Schuldhafter Verstoß gegen ein Gesetz oder Weisungen des Arbeitgebers
Jeder Mitarbeiter sollte klar wissen (dürfen), wie er sich in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit zu verhalten hat bzw. welches Verhalten der Arbeitgeber von ihm erwartet. Dies ist aus Arbeitgebersicht in der Theorie häufig leichter formuliert als praktisch umgesetzt.
Wenn der Arbeitgeber ein Fehlverhalten mit Abmahnung und verhaltensbedingter Kündigung sanktionieren will, kommt er um verpflichtende Regelungen (z. B. bzgl. privater Nutzung während der Arbeitszeit, zulässiger Nutzungszeit pro Tag, Weiterleitung dienstlicher Emails an private Email- Adresse usw.) nicht herum. Es sei denn, das Verhalten ist auch ohne Weisung alleine aufgrund gesetzlicher Vorschriften pflichtwidrig oder sogar strafbar ( z. B. Download pornographischer Inhalte, Ausspionieren fremder Geschäftsgeheimnisse, Rufschädigung des Arbeitgebers usw.), ohne dass es auf besondere Weisungen des Arbeitgebers ankäme.
Ist aber ein Verhalten nicht alleine aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift pflichtwidrig oder strafbar, kann der Mitarbeiter nur abgemahnt werden, wenn er gegen verpflichtende Weisungen des Arbeitgebers verstößt. Dazu muss es die klare Dienstanweisung erst einmal geben. Das heißt, der Mitarbeiter muss erkennen können, was der Arbeitgeber unter pflichtwidrigem Verhalten versteht. Wie explizit der Arbeitgeber Weisungen kommunizieren muss, hängt von mehreren Faktoren wie z. B. dem Ausbildungsstand, dem Qualifikationsstand, der Kerntätigkeit des Arbeitnehmers, der Branchenzugehörigkeit des Arbeitgebers sowie der Art und der Schwere des etwaigen Verstoßes ab.
So wird es jedem Mitarbeiter ohne nähere Aufklärung zum Beispiel einleuchten müssen, dass er keine pornographischen Inhalte aus dem Internet downloaden darf, weil er dies privat genauso wenig dürfte. Anders verhält es sich hingegen, wenn ein Mitarbeiter private Emails über seinen beruflichen Account empfängt oder private Emails über seinen beruflichen Account versendet, weil es niemand verboten hat oder es trotz früheren Verbotes weiterhin offensichtlich jeder andere Kollege folgenlos macht.
Weisungsbefugt ist der Arbeitgeber nur, wenn es um betrieblich veranlasstes Verhalten geht. Alles was in den privaten Bereich des Arbeitnehmers fällt, ist dem dienstlichen Weisungsrecht des Arbeitgebers entzogen. Dies kennt man auch aus anderen Bereichen, die nichts mit Social Media und IT zu tun haben. Der Arbeitgeber kann dem Arbeitnehmer zum Beispiel nicht vorschreiben, wie er sich privat kleidet. Genauso verhält es sich mit Inhalten, die der Arbeitnehmer über private Social Media-, Email- und andere datenbasierte Kanäle transportiert. Schädigt der Arbeitnehmer den Arbeitgeber allerdings aus seiner Privatsphäre heraus in gesetzwidriger oder strafrechtlicher Weise (z. B. Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnis über privaten Facebook Account), spielt die Frage der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers wie auch bei betrieblich veranlasstem Verhalten wiederum keine Rolle.
Ob die Weisung in Form von Zusatzvereinbarungen zum Arbeitsvertrag, einer Betriebsordnung, Betriebsvereinbarung, Social Media Guidlines oder Vereinbarungen und anderen Regelwerken erfolgt, hängt von der Unternehmensgröße, von der Möglichkeit zur kostenverträglichen Integration in bestehende Vertragssysteme und schlussendlich auch von der Unternehmensphilosophie ab. In welchem Verhältnis zwingende Verpflichtung, Handlungsempfehlung und Nichts Regeln zueinander stehen, lässt sich bei genauer Betrachtung des Unternehmens, der Unternehmenskultur, der Mitarbeiterstruktur und des Produkts ermitteln.
Wichtig ist aber jedenfalls, dass der Arbeitgeber im Umgang mit Social Media und IT im Rahmen seiner Möglichkeiten von seinem Weisungsrecht Gebrauch macht und dies auch dokumentiert. Hingegen sollten Arbeitgeber sich nicht darauf verlassen, dass die in bestehenden (Alt-) Arbeitsverträgen enthaltenen kurzen Erklärungen zur Verschwiegenheit dazu, die Weisungen des Arbeitgebers zu befolgen oder auf die Einhaltung des Datenschutzes hingewiesen worden zu sein, ausreichen.
Wie und ob im Vorfeld von Abmahnung und Kündigung erst andere Maßnahmen wie z. B. Internetsperre, Zeitmessung, mündliche Verwarnung usw. umgesetzt und kommuniziert werden sollten, hängt letztendlich von der jeweiligen Unternehmenskultur ab und sollte hier nicht näher beleuchtet werden.
Sicher ist aber jedenfalls, dass die arbeitsrechtlich wichtigsten Maßnahmen wie Abmahnung und Kündigung zwingenden Voraussetzungen unterliegen, die im Vorfeld bedacht werden sollten.
Der Arbeitgeber ist mit einem Arbeitnehmer unzufrieden und wirft ihm, gleich ob zu Recht oder Unrecht, Low Performance vor. Genügend Anhaltspunkte für eine stichhaltige Kündigung hat er dazu allerdings nicht. Der direkte Vorgesetzte erinnert sich „zum Glück“, dass er den Arbeitnehmer gelegentlich während der Arbeitszeit „auf Facebook“ gesehen habe. Der Arbeitgeber freut sich über den vermeintlichen Kündigungsgrund, für den er sogar einen Zeugen habe.
Abgesehen davon, dass man sich fragen muss, ob es in dem genannten Fall eine klare Weisung hinsichtlich der privaten Tätigkeit während der Arbeitszeit gegeben hat, wird der Arbeitgeber bereits mangels Abmahnung keine wirksame Kündigung aussprechen können. Nur bei klar erteilter Weisung kann überhaupt ein vertragswidriges Verhalten vorliegen (Ausnahme: bereits gesetzeswidriges Verhalten).
Wie bei jedem vertragswidrigen Verhalten ist zuerst zu fragen, ob es überhaupt eine Abmahnung braucht. Eine Abmahnung ist grundsätzlich erforderlich, außer dem Arbeitgeber kann wegen der Schwere des Verstoßes eine vorherige Abmahnung überhaupt nicht zugemutet werden. Meistens bewegt man sich hier im strafrechtlichen Bereich, so dass für den oben genannten Beispielfall eine Abmahnung zweifelsohne erforderlich gewesen wäre.
Die Abmahnung muss auch bestimmten inhaltlichen Anforderungen genügen und sollte zum Beweis des ordnungsgemäßen Inhalts daher schriftlich erfolgen.
Eine verhaltensbedingte Kündigung kann überhaupt erst dann erfolgen, wenn der Arbeitnehmer ein bereits abgemahntes Verhalten wiederholt.
Eine fristlose, außerordentliche Kündigung ist nur wirksam, wenn der Verstoß so schwerwiegend und der Vertrauensbruch deswegen so groß ist, dass dem Arbeitgeber das Einhalten einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. In den allermeisten Fällen wird der Verstoß für eine wirksame fristlose Kündigung so schwer wiegen müssen, dass bereits eine Abmahnung entbehrlich ist. Vor diesem Hintergrund wird vor dem Arbeitsgericht häufig allenfalls eine ordentliche Kündigung „halten“.
Klare Regeln im Vorfeld sind das wirksamste Mittel für den Arbeitgeber, das Verhalten des Arbeitnehmers zu steuern. Zur Vorbereitung wirksamer arbeitsrechtlicher Konsequenzen sind sie zwingende Voraussetzung. Kosten- und Zeitaufwand im Vorfeld werden über die Einsparung unnötiger Zeit für Verhandlungen und Gerichtsverfahren, Anwalts- und Gerichtskosten oder zu hoher Abfindungszahlungen erfahrungsgemäß mehr als kompensiert.
Autorin
Nadja Draxinger ist Rechtsanwältin und unter anderem geschäftsführende Gesellschafterin der Draxinger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH. Diese berät Technologie- und Automobilunternehmen, deren Organe und leitende Angestellte im Bereich Arbeitsrecht und Personalmanagement. Weitere Infos unter: www.draxinger-law.de
Den Beitrag “Arbeitgeber im Social Media Netz” finden sie hier.
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Danke für den interessanten Artikel. In der Tat ist es nicht leicht, low performance Gründe auf Ablenkungen am Arbeitsplatz zurück zu führen bzw. den Nachweis dafür zu liefern. Auf der anderen Seite ist das aber auch gut so, denn nur, wer wirklich auffällig Arbeitsabwesenheit demonstriert, sollte die entsprechende Abmahnung erhalten. Alles andere, die Motivations- und Arbeitsbereitschaft, müssen regelmäßig geschult und angetrieben werden, damit die Unternehmenskultur, das Teamwork und die Wir-Einstellung erhalten bleiben.