IBMs ICS Transformation in die neue Welt

IBMs Collaboration Solutions (ICS) lassen sich in vielen Punkten mit einem Tanker vergleichen, findet Crips-Research-Analyst und Collaboration-Experte Joachim Haydecker. IBM muss die eigenen Lösungen noch stärker auf den veränderten Markt ausrichten – eine große Aufgabe für IBMs Dr. Thomas Zeizel.

Was waren das noch für schöne Zeiten: IBM hat gesagt, wir machen das jetzt so und alle anderen machten das dann auch so. Wie das immer so ist: Rückblickend war vieles einfacher, schöner und oft behauptet besser. Man musste sich nicht mit unzähligen Technologien beschäftigen, die IT fand in den eigenen vier Wänden statt, die Innovationszyklen waren länger und planbarer und es gab wenige Quellen, an denen man aktuelle Informationen bekommen hat.

Das ist schon sehr lange her und seitdem ist viel passiert: Informationstechnologien jeglicher Art durchdringen unser Leben an allen Ecken und Enden. Die IT findet schon lange nicht mehr nur an einem Ort statt, sondern verteilt sich über den ganzen Globus. Fast täglich muss man sich entscheiden, ob die neueste Ankündigung relevant ist und Informationsquellen gibt es wie Sand am Meer.

 

Die (Haus-)Aufgaben für IBM Collaboration Solutions: Social Business erfordert ein neues Denken und Handeln!

  • Kunden, Business Partner und die eigene Organisation noch intensiver mit auf die neue Reise nehmen!
  • Design Thinking – Von der Entwicklung über Vertrieb & Services bis hin zu Business Partnern und Kunden etablieren!
  • Es gibt Erfolge? Dann erzählt sie! Zeigt sie!
  • Schneidet endlich die alten Zöpfe ab!
  • Beobachtet nicht nur die anderen großen “Tanker” am Markt, schaut auch auf die schicken “Sportboote”!

 

Beim großen Tanker IBM war man sich als Außenstehender in den vergangenen Jahren oftmals nicht sicher, ob die vielen Kapitäne an Bord immer genügend Um- bzw. Weitsicht und auch die Ausdauer hatten, um die vielen Veränderungen tatsächlich wahrzunehmen und darauf auch zu regieren. Man vermisste oftmals die Erkenntnis, dass mit den neuen Herausforderungen in dieser sich stark verändernden Umwelt auch neue Antworten gegeben werden müssen. Keine Frage, es ist viel passiert bei der IBM. Trotzdem – blickt man die letzten Jahre zurück – hatte man nicht immer den Eindruck, dass entsprechend gehandelt wurde. Viele IBM Collaboration Solutions hinterließen den Eindruck einer Denkweise aus den 1990iger Jahren.

Neue Lösungen, neue Personen & neue Ideen

Spricht man jedoch mit dem neuen Chef der IBM Collaboration Solutions (ICS) Dr. Thomas Zeizel und schaut man sich dazu noch die aktuellen Produktankündigungen (Mail Next) bzw. –vorstellungen (Connections 5) an, dann kann man die ersten kleineren, aber auch größeren Schritte der IBM nach vorne erkennen. IBM geht einen neuen Weg, ihre Services und Produkte attraktiver zu entwickeln und anzubieten.

Es wird Zeit für diesen neuen Weg, der aber nicht einfach sein wird und sicherlich seine Zeit braucht und nur über viel Kommunikation mit Kunden und Partner erfolgreich gegangen werden kann.

Aber auch in der IBM muss sich dieser neue Weg noch stärker abbilden, von allen getragen werden.

Der Spagat zwischen bewahren und erneuern

Wie kaum ein anderer IT Hersteller steht die IBM dafür, dass ihre Produkte langfristig in Unternehmen eingesetzt werden können. Man nehme nur das Beispiel IBM Notes/Domino. Über 25 Jahre gibt es diese Plattform nun. In vielen Unternehmen gibt es Notes-Applikationen, die 10-15 Jahre alt sind und noch immer ihre guten Dienste leisten. Welche Plattformen bieten diese große Vielfalt an Anwendungs- und Integrationsmöglichkeiten wie der Domino-Server oder Connections? Auf der anderen Seite ist vieles mehr als altbacken, wie der Fat-(Fat-)(Fat-)Client Notes oder aber auch das aus dem letzten Jahrhundert stammende Layout vieler Notes-Entwicklungen. Zudem sind viele Anwendungen funktional hoffnungslos überfrachtet. Die Usability ist dabei auf der Strecke geblieben.

Nun muss man die IBM ein wenig in Schutz nehmen. Nicht nur der Hersteller hat eine gewisse Behäbigkeit, sondern auch viele seiner Kunden und Business Partner. Während die meisten Anwender und Entwickler im privaten Bereich wie selbstverständlich mit WhatsApp und Facebook hantieren und sich über cool designte Produkte erfreuen, verzichten viele im Unternehmen und bei der Entwicklung neuer Anwendungen auf diese Trends und bewahren sich ihre über Jahre liebgewonnene Arbeitsumgebung. Nach den ersten Präsentationen von “Mail Next” mit seinem komplett neuen Design Ansatz kamen viele Kommentare auf, die von diesem neumodischen Schnick-Schnack nicht begeistert waren.

Wie geht es weiter?

Mail Next wird ein großer, revolutionärer Schritt sein. Wenn es denn so kommt, wie es auf den Folien bisher dargestellt wird. Das Userinterface bricht mit allem was man bisher als Anwender und Entwickler von der IBM kannte. Endlich! Dazu werden im Hintergrund sehr viele analytischen Verfahren eingesetzt werden, um die Masse an Informationen besser bewältigen zu können: “Wozu sich bereits heute mit einer E-Mail auseinandersetzen, deren Relevanz erst in drei Wochen von Bedeutung sein wird?” Auch hier wird man auf die konkrete Umsetzung warten müssen; aber es wird anders – und in diesem Fall hoffentlich auch – besser werden.

 IBM, wohin geht die Reise? Quelle: J. Haydecker

IBM hat bei der Entwicklung seine bisherigen Pfade verlassen und sich an die Generation Y herangetraut und diese mit in den Entwicklungsprozess mit eingebunden – ein Novum in der Entwicklungsgeschichte der IBM. Die neu entstehenden Design Thinking Zentren (From features-first to user-first) spiegeln diese Veränderungen auch ganz greifbar in Teilen der Organisation wider.

Auf diese Reise muss die IBM ihre Kunden und Partner mitnehmen. IBM muss es schaffen, ihre bestehenden Communities von der neuen Denk- und Handlungsweise zu überzeugen. Das wird kein Selbstläufer. Erfolge werden sich nicht in kurzfristigen Quartalsergebnissen zeigen.

Wenige große Tanker, dafür viele kleine Sportboote

Dieser revolutionäre Schritt bei der Entwicklung neuer Produkte ist zwingend notwendig. Vergleicht man die aktuelle Situation im Social Collaboration Markt –  Crisp Research führt aktuell ein Product Review einer Vielzahl an Lösungen durch – gibt es dort die großen Konkurrenten Microsoft und Jive. Mit Microsoft verhält es sich wie zwischen VW und Toyota in der Automobilbranche: Mal ist der eine vorne, mal holt der andere auf. Microsoft befindet sich in einer ähnlichen Situation wie die IBM: Wie wird der Dampfer flott für die Zukunft gemacht? Jive auf der anderen Seite hat gerade die Nähe zu einem großen Partner (Cisco) gesucht und wird sich dort neu aufstellen.

Daneben gibt es jedoch sehr viele IT-Unternehmen, die interessante, moderne und attraktive Lösungen entwickelt haben. Vor allem im User Design sind diese oftmals innovativer und benutzerfreundlicher. Die Anwender arbeiten mit einer Oberfläche, die wie aus einem Guss zu bedienen ist. Davon ist IBM Connections noch ein ganzes Stück von entfernt. Man erkennt zwar, dass die IBM mächtige, funktional umfangreiche und für den Unternehmenseinsatz variable Lösungen hat, diese aber nur schwer zu einem neuen Produkt nahtlos zusammenfügen kann.

Die Cloud stärkt vor allem die kleinen Anbieter

IBM hat vor Jahren den Social Collaboration Markt als einer der Ersten betreten und diesen stark beeinflusst und entwickelt. Nun kommen aber immer mehr Anbieter in diesem Segment auf den Markt. Derzeit sind im weltweiten Markt über 100 (!) Anbieter von Enterprise Collaboration Lösungen aktiv.

In einer Welt der Cloud-Lösungen spielt es in Zukunft keine große Rolle mehr, ob die Software für kleine oder große Infrastrukturen ausgelegt ist. Gab es in der Vergangenheit häufig Einschränkungen bei der Skalierbarkeit durch die Software, entfällt dieser Punkt weitestgehend in der Cloud.

An dieser Stelle kann IBM noch mit der Funktionalität und der Integrationsfähigkeit in die Unternehmensprozesse punkten. Aber wie lange noch?

In der Vergangenheit waren die Entwicklungszyklen durch die Installation beim Kunden vor Ort sehr langwierig und aufwendig. In der Cloud können die Hersteller ihr Portfolio kontinuierlich nach und nach ausbauen. Funktionalitäten, die nicht durch eine Eigenentwicklung realisiert werden können, sind über APIs aus anderen Systemen erreichbar. Bei der Nutzung von Online-Speicher wird diese Integration häufig praktiziert, aber im Prinzip sind alle möglichen Konstellationen denkbar: Videokonferenzen, Billingsysteme, usw.

Cloud First – OK! OnPremise gehört trotzdem aufgeräumt!

Alte Zöpfe müssen behutsam, aber sie müssen abgeschnitten werden. “Fat” ist uncool. Sowohl beim Client – der Notes-Client gehört hoffentlich bald der Vergangenheit an – wie auch bei der Backend-Administration. Große, leistungsfähige Systeme sind komplex und aufwendig, keine Frage. Aber soll OnPremise auch in Zukunft eine Rolle spielen, dann muss das Stückwerk für die Administratoren wieder administrierbar gemacht werden. Diese Art der aktuellen Softwarebereitstellung macht kurzfristig einige wenige Partner glücklich, aber langfristig werden Anwender nicht mehr bereit sein die großen Aufwände für Wartung und Updates zu tragen. Ob diese dann in die IBM Cloud Angebote wechseln werden ist die Frage.

Der Tanker fährt, er bewegt sich? Wo geht es hin?

Thomas Zeizel betont, dass die Business Partner auch in dieser sich verändernden IT-Welt für die IBM ein wichtiger Baustein bleiben werden. Das ist eine wichtige Aussage, die die Partner – aber natürlich auch die Kunden – gerne hören werden. Denn viele Kunden arbeiten seit Jahren mit ihren Business Partnern vertrauensvoll und intensiv zusammen. Aber die IBM muss sich auch noch mehr der Verantwortung stellen und die großen und die kleinen Partner mit auf diese Reise zu nehmen.

Der Schritt zum “neuen Denken” muss noch intensiver und stärker nach außen kommuniziert werden. Das wird eine schwere Aufgabe werden und IBM muss dabei einen langen Atem beweisen. Aber es muss passieren, denn es haben sich viele Spielregeln verändert und sie werden sich noch weiter verändern. Die neuen Impulse müssen weiter getragen werden – eine große, intensive aber auch sehr spannende Aufgabe für Dr. Thomas Zeizel und sein Team.