haben, von einem größeren Unternehmen übernommen zu werden. Um Umsätze macht sich dabei niemand Sorgen. So etwas findet man beispielsweise in Deutschland überhaupt nicht.”
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