Zehn Jahre Facebook. Extra gratulieren muss man dazu wohl nicht, das hat das Unternehmen aus Menlo Park in Kalifornien gerade selbst am besten erledigt, hat es sich doch durch eine überraschend gute Jahresbilanz quasi selbst beschenkt: Die inzwischen 1,2 Milliarden Nutzer sind als Werbezielgruppe offensichtlich so wertvoll, dass Facebook 2013 einen Gesamtmsatz von fast 7,9 Milliarden Dollar verbucht hat, ein Anstieg um 55 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Gewinn lag 2013 bei 1,5 Milliarden Dollar, dreimal so viel wie im Vorjahr.
Über Facebook wurde in den letzten Jahren viel geschrieben. Zumeist nichts Gutes. Der lückenhafte Datenschutz, die unheimlichen Nutzerprofile, die realen oder vermeintlichen Gefahren, denen Jugendliche im sozialen Netzwerk ausgesetzt sind, all das wird bis heute diskutiert. Hinzu kommt die scheinbare Zeitverschwendung, die darin liegt, dass Leute ihre Zeit damit verbringen, belanglose Fotos aus ihrer Freizeit zu posten – beziehungsweise belanglose Fotos von anderen zu betrachten.
Ist jemand, der auf Facebook “Gefällt mir”-Klicks und persönliche Fotos veröffentlicht, selbst schuld, wenn er ins Visier der Werbung gerät? Wie viel Selbstverantwortung muss der Nutzer im Internet übernehmen? Wäre es nicht besser, sich in der Freizeit mit echten Freunden zu treffen, als online mit virtuellen Freunden zu plaudern, die man noch nie gesehen hat?
Facebook liefert also reichlich Anschauungsmaterial, um die wesentlichen Fragen des Digitalzeitalters zu verhandeln. Allein das ist schon eine Leistung – wenn auch eine unfreiwillige.
Was Facebook von den großen Trends oder Erfindungen des Digitalzeitalters trennt, ist aber ein anderer Aspekt. In der Anfangsphase von Computer und Internet drehte sich alles darum, dass der PC dem Menschen bestimmte Aufgaben abnahm. Rechnen und Daten speichern vor allem. Dann hat der PC geholfen, Tätigkeiten schneller und effizienter zu erledigen. Schneller schreiben, schneller Daten sortieren, schneller Bilder bearbeiten. Mit dem Internet konnte man schneller Informationen finden oder weitergeben.
All diese Entwicklungen zielen auf mehr Produktivität. Auch aktuelle Trends wie Virtualisierung, Mobile Computing oder Cloud Computing dienen dazu, Aufgaben effizienter erledigen. Genau darum geht es bei Facebook nicht.
Facebook ist das erste große Projekt des digitalen Zeitalters, in dem es nicht um Produktivität oder um Technik geht. Hier geht es wieder um uns selbst. Wer sich in das soziale Netzwerk einloggt, interessiert sich nicht für IT, er will nicht produktiv sein und auch keine Aufgabe möglichst schnell erledigen. Er will sich einfach mit anderen Leuten austauschen, und sei es nur virtuell.
Facebook kennzeichnet also eine neue Phase in der digitalen Ära. Digitaltechnik wird selbstverständlich und ist an sich nicht weiter interessant, sondern nur eine Plattform für unser Sozialleben.
Vielleicht ist gerade das der Grund, warum sich Unternehmen auf Facebook so schwertun. Seit Jahren predigen Marketing-Experten und Web-2.0-Gurus, Unternehmen müssten sich in den sozialen Netzwerken präsentieren. Da wäre man näher am Kunden, könnte in einen Dialog mit ihm treten, direktes Feedback einsammeln und am Ende vielleicht sogar bessere Produkte entwickeln.
Daraus ist bis jetzt nicht viel geworden. Wer nicht gerade eine professionelle, große und teure Marketing-Agentur engagiert, hat wenig Vorteile von der Facebook-Präsenz. Man zeigt, dass man im Web 2.0 aktiv ist, das war’s aber auch schon.
Es reicht eben nicht, irgendeinen Mitarbeiter zu verdonnern, die Facebook-Seite zu pflegen (“pro Woche mindestens zwei Posts”). Vermutlich sollte man weniger kritisieren, dass Menschen ihre Zeit im Web 2.0 verschwenden, sondern eher, dass Unternehmen ihre Ressourcen damit verschwenden, auf Facebook Eigenwerbung zu treiben.
Unternehmen scheitern deshalb, weil sie das soziale Netzwerk nicht zum lockeren Austausch nutzen, sondern ein bestimmtes Ziel verfolgen. Das ist ungefähr so, wie wenn ein Staubsaugerverteter, der am Wochenende auf einer Geburtstagsparty eingeladen ist, plötzlich einen Staubsauger auspackt und anfängt, von dessen Vorteilen zu schwärmen. Der Staubsaugervertreter muss schon sehr gut sein, damit sich die anderen Gäste nicht gelangweilt abwenden.
Bei der Online-Party ist es nicht anders. Ist der Firmenauftritt nicht extrem professionell und von hohem Unterhaltungswert, wenden sich die Nutzer gelangweilt ab.
Vielleicht ist das ja das eigentlich Schöne an Facebook. Hier müssen wir einmal nicht einem IT-Trend hinterherlaufen, die Qualität optimieren oder die Effizienz steigern. Wir beschäftigen uns mit den schönen Nichtigkeiten des Lebens, Dingen, die Spaß machen und Menschen, die uns interessieren. Und das ist nach zehn Jahren eigentlich gar keine schlechte Bilanz.
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