IRQ 14-2: Der Lach-Crawler
Bedrohlich steuert der Fasching auf seinen Höhepunkt zu. Bei unserem Kolumnisten Achim Killer löst das Fluchtinstinkte aus. Er begibt sich deshalb auf der Suche nach Humor in den Cyberspace und entdeckt schließlich die tragisch-komische Seite eines fragwürdigen Big-Data-Projekts.
“Ich hab’ ja wirklich Humor…” Achtung, jetzt kommt’s! Genau! “Aber…” So versucht man, einem hierzulande für Gewöhnlich das Lachen zu verbieten.
Und das aus durchaus nachvollziehbaren Gründen. Lachen nämlich ist im besten Sinne des Wortes emanzipatorisch. Befreiend halt. Die unkontrollierbare Bewegung des Zwerchfells entspannt wohltuend den ganzen Körper, wogegen wohl niemand etwas hat, aber – und hier wird’s gefährlich – sie löst auch Verkrampfungen des Gemüts und des Geistes.
Lächerliche Autoritäten stellen sich als das heraus, was sie sind: als ein Widerspruch in sich. Und unter schallendem Gelächter verschwindet jedweder Respekt. Man kann frei atmen – und frei denken.
Lachen gehört zum Wesen des Menschen wie essen, trinken, lieben und – wenn das alles in Ordnung geht – das Denken. Leute, die Macht über ihre Mitmenschen erlangen wollen, wozu sie sich oft wählen lassen müssen, bekennen sich daher pflichtschuldigst zum Humor. – Das Bekenntnis zum Humor ist etwa für den modernen Politiker ebenso wichtig wie jenes des Inquisitors zur christlichen Nächstenliebe.
Lächerlich nur, wenn so jemand über keinen verfügt. Dann setzt er vor das “Aber…” demonstrativ den einschlägigen Satz. Oder er versucht’s mit eigentümlichen Varianten des Lachens: dem Schmunzeln und dem Augenzwinkern.
Nichts nun ist dieser Tage so trist, wie in den News nach dem Wort “schmunzeln” zu googeln. Eine lange Liste mit Hinweisen auf bevorstehende Karnevalssitzungen liefert die Suchmaschine.
Bei solchen Veranstaltungen wird auf Kommando – genannt: Tusch – gelacht. Und mit diesem paramilitärischen Signal wird auch der Befehl zum Einstellen des Lachens gegeben. “Der Tusch hat eine Ordnungs- und Gliederungsfunktion: Bei einer Karnevalssitzung hilft das wiederholte Spielen meist eines dreifachen Tuschs, das Toben des Publikums zu beenden,” steht in Wikipedia.
Wenn man gerne von Herzen lacht, sehnt man sich wahrscheinlich deshalb in der fünften Jahreszeit so sehr nach der trüben Novembertagen inhärenten Fröhlichkeit.
Und auf noch etwas stößt man beim Humor-Googeln: auf eben jene schmunzelnde Politiker. So schreibt etwa “Der Landbote” aus dem Schweizer Winterthur am 11. Februar: “Bei Leo Schmid hat dieses Resultat ‚ein Schmunzeln ausgelöst’.”
Leo Schmid ist der für die Gemeinde Dinhard zuständige Chef der Schweizer Volkspartei. Und diese hatte ein Referendum mit dem Ziel, Schwangerschaftsabbrüche nicht mehr von der Krankenkasse bezahlen zu lassen, mit auf den Weg gebracht. Zynisch überschrieben war es oft mit: “Abtreibung ist Privatsache”.
Mehrheitlich ist es abgelehnt worden. Nur einige wenige Gemeinden wie etwa Dinhard stimmten dafür. Lachen kann man über die Dinharder also nun wirklich nicht. Aber Leute wie Leo Schmid sind imstande, darüber zu schmunzeln.
Lustiger ist es da schon, nach diesem ominösen Augenzwinkern zu googeln. Dabei nämlich stößt man unweigerlich auf Fabian Giersdorf. Das ist ein 23-jähriger Student, der für die CSU demnächst bei der Kommunalwahl im fränkischen Roth kandidiert. Vom Aussehen her, könnte man ihn als Konfirmand beschreiben, wäre er nicht Mitglied im örtlichen katholischen Kirchengemeinderat. Die SZ vom 4. Februar nennt seine Erscheinung “sehr bubenhaft”.
Überörtlich bekannt geworden ist der Fabi, wie er sich selbst nennt, weil er mit: “Chabos wissen, wer der Babo ist!” für sich geworben hat, einem Titel des Rappers Haftbefehl. In dem Song geht’s im Wesentlichen um die Straftatbestände des unerlaubten Waffenbesitzes und der Förderung der Prostitution. Und “Babo” ist laut Wikipedia “vor allem in der Gang-Szene verbreitet und wird für einflussreiche Respektspersonen verwendet”.
Darauf angesprochen, wie sich sein Wahlkampfslogan mit dem Bild eines Kirchengemeinderats und christlich-sozialen Kommunalpolitikers verträgt, hat der Fabi geantwortet: “Der Sinn des Spruchs war es, augenzwinkernd junge Wähler auf Kommunalpolitik aufmerksam zu machen.”
Der ist doch o.k., der mittelfränkische Reclam-Babo. Der personifizierte Beweis für den Lehrsatz des großen Kabarettisten Sigi Zimmerschied, dass Satire die Realität wohl nie einholen wird. Und nicht einmal das Humor vorspiegelnde Augenzwinkern hat der vergessen.
Ein echter Schenkelklopfer aber, der nicht im drögen Narrentreiben untergehen sollte, ist der Rücktritt von Hans-Peter Friedrich, nicht per se, versteht sich, sondern dessen Umstände.
Da erfindet ein bundesdeutscher Verfassungsminister doch tatsächlich die unter Juristen bis dato völlig unbekannte Kategorie des “Supergrundrechts”, wohl weil er sich mit den gewöhnlichen etwas schwertut, wie sein ständiges Barmen nach der Vorratsdatenspeicherung zeigt.
Und wie um deren Problematik zu illustrieren, demonstriert er, was passiert, wenn die falschen Leute Zugriff auf personenbezogene Informationen haben.
Schließlich muss er zurücktreten, aber – und jetzt kommt’s – nicht als Innenminister, dem die Garantie der Grundrechte obliegt, sondern als Landwirtschaftsminister, der sich um die Subventionierung von Agrardiesel zu kümmern hat.
Welch ein Abgang! – Narrhallamarsch!