Der Bundesgerichtshof (BGH) hat ein Grundsatzurteil zur Haftung von Geschäftsführern bei Wettbewerbsverstößen gesprochen. Demnach haftet ein Geschäftsführer für unlautere Wettbewerbshandlungen der von ihm vertretenen Gesellschaft nur dann persönlich, wenn er sich aktiv daran beteiligt hat. Und er ist verantwortlich, wenn er sie aufgrund einer Garantenstellung gegenüber dem Wettbewerber hätte verhindern müssen. In dem Urteil vom 18. Juni (Az. I ZR 242/12), das jetzt veröffentlicht wurde, heißt es: Allein die allgemeine Verantwortlichkeit für den Geschäftsbetrieb begründet keine Verpflichtung gegenüber außenstehenden Dritten, Wettbewerbsverstöße des Unternehmens zu verhindern. Jedoch haftet der Geschäftsführer persönlich, “wenn er ein auf Rechtsverletzungen angelegtes Geschäftsmodell selbst ins Werk gesetzt hat”.
Juristen bewerten das Urteil unterschiedlich, da es in dem verhandelten Fall um die Vermarktung über sogenannte Drückerkolonnen ging. Als einen “schwarzen Tag für den lauteren Wettbewerb” bezeichnet Rechtsanwalt Anselm Brandi-Dohrn von der Kanzlei Boetticher Rechtsanwälte die Entscheidung. Andere Juristen begrüßen unabhängig vom konkreten Fall eher die dadurch geschaffene Rechtssicherheit.
“Das Urteil führt die bedenkliche Rechtsprechung des BGH fort, nach der gegen einen Geschäftsführer nicht einmal dann Ordnungsmittel verhängt werden können, wenn er bereits rechtskräftig zur Unterlassung verurteilt ist und trotzdem weiter gegen das Urteil verstößt, solange nur der Geschäftsführer das Unternehmen nicht gewechselt hat”, kommentiert Brandi-Dohrn in einer Pressemitteilung. Der Anwalt hatte den Kläger vertreten.
“Wir haben für den Energieversorger in nur geringfügig abweichenden Konstellationen bereits eine Vielzahl von Unterlassungsklagen gewonnen. Die Parteien sind den Gerichten nur zu gut bekannt, weil die Tricks der Drückerkolonnen immer nur minimal abgeändert werden. Dass der BGH nun im vorliegenden Fall kein auf Rechtsverletzungen angelegtes Geschäftsmodell erkennen konnte, erstaunt.” Brandi-Dohrn weist darauf hin, dass bereits die Grundsatzentscheidung des BGH, dass gegen einen Geschäftsführer keine Ordnungsmittel möglich sind, wenn er mit seinem Unternehmen gegen gerichtliche Verbote verstößt, im Streit zwischen denselben Parteien ergangen war (Aktenzeichen I ZB 43/11).
Brandi-Dohrn weiter: “Das Urteil bedeutet einen schwarzen Tag für den lauteren Wettbewerb, weil Geschäftsführer jetzt nahezu ohne Risiko Geschäftsmodelle aufbauen können, bei denen sehenden Auges Wettbewerbsverletzungen in Kauf genommen werden.” Zumindest kann der Geschäftsführer immer noch für das Konzept der Kundenwerbung haftbar gemacht werden. Das trifft auch für den allgemeinen Werbeauftritt seines Unternehmens zu, etwa im Internet, oder sollte er sich bewusst der Möglichkeit entziehen, von Wettbewerbsverstößen Kenntnis zu erhalten, etwa durch einen dauernden Auslandsaufenthalt.
Für Rolf Albrecht von der Kanzlei Volke 2.0 ist die generelle Bedeutung der Entscheidung wichtiger als der verhandelte Fall an sich. Er vertritt die Meinung, dass das Urteil die Verteidigungsposition der GmbH-Geschäftsführer bei einer Inanspruchnahme im Wege der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung stärkt.
Der Geschäftsführer einer GmbH wurde Albrecht zufolge oft beliebig bei jeder Form von vermuteten Wettbewerbsverstößen zugleich persönlich neben dem Unternehmen in Anspruch genommen. Wie der Anwalt meint, geschehe dies zu Unrecht. “In vielen Unternehmen ist der Geschäftsführer in vielen Handlungen, zum Beispiel im Bereich der Werbung, nicht involviert. Hier dürfte die Haftung daher auszuschließen sein.”
Albrecht weist zudem darauf hin, dass der BGH mit dem Urteil auch den bisher geltenden Grundsatz, dass der Geschäftsführer als sogenannter Störer haftet, über den Haufen wirft. “In der Konsequenz bedeutet dieses Urteil und die geäußerte Rechtsansicht, der hoffentlich auch andere Gerichte folgen werden, dass ein Geschäftsführer einer GmbH nur noch in Ausnahmefällen für Wettbewerbsrechtsverletzungen haften dürfte. Dennoch ist dies kein Freibrief, ohne Rücksicht auf das geltende Recht zu werben. Die gesetzlichen Regelungen sollten weiterhin vor jeder Werbemaßnahme geprüft werden”, so Albrecht.
[mit Material von Peter Marwan, ITespresso.de]
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die Kritik des Herrn RA Brandi-Dorn ist für mich nicht nachvollziehbar - entweder hat er das Urteil nicht wirklich gelesen oder er versteht bereits die Grundprinzipien des unternehmerischen Wirtschaftens nicht.
Wenn der Geschäftsführer tatsächlich persönlich hinter den Rechtsverstößen stand, so war er nicht in der Lage, dem Geschäftsführer persönliche Verantwortung nachzuweisen.
In der Praxis ergibt das Urteil keineswegs eine Art "Freibrief" für Geschäftsführer, denn einerseits wird ja das Unternehmen belangt, welches erhebliche Schäden erhalten kann und für den Fall, das der selbe Geschäftsführer stetig neue Unternehmen gründet, um die Haftungsforderungen ins "Leere" laufen zu lassen, gelänge der Nachweis noch einfacher, das es sich um ein rechtswidriges Geschäftsmodell handelt, das vom Geschäftsführer mindestens (mit-)verantwortet wird.
Seine aus dem Urteil gezogenen Schlüsse sind deshalb unrichtig und klingen eher nach Populismus eines Volxvertreters einer Volxpartei, die sich zum Ziel gesetzt hat, den "guten" Menschen vor dem "bösen" Unternehmer zu schützen - ein Populismus, der seit dem Ende hochsozialistischer Zeiten einmal mehr an Zuspruch gewinnt. Dabei laufen wir einmal mehr Gefahr, neben einer florierenden Wirtschaft und dem für alle daraus resultierenden relativen Wohlstand auch einmal mehr den Rechtsstaat aufzugeben.