Fujitsu züchtet Hightech-Salat in Fukushima

Für einen globalen Technologie-Giganten ist Fujitsu für gewöhnlich doch sehr verschwiegen, was die eigenen Pläne betrifft. Vergangene Woche allerdings berichtete CEO Masami Yamamoto Journalisten von den menschzentrierten technologischen Vorhaben des japanischen Unternehmens, stellte seine Forschungslabore zur Schau und erklärte, warum es Hightech-Salat züchtet.

Aus Gadgets wurden Dienste

Bevor er jedoch zum eigentlichen Thema übergeht, erläutert Yamamoto, der seit 2010 CEO von Fujitsu ist, das Motto des 2014er-Forums: Es lautet “Human Centric Innovations” und meint damit die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) als entscheidenden Bestandteil der sozialen Infrastruktur.

Fujitsu züchtet mithilfe von Sensoren und Cloud-Computing kaliumarmen Salat (Bild: Fujitsu).

“Informations- und Kommunikationstechnologie erlaubt es uns, unser Leben zu bereichern und darüber hinaus auch neue Sicherheitsmuster auszuarbeiten”, erklärt er und verweist dabei auch auf die gewachsene Rolle japanischer Innovationen, die inzwischen über den Status der “Gadgetisierung” hinausgeht. Diese hatte wiederum den technologischen Beitrag des Landes über Jahre hinweg geprägt.

So war der japanische Markt noch vor zehn Jahren führend im Hinblick auf elektronische Spielereien. Heute sind große Firmen wie Toshiba und Panasonic stärker auf Services und den B2B-Markt fokussiert. Yamamoto führt diesen Wandel auf die Weiterentwicklung des Internet zurück.

“Das Internet schafft eine vernetztere Welt. Alles ist miteinander verbunden. Um diese Konnektivität zu verwirklichen, sind daher noch viel mehr Dienste notwendig”, sagt er. “Der Schlüssel zum Erfolg ist, diese grundlegende Netzwerkfähigkeit sowie die zugehörigen Dienste den Verbrauchern zur Verfügung zu stellen”, so Yamamoto weiter.

Yamamoto ist darüber hinaus der Ansicht, dass Fujitsu für die Zukunft einen Beitrag zu den fundamentalen globalen Herausforderungen leisten kann. Hierzu zählt er etwa die Globalisierung, alternde Belegschaften, Naturkatastrophen sowie eine wachsende Weltbevölkerung, was wiederum zu einer Überbeanspruchung wertvoller Ressourcen wie Nahrung, Wasser und Energie führe.

Genau wie andere Marktakteure will Fujitsu zudem seinen Anteil an der Daten-Goldgrube haben, die durch das Internet der Dinge entstanden ist. Dabei will es auch gleich Leben verändern und betreibt entsprechende Forschung, um sich seine Position zu sichern.

Forschung und Fokussierung

In Fujitsus größtem Forschungslabor in Kawasaki – 18 Kilometer von Tokio entfernt – hat die Presse jetzt etwa den kleinsten und dünnsten biometrischen Sensor zur Handvenenauthentifizierung, die neuesten Entwicklungen in der Bilderkennungstechnologie sowie einen freundlich gestalteten Roboter-Teddybären zu sehen bekommen, der auf Kuscheln reagiert und um Aufmerksamkeit bettelt. Er ist zwar noch nicht auf dem Markt, könnte dem Forschungspersonal zufolge allerdings noch wichtig werden für die Anwendung bei Kindern und älteren Menschen.

Das Labor in Kawasaki beschäftigt rund 1200 Mitarbeiter. Hinzu kommen kleinere Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen in Großbritannien, den USA (Texas) und in China (Peking). Sämtliche Labore sind in einem Tochterunternehmen zusammengeführt, dem ein jährliches Kapital von 214 Millionen Euro durch das Mutterunternehmen zukommt.

Rund 30 Prozent der zur Verfügung stehenden Ressourcen wird dabei in kurzfristige Forschungsvorhaben gesteckt, die in unmittelbarem Zusammenhang mit geschäftlichen und kommerziellen Maßnahmen stehen. Die Hälfte des Budgets ist hingegen für fortgeschrittenere Forschung vorgesehen, die der Schaffung neuer Geschäftsbereiche dienen beziehungsweise bestehende Geschäftsbereiche hinsichtlich ihrer Wettbewerbsfähigkeit verbessern und erweitern soll. Dies hat Masayuki Kato, in den Fujitsu-Laboren für die Planung und Strategie zuständig, gegenüber den Journalisten erklärt. Die verbleibenden 20 Prozent des Budgets sind schließlich für Investitionen in innovative und revolutionäre Zukunftstechnologien vorgesehen. Ein guter Teil dieser Investitionen fließt auch nach an den Fujitsu-Standort in Augsburg, den silicon.de erst vor kurzem besucht hat.

Fujitsu präsentierte auf dem Fujitsu-Forum nicht nur Hightech-Salat, sondern auch einen empfindsamen Roboter-Teddybären für Kinder und ältere Menschen (Bild: Fujitsu).

Nuklearer Salat

Als eine dieser zukunftsträchtigen Technologien betrachtet Fujitsu offenbar die Agrartechnik: “Wir befassen uns ernsthaft mit landwirtschaftstechnischen Lösungen – und das nicht nur in Japan, sondern weltweit”, sagt Yamamoto. “Es handelt sich hier um eine Industrie, in der die Arbeit der Menschen noch auf Wissen, Einfühlungsvermögen und Gespür beruht. Immer mehr Länder, wie etwa die Niederlande, verbinden IKT und Agrikultur auf eindrucksvolle Weise. Weitere Industrieländer folgen diesem Trend.”

Fujitsu hat nun für sich die Herausforderung angenommen, Hightech-Salat mit Hilfe von Sensoren und Cloud-Computing zu züchten. Hierzu erklärt Yamamoto: “Die Botschaft, die wir grundsätzlich vermitteln wollen ist, dass Fujitsu – ein IKT-Unternehmen – es geschafft hat, qualitativ hochwertigen Salat zu züchten. Stellen Sie sich also vor, was ein landwirtschaftliches Unternehmen tun kann, um das Geschäft mittels IKT profitabel zu machen, indem es sie auf dessen Industrie anwendet.”

Fujitsu nimmt also jetzt Bestellungen für Salat entgegen und produziert ihn in absolut sterilen Einrichtungen, wie es sie auch zur Herstellung von Mobil-Chips und anderer elektronischer Komponenten verwendet. Bei den dort gezogenen Pflanzen handelt es sich um die ersten aus der “Kirei Yasai” (sauberes Gemüse) genannten Produktlinie.

Ironischerweise befindet sich die Produktionsfabrik in Fukushima – jener Stadt, die durch den nuklearen Unfall berühmt wurde, in dessen Verlauf ein Erdbeben und ein Tsunami die Reaktorkühlsysteme beschädigt hatten und die Regierung Alarmstufe 7 ausrufen musste – nur eine Stufe unterhalb der Tschernobyl-Katastrophe.

Das Gemüse wird auf einer etwa 2000 Quadratmeter großen Fläche in Aizu Wakamatsu, Fukushima, im nördlichen Japan, angebaut. Dabei ist Fujitsu stolz auf den niedrigen Kaliumgehalt der Pflanzen, der sich dem Unternehmen zufolge auf etwa 100 Mikrogramm pro 100 Gramm Masse beläuft und damit deutlich unterhalb des üblichen Wertes von 490 Mikrogramm liegt.

Das ist insbesondere für Menschen mit chronischen Nierenerkrankungen wichtig, da diese die Kaliumzufuhr aufgrund des möglichen Versagens der Nierenfunktion einschränken müssen und daher auch kein rohes Gemüse zu sich nehmen dürfen. Fujitsu ist der Ansicht, dass der niedrige Kaliumgehalt des gezogenen Gemüses keinen negativen Einfluss auf den Geschmack hat und betrachtet deshalb medizinische Einrichtungen als potenzielle erste Kunden.

Ein einzelner 90-Gramm-Pack soll künftig 4,90 Dollar kosten. Der Kaufbetrag ist im Vergleich zu normalem Salat in japanischen Supermärkten damit doppelt so hoch. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass diese Erzeugnisse mithilfe von Halbleitern sowie Cloud-Computing hergestellt werden und überdies vor dem Verzehr nicht gewaschen werden müssen.

Eine Cloud-basierte Plattform entscheidet hierbei, welches die besten klimatischen Bedingungen für den Salat sind. Als Faktoren miteinbezogen werden unter anderem Temperatur, Feuchtigkeit und verschiedene Düngungsstufen. Entlang der Salatreihen angebrachte Sensoren sammeln Daten darüber, wie gut oder schlecht das Erzeugnis wächst. Diverse Algorithmen werten diese Zahlen dann aus und empfehlen den aus ihrer Sicht besten Zeitpunkt zur Ernte.

Smartphone-Ernte

Die Landwirte in der Shiga-Provinz, nahe Kyoto, nutzen indes Smartphones, um damit Daten über Reisplantagen und generell Erntearbeiten zu einem Cloud-Server hochzuladen. Dieser ist wiederum in der Lage, die für die Reispflanzen benötigte Menge an Wasser vorzuschlagen und vorherzusagen, wann der Reis geerntet werden soll.

Ein solches Werkzeug wird von den unerfahrenen jungen Farmern in einer alternden Bevölkerung als sehr nützlich angesehen. Fujitsu rechnet damit, dass die Verkaufszahlen für dieses Projekt 2017 die Grenze von 400 Millionen Yen pro Jahr erreichen werden.

[Mit Material von Peter Judge, TechWeek UK]

Rainer Schneider

Zwischen September 2013 und Juni 2016 war Rainer zunächst als Volontär udn später als Redakteur hauptsächlich für ITespresso im Einsatz, schrieb aber gerne auch Artikel für silicon.de und ZDNet. Schwerpunkte waren IT-Security und Mobile.

Recent Posts

Mehr Datenschutz in der Montage

Assistenzsysteme unterstützen Monteure bei der Arbeit. Zu oft zahlt man jedoch mit den eigenen Daten…

2 Stunden ago

Cyber Resilience Act: Countdown läuft

Hersteller werden stärker in die Pflicht genommen, den gesamten Lebenszyklus ihrer Produkte in den Blick…

3 Stunden ago

KI auf dem Prüfstand

LLMs besitzen einerseits innovative neue Fähigkeiten, stellen Unternehmen allerdings auch vor diverse Herausforderungen: ob EU…

1 Tag ago

Rechenzentren: Deutschland verliert Anschluss

Server-Ausbau in den USA und China macht große Fortschritte, deutscher Weltmarktanteil sinkt. Lichtblicke in Frankfurt…

1 Tag ago

KI steigert Nachfrage nach hybriden Workplace-Umgebungen

Der Markt für Workplace Services gerät in Bewegung. Das bestmögliche digitale Nutzererlebnis gilt als Schlüssel…

1 Tag ago

Hagebau erreicht E-Mail-Sicherheit mit der NoSpamProxy Cloud

Schutz für 10.000 Postfächer über rund 200 Domains: Private-Stack-Variante kombiniert Vorteile einer Cloud-Lösung mit Sicherheit…

2 Tagen ago