Seit Wochen überbieten sich die Medien mit Horrormeldungen zum Ende des Supports für Windows XP. Doch die für viele IT-Verantwortliche eigentlich erstaunliche Einsicht ist, dass die IT-Welt in ihrem Innersten anderes funktioniert, als es die Berichterstattung über die Trendthemen wie “Datability“, “Industrie 4.0″ oder “Mobile Computing” vermuten lässt. Denn das noch immer sehr populäre Betriebssystem stammt vom 25. Oktober 2001, es unterstützt weder Touchscreens noch Smartphones oder Tablets oder Apps.
Und trotz aller Aufregung ist Windows XP nur ein weiteres Betriebssystem, das sein vom Hersteller festgelegtes Lebensende erreicht hat. Und hier liegt eine Falle, in die die meisten IT-Marketing-Experten tappen. Denn Ende des Supports heißt längst nicht, dass die Anwender ebenfalls ihre Betriebssysteme, Anwendungen oder Prozesse beerdigen.
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“Wir sehen häufig, dass in Industrieanlagen – beispielsweise in einer Fertigungsstraße – alte Software läuft. Als diese Anlage gebaut wurde, hat jemand ein Device integriert, das nur eine einzige Funktion hat. Bei einer Prüfung kommt heraus, dass dieses System mit Windows 95 läuft oder mit einer uralten Linux-Version. Eben weil die Anlage vor etlichen Jahren gebaut wurde und 15 oder sogar 20 Jahre ohne Unterbrechung läuft”, sagt Peter Wilmsperger, Riskmanager beim Beratungsunternehmen Deloitte Deutschland.
“In den Produktionen gibt es in den seltensten Fällen Spezialisten, die den Tag damit verbringen, Rechner, Software und Hardware in der Anlage zu managen. Hier gibt es ein anderes Rollenverständnis, andere Wartungszyklen, ein anderes Sicherheitsverständnis. Eine Lackieranlage darf niemals ausgeschaltet werden – wie wollen Sie die Software dieser Anlage warten und updaten oder patchen? Wichtige Anlagen dürfen niemals ausgeschaltet werden. Deshalb sind Patches und Backups praktisch unmöglich.”
Natürlich wissen viele Anwender wo und wie viel veraltete Software läuft – aber es ist ein Tabu über das man lieber schweigt. „Das Ende des Lebenszyklus von Windows XP ist kein neues Problem in der IT-Welt – es gibt sehr viele Beispiele von Software oder IT-Technologien, die viel länger benutzt wird, als es ihre Hersteller ursprünglich geplant hatten“, sagt ein ehemaliger Marketing-Mitarbeiter der Microsoft Corporation, der lieber ungenannt bleiben möchte. “Noch heute suchen viele Unternehmen Mitarbeiter und Know-how für PASCAL oder OPEN VMS. Warum sollte es für Windows XP anders sein?”
In den vergangenen Jahren habe Windows XP für Microsoft nur Kosten verursacht. Genau dies werde sich aber ab dem 8. April ändern. „Ich nehmen an, dass viele Unternehmen auch nach dem offiziellen Supportende Support und Patches erhalten, wenn sie genügend Geld dafür zahlen.” Eine Darstellung, der Microsoft offiziell widerspricht. Mit Windows XP werde am 8. April auch sämtlicher Support eingestellt. Microsoft werde keine Produktgarantien mehr übernehmen und auch die Partner hätten ihre Verträge mit den XP-Kunden bereits gekündigt.
Doch keine Regel ohne Ausnahme – natürlich macht Microsoft Zugeständnisse für seine großen Kunden. “Um Organisationen beim Abschluss ihrer Migration zu helfen, wird Microsoft Windows-XP-Nutzern bis 14. Juli 2015 weiterhin Updates für seine Anti-Malware-Signaturen und -Engine bereitstellen. Das hat keine Auswirkungen auf das Supportende von Windows XP oder die Unterstützung von Windows XP durch andere Microsoft-Produkte, die diese Signaturen liefern und anwenden”, hat Microsoft auf seiner Website mitgeteilt.
Doch es ist ganz klar Microsofts Absicht, möglichst viele Kunden möglichst schnell vom Wechsel auf Windows 7 oder Windows 8 zu überzeugen. Die Mittel dazu sind Zuckerbrot und Peitsche. Auf der einen Seite preist das Unternehmen seine schöne bunte Cloud- und Mobile-Welt. Auf der anderen Seite warnt es schont seit einem Jahrvor Kriminellen und Betrügern, die nur darauf warten, dass die Anwender keine Updates mehr erhalten.
Tatsächlich sind die Bedrohungsszenarios kaum zu überprüfen. Und viele IT-Verantwortliche weisen darauf hin, dass einhundertprozentiger Schutz sowieso nicht möglich sei – am Ende folgt die Entscheidung für oder gegen Windows XP einer internen Risikobetrachtung der Verantwortlichen und der Berater des jeweiligen Unternehmens.
Und die weisen darauf hin, dass das Lebensende des nächsten Windows-Betriebssystems bereits in Sicht ist. “Der Support für Windows 7 endet im Januar 2020 – in weniger als sechs Jahren. Für die meisten Unternehmen, die jetzt noch mit Windows XP arbeiten, ist die beste Alternative mit den kritischsten Applikationen auf Windows 7 zu wechseln und darauf hinzuarbeiten, Anfang 2015 auf Windows 8 zu wechseln”, schlägt Michael Silver, Vice President and Distinguished Analyst bei Gartner vor.
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Der Grund: Geräte, die mit veralteter Software arbeiten, sind anfällig für Cyberangriffe und Datenlecks.
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Ich kenne auch Industrieanlagen, die laufen sogar noch unter Windows 2000. Allerdings sind das Stand-alone-Lösungen, die nicht am Internet hängen und keine sicherheitskritischen Aufgaben erledigen. Und bei Lackieranlagen, die unter WinXP laufen, dürfte es sich ja wohl um die Embedded-Variante handeln, deren Support bekanntlich erst 2016 endet und die mit einem gewöhnlichen Windows nicht vergleichbar ist. Einen vernetzten Büro-PC unter WinXP habe ich in Unternehmen allerdings schon ewig nicht mehr gesehen.
XP-gesteuerte Industrieanlagen sind ein interessantes Problemfeld – und gleichgültig, wie man es dreht oder wendet gibt es keine echte Lösung.
Es ist wahrscheinlich, dass die Steuergeräte an das Web angeschlossen sind – insbesondere wegen Wartung, Updates und Patches. Das gilt natürlich auch für die Embedded Versionen - wie sonst sollte hier Support geleistet werden?
Sind die Anlagen nicht mit dem Web verbunden, läuft die Software, die bei der Inbetriebnahme der Anlage verbaut wurde – bis heute ohne Support oder Update. Das klingt nach "Industrie0.4".
Ob eine Deesktop-XP oder eine Embedded-XP-Version in die Anlage verbaut ist, ist sicherlich von dem Gesamtpreis abhängig, den der Auftraggeber für die Installation bezahlt hat.
Die Aktualisierung - gleichgültig ob heute oder erst im Jahr 2016 - ist in beiden Fällen ein Risiko. Die Kosten für ein neues Betriebssystem könnten sich schnell potenzieren. Lösungen für diese Probleme habe ich noch von keinem Verantwortlichen gehört.
Hallo, Leute,
auf einem meiner Bürocomputer arbeite ich sogar noch mit WIN98 - einfach, weil es ausgereift ist und absolut stabil läuft. Einige der von mir für meine tägliche Arbeit benutzten Prograamme laufen unter WIN98 immer noch am Besten!
Und WINXP mit ServicePack3 ist genauso zu bewerten. Hinzu kommt, dass WINXP auf Windows2000 aufsetzt, also nicht nur die Welt von WIN98 abdeckt, sondern auch die Nachfolgende.
Für mich gibt es derzeit überhaupt keinen Grund, auf Windows7 oder gar -8 umzusteigen, zumal viele von mir derzeit benutzte Programme da wohl Kompatibilätsprobleme hätten. Solange diese von Microsoft nicht beseitigt werden gibt es keinen Grund für einen Umstieg auf die neuen Systeme.
Und keine Angst vor dem von Microsoft angekündigten Supportende 06.04.2014 - XP wird von Microsoft nach eigener Aussage noch bis Mitte 2015 unterstützt. Hysterie ist also nicht angesagt.
Viele Grüße
Detlev
Wenn Microsoft das Betriebssystem nicht mehr unterstützen will, sollten die das System freigeben, daß jeder in der Lage sein kann, selbstverantwortlich Sicherungen des Systems durchzuführen, oder bei Drittanbietern in Auftrag zu geben.
Eine Variante ist natürlich, den Internet-Kontakt über ein sicheres System, wie Linux herzustellen, und XP ausschließlich offline, z.B.: über eine virtuelle Maschine, zu nutzen.