Mittelstand im Digitalisierungs-Niemandsland

Besonders erfolgreiche CIOs haben Kunden, Kunden, Kunden ganz oben auf der Liste stehen. Andere kümmern sich eher darum, die Kosten niedrig zu halten. Quelle: Accenture

Immer mehr Unternehmen optimieren Prozesse nicht nach innen, sondern öffnen sich den Kunden und den Partnern. Ein wichtiges Mittel dafür ist unter anderem die Digitalisierung. Erst vor wenigen Tagen hatte Accenture in einer groß angelegten Untersuchung aufgezeit, was einen erfolgreichen CIO von einem weniger erfolgreichen CIO unterscheidet. Das Ergebnis: Kundenorientierung, Kundenorientierung und Kundenorientierung. Dem gegenüber stehen CIOs oder ander C-Levels, die Kostensenkung und Effizienzsteigerung als höchste Priorität ansehen.

Nun legt auch IBM nach. IMB hat im Rahmen der weltweiten CxO-Studie: “The Customer-activated Enterprise – Insights from the Midmarket” sich allerdings den Mittelstand genauer angeschaut. Und gerade hier scheinen diese integrierten digitalen Strategien noch wenig verbreitet. Laut IBM nutzen derzeit erst 13 Prozent des Mittelstandes die Analyse von Kundeninformationen.

Dagegen ist die Mehrheit der befragten Entscheider – darunter CEOs, CMOs oder CIOs – darauf aus, die digitale und physische Welt zu vereinen, um Kundenbeziehungen neu zu gestalten. Und hier unterscheiden sich die Wünsche der mittelständischen CIOs nicht von denen größerer Unternehmen, wie IBM ebenfalls in der CxO-Studie aufzeigt. Mit mehr Offenheit und Transparenz gegenüber Kunden, Partnern und Mitarbeitern soll vor allem die Wertschöpfung gesteigert werden.

“Die Prioritäten der mittelständischen Führungskräfte verschieben sich – statt nach innen gerichteter Steigerung von Effizienz und Produktivität wollen sich Unternehmen stärker nach außen für Kunden und Partner öffnen”, so Martina Fiddrich, Geschäftsbereichsleiterin Mittelstand Deutschland, Österreich und Schweiz bei IBM.

Denn immer mehr setze sich die Erkenntnis durch, dass über in einer neuen Kundeninteraktion der Schlüssel zum Erfolg liege, so Fiddrich. “Doch die angestrebte Offenheit und Transparenz setzt voraus, dass eine integrierte digitale Strategie vorhanden ist”, betont Fiddrich.

Doch genau das scheint gerade im Mittelstand häufig nicht der Fall zu sein. Erst 43 Prozent sind entsprechend aufgestellt. Etwa ein Viertel (26 Prozent) der Unternehmen haben diese Aufgabe nur ansatzweise verwirklicht und rund ein Drittel (31 Prozent) verfügen über keine digitale Strategie. Die Studie zeigt auch, dass nach Meinung der CxOs die Technologie einer der wichtigsten Faktoren bleibt, der die Zukunft ihres Unternehmens in den kommenden drei bis fünf Jahren beeinflusst. Dabei verstehen sie Technologie nicht nur als Infrastruktur zur Umsetzung einer Geschäftsstrategie, sondern auch als Faktor, der neue Strategien überhaupt erst ermöglicht.

Immer mehr scheint diese Strategie in den Mittelpunkt zu rücken. So hat Accenture mit Accenture Digital einen neuen Geschäftsbereich gegründet, der auf die Beratung, Entwicklung neuer Geschäftsfelder, der Implementierung und Umsetzung von digitalen Strategien abzielt.

Als zentralen Punkt diese Strategie sieht IBM den Aufbau von Netzwerken mit Mitarbeitern, Partner und Kunden, gerade in den Management-Etagen des Mittelstands. Und auch wenn vielleicht noch keine vollumfängliche Strategie vorhanden ist. So haben laut IBM Studie bereits viele Unternehmen diesen Weg eingeschlagen: 70 Prozent der Entscheider ihr Partnernetzwerk ausbauen und verstärkt in Dialog und Interaktion treten. Auch die Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens soll von heute 52 auf über 90 Prozent steigen. Ziel ist es, die Wertschöpfung für das Unternehmen zu erhöhen und so neue Impulse für Innovation und Wachstum zu erhalten.

Auch gegenüber Kunden wollen sich Unternehmen stärker öffnen und sie noch aktiver einbinden als bisher. Bei der Entwicklung von Produkten und Dienstleistungen beteiligen sich bereits 82 Prozent der Kunden – bis 2017 soll der Wert auf 90 Prozent anwachsen. Insbesondere bei der Gestaltung von Geschäftsmodelle und Strategien sollen Kunden intensiver teilnehmen: Während heute bei 43 Prozent der Befragten die Kunden aktiv das Geschäftsmodell beeinflussen, sollen es mittelfristig 60 Prozent werden. Eine integrierte digitale Strategie bedingt jedoch eine kulturelle und organisatorische Transformation, bei der Unternehmen ihre Technologien und Prozesse konsequent auf die Kunden ausrichten: Wurden Kunden bisher eher im Rahmen von Kundensegmenten wahrgenommen und bedient, steht heute der Kunde als Individuum im Mittelpunkt.

Meinungen und Ideen in Social-Media-Kanälen sind gleichbedeutend mit Kundenwünschen, das habe der Mittelstand inzwischen erkannt, glaubt IBM. Daher ist 87 Prozent der befragten CMOs (Chief Marketing Officer) eine konsistente Strategie wichtig, die alle sozialen und digitalen Kanäle umfasst. Auch die Analyse der Kundeninformationen als Grundlage fundierter Geschäftsentscheidungen soll in den nächsten Jahren deutlich steigen: von heute 13 auf über 80 Prozent.

Allerdings gibt es eine akademische Studie, die die positiven Effekte von Social Media im Mittelstand in der DACH-Region abfragt. Die Autoren der Studie kommen jedoch zu dem Schluss, dass in den meisten Fällen diese Aktionen nicht den gewünschten Erfolg bringen.

Doch auch das könnte sich ändern, denn gerade mittelständische CMOs arbeiten an einer integrierten digitalen Strategie: So beabsichtigen 87 Prozent, in den nächsten drei bis fünf Jahren Kunden über möglichst viele – klassische wie digitale – Kanäle zu erreichen und die Informationen aus diesen zu bündeln. Darüber hinaus wollen sie auf soziale Netzwerke setzen, um die Interaktion mit Kunden und Mitarbeitern zu fördern – dies geschieht vor allem über mobile Endgeräte. Hier bieten sich flexible Lösungen aus der Cloud an, um all dies schnell und kostengünstig auf die Beine stellen zu können.

Kleine und mittelständische Unternehmen nutzen Facebook und Xing am intensivsten, um Produkte und Unternehmen im Markt bekannt zu machen. Nur bleiben diese Aktivitäten häufig ohne Erfolg. Quelle: Universität Liechtenstein

Insbesondere im Mangel durchgängiger Social-Media-Konzepte sehen viele mittelständische Führungskräfte ein Hindernis, ihr Unternehmen digital besser aufzustellen – für rund zwei Drittel (65 Prozent) der Befragten drückt hier der Schuh am meisten. Zudem sind mehr als die Hälfte (54 Prozent) der Meinung, es sei schwierig, den Return on Investment zu bestimmen.

Heute sind Kunden, die in der digitalen Welt mehr Einfluss und mehr Möglichkeiten als je zuvor haben, für jedes Mitglied der Führungsebene von zentraler Bedeutung. So wollen etwa 83 Prozent der in der Studie befragten CIOs (Chief Information Officer) vor allem Unternehmensbereiche mit vielen Kundenkontakten in den nächsten Jahren digitalisieren. Im Mittelpunkt steht ein verbessertes Kundenerlebnis. Hierfür sollen vor allem Daten von mobilen Endgeräten und aus den sozialen Netzwerken genutzt werden.

Durchgeführt wurde die Studie vom IBM Institute for Business Value, einem Bereich von IBM Global Business Services. Für die globale C-suite Studie “The Customer-activated Enterprise” haben sich die Analysten mit über 4.000 CxOs aus 70 Ländern unterhalten. Darunter wurden auch CxOs aus 312 mittelständischen Unternehmen befragt, ein Drittel stammt aus Westeuropa.

Tipp: Wie gut kennen Sie Soziale Netzwerke? Testen Sie Ihr Wissen – mit 15 Fragen auf silicon.de.

Redaktion

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  • Ein sehr interessanter Artikel. Die Idee, Kunden und ihre Meinungen mehr in die Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen einzubinden, ist ein richtiger und wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Hiervon wird der Mittelstand in Zukunft leben und sich stark nach vorne katapultieren.

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