Gericht wird gehalten über Sünder und Gerechte. – Das passt zwar überhaupt nicht zur Milde dieser Sommertage, ist aber so.
Was einen dann allerdings doch etwas verwundert, ist das laute Wehklagen einiger Beschuldigter. Da ist zum einen Sabu, ein ehemaliger LulSec-Hacker. Der hat vor ein paar Tagen vor einem New Yorker Gericht laut über seine Sünden geklagt, was sich als sehr lohnend für ihn erwiesen hat.
Er sei nicht mehr der, der er war, als er 2011 Sony gehackt hat, zitiert ihn der Spiegel. Seiner Richterin hat das gefallen und sie hat Sabu denn auch nur zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, die er mit der Untersuchungshaft bereits abgesessen hat.
Und um seine Selbstanklage zu unterstreichen, hat Sabu dann noch seinen Kumpel Anarchoas verpfiffen. Der hatte Stratfor gehackt, eine Consulting-Firma, welche die US-Regierung in Sicherheitsfragen berät, sich damit allerdings wohl nicht so gut auskennt. 60.000 Datensätze von Kreditkarten hat Anarchaos kopiert und damit dann 700.000 Dollar an gemeinnützige Organisationen gespendet.
Von Anarchaos ist kein Wehklagen aus dem New Yorker Gerichtssaal gedrungen. Er ist denn auch für zehn Jahre eingefahren.
Noch lauter allerdings als das Klagen der reuigsten Sünder ist das der Gerechtesten unter den Gerechten, der Selbstgerechten. Zwar wurde die Klage gegen unseren ehemaligen Bundespräsidenten Christian Wulff vor einer Woche fallengelassen. Dafür aber klagt er jetzt selbst – in Buchform, als Kindle-Edition preiswert für 15,99 Euro zu haben. Das E-Book ist hier angezeigt. Denn im Staatsbürgerlichkeit repräsentierenden Regal geben 259 Seiten gedrucktes Selbstmitleid wirklich nix her.
Was ihm angetan worden sei, stelle eine Gefahr für die Demokratie dar, zitiert die Zeit den Ehrensöldner. Ooh ja. Drunter darf’s ein Ex-Präsident der Bundesrepublik Deutschland einfach nicht machen.
Und natürlich auch kein Ex-Präsident eines deutschen Rekord-Meisters. Dass er nicht in Revision gegen seine Verurteilung gegangen ist, „das entspricht meinem Verständnis von Anstand, Haltung und persönlicher Verantwortung“, dokumentiert der Spiegel die Erklärung des – seit Anfang des Monats – Strafgefangenen Ulrich Hoeneß. Ein millionenschwerer Steuerhinterzieher kann schließlich nicht so zerknirscht in den Knast gehen wie ein Internet-Anarcho, der ein paar Tausend Dollar umgeleitet hat.
“Frauen sind nicht so wehleidig. Wenn wir mal gefoult werden, stehen wir sofort wieder auf und machen nicht so ‘ne Show”, stand einmal über männliche und weibliche Fußballspieler sowohl in Bild, als auch in Emma, den Lieblingspublikationen von Alice Schwarzer. Die hat denn auch nur wegen “der Hatz gegen mich” Geld in die Schweiz gebracht. Ein politischer, ist schließlich ehrenhafter, als ein Steuerflüchtling zu sein. Und wenn man mit dem einen argumentieren und das andere tun kann, ist die Sache moralisch und lohnend zugleich.
Die Tragödie eines anderen Gerechten hat wiederum der Spiegel nicht nur dokumentiert, sondern sogar ausgelöst, als er über den Flug von Franz-Peter Tebartz-van Elst nach Indien berichtet hat, wo seine Exzellenz Slums besuchte. Dabei hat den guten Hirten doch nur die Sorge, er wäre sonst vielleicht “im Angesicht derer, die sich so auf den Besuch gefreut haben, eingeschlafen”, in die First Class getrieben, wie er später im Fernsehen bekannt hat.
Weder Spiegel, noch Zeit, noch Bild, noch Emma und auch nicht das Fernsehen haben hingegen über den Fall einer 59jährigen berichtet, die letzte Woche wegen des Erschleichens von Beförderungsdienstleistungen vom Amtsgericht Unna zu einer Haftstrafe von sieben Monaten verurteilt worden ist. Nur im Provinzblatt Westfälischer Anzeiger ist etwas dazu zu lesen.
Die mittellose Frau aus Bönen in Nordrhein-Westfalen hat keine edlen Motive als Entschuldigung für ihr Vergehen anzuführen gewusst. Strafmildernd verpfeifen hat sie auch niemanden gekonnt, sondern einfach nur gesagt: “Ich hoffe, dass ich nicht ins Gefängnis muss.”
Aber als Gefahr für Rechtsstaat und Demokratie hätte sie auch das sicherlich nicht gesehen. Auf sowas ist sie wohl überhaupt nicht gekommen. Auch Worte wie “Anstand” und “persönliche Verantwortung” kamen ihr im Zusammenhang mit ihrem Verhalten in der Bahn oder vor Gericht nicht über die Lippen. Und ihre “Haltung” – so liest man – sei überhaupt sehr geknickt gewesen.
Weil sie mittlerweile ein Sozialticket bekommen hat, hat das Gericht allerdings die Gefahr, dass sie rückfällig wird, als gering eingeschätzt und ihre Strafe zur Bewährung ausgesetzt. “Ich werde auch nicht mehr schwarzfahren”, hat die namentlich unbekannte Verurteilte am Ende der Verhandlung versprochen.
Diese Frau könnte doch als Vorbild dienen – für Präsidenten, für feministische und für andere Heilige. – Man sollte ihr dafür wenigstens ein Upgrade für ihr Sozialticket gewähren – auf First Class. Das wäre wirklich das Mindeste!
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