Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat seit gestern eine Sperre über den Nachrichtendienst Twitter verhängt. Der Dienst ist in der Türkei nicht mehr erreichbar. Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet, hatte Erdogan nur wenige Stunden zuvor mit der “Auslöschung” des Mikroblogging-Diensts gedroht, der unter anderem genutzt wurde, um Neuigkeiten über den Korruptionsskandal in der Türkei zu verbreiten.
“Wir werden Twitter auslöschen. Es ist mir egal, was die internationale Gemeinschaft sagt”, erklärte Erdogan dem Bericht zufolge auf einer Wahlkampfveranstaltung in der westtürkischen Provinz Bursa. “Sie werden die Stärke der Türkischen Republik erleben.”
Die staatliche Nachrichtenagentur Anatolia meldete laut AFP, dass die Behörden den Zugang zu Twitter blockierten, weil sich das Unternehmen geweigert habe, zahlreiche Verfügungen türkischer Gerichte umzusetzen. Dabei sei es um die Löschung als illegal eingestufter Links gegangen.
Twitter prüft nach eigenen Angaben die Berichte. Nutzer in der Türkei könnten aber weiterhin Tweets per SMS verschicken, teilte das Unternehmen über das @policy-Konto mit. Das “Schlupfloch” soll in den Netzen von Avea, Turkcell und Vodafone funktionieren.
In einer ersten Reaktion twitterte Neelie Kroes, Kommissarin für Digitale Agenda und Vizepräsidentin der EU-Kommission: “Das Twitter-Verbot in der Türkei ist grundlos, sinnlos und feige. Das türkische Volk und die internationale Gemeinschaft werden dies als Zensur werten und das ist es auch.”
Der tschechische EU-Kommissar Štefan Füle geht in einer Mitteilung noch weiter: “Das Verbot der sozialen Plattform Twitter schürt schwere Bedenken und lässt die von der Türkei behauptete Orientierung an europäischen Werten und Standards zweifelhaft erscheinen. Meinungsfreiheit ist ein fundamentales Recht in einer demokratischen Gesellschaft und das beinhaltet auch das Recht, Informationen und Ideen ohne die Einmischung der Staatsgewalt zu erhalten und zu verbreiten.” Füle setzt nach, dass dieses Grundrecht auch den Zugang zum Internet mit einschließt.
Präsident Abdullah Gül verurteilt das Verbot ebenfalls und er tut das über Twitter. Die Blockade sei inaktzeptabel und zudem sei es nicht möglich, eine internationale Plattform wie Twitter zu verbieten.
Der Druck auf Erdogan, der seit 2003 Ministerpräsident des Landes ist, hat sich in den vergangenen Wochen erhöht. Unter anderem war ein angeblicher Mitschnitt eines Telefonats zwischen ihm und seinem Sohn Bilal aufgetaucht, in dem er ihn anweisen soll, einen größeren Geldbetrag verschwinden zu lassen. Erdogan bezeichnete die Aufnahme als Fälschung und drohte rechtliche Schritte an.
Vor zwei Wochen hatte Erdogan bereits Youtube und Facebook mit einer Sperre gedroht. Er behauptete, seine politischen Gegner missbrauchten Googles Videodienst und das Social Network für ihre Zwecke. “Wir überlassen dieses Land nicht der Gnade von Youtube und Facebook”, sagte Erdogan Anfang des Monats in einem Interview mit dem türkischen Fernsehsender ATV. “Wir werden die notwendigen Schritte einleiten.”
[mit Material von Stefan Beiersmann, ZDNet.de]
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