Das Unternehmen Huawei hat ein Problem. Würde man Passanten in einer beliebigen deutschen Großstadt fragen, welche großen Computerfirmen sie kennen, würde viele wohl Apple, IBM, HP oder Dell nennen. Dem einen oder anderen fiele wohl auch noch Cisco oder Fujitsu ein. Der Name Huawei würde eher selten genannt werden.

Das extrem dünne Ascend P6 zeigt, dass Huawei mit Top-Anbietern wie Samsung mithalten kann. Das P6 wurde mit dem Eisa-Award als “European Consumer Smartphone 2013-2014″ ausgezeichnet (Bild: Huawei).

Höchstens bei der Frage nach Handys, die nicht von Apple oder Samsung kommen, hätte Huawei wohl das ein oder andere Mal die Chance, genannt zu werden. Den Handys ist es zu verdanken, dass der Name des Unternehmens auch in Deutschland langsam bekannt wird. Dabei ist Huawei viel mehr als nur ein Handy-Hersteller.

Die Geschäftsfelder

Huawei heißt eigentlich “Huawei Technologies” und ist ein Anbieter von IT- und TK-Lösungen für große Unternehmen, Internetprovider und Behörden aus allen Branchen. Der Konzern hat seinen Sitz in der chinesischen Hightech-Metropole Shenzhen, im Süden der Provinz Guangdong. Die Stadt grenzt direkt an Hongkong. Die ungefähr 150.000 Mitarbeiter sind in 140 Ländern tätig.

Es gibt drei große Geschäftsbereiche: Carrier, Enterprise und Devices – wobei der Schwerpunkt auf dem Enterprise-Geschäft liegt. Im Angebot sind hier Router, Switches, Gateways, Storage-Systeme, Blade- oder Rack-Server, Telepresence-Installationen, Management- und Security-Software und vieles mehr. Also alles, was das Herz des IT-Managers begehrt.

Vorbild Lenovo?

Doch mit der Rolle des im Hintergrund agierenden Technikdienstleisters wollen sich die Chinesen nicht länger zufriedengeben. Seit Monaten arbeitet das Management intensiv daran, die Aufmerksamkeit der IT-Welt auf sich zu lenken und ein Image als mächtiger Hightech-Konzern aufzubauen.

Huawei ist auch im Carrier-Geschäft tätig und bietet hier ein breites Portfolio für Netzwerk- und Datenübertragungstechnologien.

Möglicherweise nimmt Huawei sich hier Lenovo zum Vorbild. Der chinesische IT-Konzern war in Deutschland vor zehn Jahren nur Branchenkennern ein Begriff. Nach dem Kauf von IBMs PC-Sparte stieg der Bekanntheitsgrad stark an. Dank der technisch soliden Consumer-Notebooks, wie den Lenovo Ideapads ist die Marke inzwischen auch vielen Endanwendern ein Begriff.

Mit der Übernahme von Googles Smartphone-Sparte macht Lenovo hier bestimmt noch einmal einen großen Schritt voran. Im Zeitalter der viel beschworenen Consumerisierung der Unternehmens-Hardware kann dies auch den Absatz von Business-Produkten fördern. Obwohl Lenovo auch da bei Bekanntheit und Präsenz in Firmen mit dem Kauf von IBMs x86-Serversparte einen Schub erhalten wird.

Smartphones als Verkaufsschlager

Über das private Smartphone in die Herzen und Hirne der IT-Manager? Das ist wohl auch ein Hintergedanke bei Huawei. Die Android-Smartphones aus Shenzhen haben inzwischen einen guten Ruf und können bei Design und Technik mithalten. Das Ascend Y300 liegt bei Amazon momentan sogar auf Rang 4 der meistverkauften Smartphones, das G510 belegt Rang 8. Und mit dem Edel-Smartphone Ascend P6 hat der Hersteller noch Großes vor.

Die Endanwender-Produkte dienen aber nicht nur der Image-Pflege. Technik-Know-how aus den Bereichen Carrier und Consumer fließt in den Enterprise-Bereich ein, erklärte unlängst Jörg Karpinski, Sales Director von Huawei Enterprise in Deutschland, auf einer CeBIT-Preview in München.

Das ist vielleicht auch eines der Erfolgsrezepte des Unternehmens. Die unterschiedlichen Geschäftsbereiche Carrier, Enterprise und Consumer arbeiten relativ eng zusammen und tauschen Know-how aus. Nach Firmenangaben werden mehr als zehn Prozent des Jahresumsatzes in den Bereich Forschung und Entwicklung gesteckt, im vergangenen Jahr sollen das 5,45 Milliarden Dollar gewesen sein.

Las Vegas, Barcelona, Hannover, Davos

Die Firmenzentrale von Huawei in Shenzhen (Foto: Huawei)

Dass es der Unternehmensführung nicht an Selbstbewusstsein fehlt, zeigt ein aktuelles Dokument, das sich mit Trends 2014 auseinandersetzt. Die ersten zwei Sätze lauten: “Die Geschichte der Menschheit und der Fortschritt der Zivilisation hängen eng mit der Geschichte wissenschaftlicher und technologischer Entwicklungen zusammen. Zahlreiche IKT-Technologien, aus denen sich im vergangenen halben Jahrhundert unterschiedliche Innovationen ergaben, haben die Grenzen von Raum und Zeit aufgeweicht und eröffnen der menschlichen Zivilisation beispiellose neue Horizonte.” Es folgt eine ausführliche Erörterung des Internet und seiner Bedeutung für Gesellschaft, Wirtschaft und IT-Branche.

Um die Huawei-Botschaft in die IT-Welt zu tragen, klappern die Top-Manager des Unternehmens so ziemlich alle Veranstaltungen ab, die die Computerwelt zu bieten hat. Ob Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas, Mobile World Congress (MWC) in Barcelona oder CeBIT in Hannover, der Name Huawei steht überall auf der Ausstellerliste. Selbst auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos tritt der chinesische Vorzeigekonzern auf – als einer von 100 sogenannten strategischen Partnern.

Vorurteile in Deutschland

Dabei hat sich das Unternehmen in Europa längst etabliert. In Europa hat der IT-Konzern derzeit mehr als 7700 Mitarbeiter, davon allein 1700 Mitarbeiter in Deutschland. Die Deutschlandzentrale befindet sich in Düsseldorf. Zwei Zentren für Forschung und Entwicklung mit 14 Standorten, sowie sechs “Kompetenzzentren für Finanzen, Marketing und Services” kommen hinzu.

So gesehen ist der Konzern aus Shenzhen längst kein “chinesisches Unternehmen” mehr. Laut Jörg Karpinski macht das Unternehmen inzwischen mehr als die Hälfte des Umsatzes gar nicht mehr in China, sondern im “Rest der Welt”.

In Europa scheint die Lage für das chinesische Unternehmen noch heikel zu sein. Huawei hat 2013 nach eigenen Angaben hier “Komponenten, technische Services und Logistikdienstleistungen im Wert von 3,4 Milliarden Dollar gekauft”. Doch es gibt Äußerungen, die aufhorchen lassen. “Win-Win-Ergebnisse, von denen alle Beteiligten profitieren, sind unser wichtigstes Geschäftsprinzip in Europa”, sagt beispielsweise Ken Hu, Deputy Chairman und rotierender CEO von Huawei, anlässlich des Weltwirtschaftsforums 2014 in Davos.

Solche Aussagen sind mehr als nur Phrasen. Denn in der Konzernzentrale macht man sich offensichtlich Sorgen, die Europäer könnten chinesische Anbieter mit Einfuhrbeschränkungen behindern. Oder IT-Entscheider in Deutschland und anderswo könnten alten Vorurteilen gegenüber chinesischer Technik anhängen. Schließlich gibt es auch die Diskussion, ob “die Chinesen” nicht doch ein Hintertürchen für die staatliche Spionage in ihre Hardware einbauen. Schließlich wird dem Konzern große Nähe zum chinesischen Militär nachgesagt.

Die Erfahrungen mit Consumer-Produkten wie Smartphones und Tablets nutzt Huawei auch für die Produkte im Bereich Enterprise, wie der Screenshot von der Website für Mediapads zeigt.

Angesichts der aktuellen Enthüllungen um die Überwachungsaktivitäten der USA dürfte es Huawei in Zukunft aber leichter fallen, misstrauischen Fragen von europäischen Behörden oder Unternehmen zu begegnen. In Bayern scheint das schon ganz gut gelungen. Zum Beispiel bezieht der aus den Stadtwerken München hervorgegangene Telefonanbieter und Internetprovider M-Net schon seit 2009 die Technik für den Aufbau seiner Breitbandnetze in München, Erlangen und Augsburg von Huawei. Und gerade erst haben die Firmen sich auch auf die künftige Zusammenarbeit geeinigt. Gemeinsam rechneten sie zudem anderen Netzbetreibern schon 2013 vor (PDF), wie ein Geschäftsmodell für den Glasfaserasubau aussehen kann.

Die früher erhobenen Vorwürfe des Rivalen Cisco, die US-Technik zu kopieren, sind verstummt, auch Untersuchungen der US-Regierung zur Spionage-Aktivitäten durch Huawei, brachten keine Belege für diese Vorwürfe.

Derweilen setzt der Konzern seine Charme-Offensive fort und engagiert sich als Sponsor des britischen Fußball-Clubs FC Arsenal. Die Arsenal-Fußballer, darunter Lukas Podolski und Mesut Özil sollen künftig mit Huawei-Smartphones telefonieren und surfen. In Deutschland setzt Huawei auf eine Partnerschaft mit Borussia Dortmund, um die Herzen der Fußballfans zu gewinnen.

Aber auch hier geht es nicht nur um die Consumer-Produkte, das Sponsoring des Clubs will man auch nutzen, um Enterprise-Partner zu überzeugen. Im Dortmunder Stadion soll zum Beispiel Deutschlands größtes WLAN-Stadionnetzwerk entstehen.

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Andre Borbe

Andre ist Jahrgang 1983 und unterstützte von September 2013 bis September 2015 die Redaktion von silicon.de als Volontär. Erste Erfahrungen sammelte er als Werkstudent in den Redaktionen von GMX und web.de. Anschließend absolvierte er ein redaktionelles Praktikum bei Weka Media Publishing. Andre hat erfolgreich ein Studium in politischen Wissenschaften an der Hochschule für Politik in München abgeschlossen. Privat interessiert er sich für Sport, Filme und Computerspiele. Aber die größte Leidenschaft ist die Fotografie.

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