BGH: Bewertungsportal muss Daten von Arzt nicht löschen
Nutzer des Portals konnten den akademischen Grad, Namen, Fachrichtung und die Anschrift der Praxis des Arztes einsehen. Zudem waren dort mehrere Bewertungen zu lesen. Unter Berufung auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht forderte er die Löschung dieser Informationen. Das BGH-Urteil ist auch für alle Selbständigen und Gewerbetreibende von Bedeutung.
Der Bundesgerichtshof hat die Klage eines Arztes gegen ein Bewertungsportal abgewiesen. Das Urteil ist ein weiteres wichtiges Urteil, dass auch von Bedeutung für alle Selbständigen und Gewerbetreibende ist. Der BGH hat bei der Entscheidung das Recht des Portalbetreibers auf Kommunikationsfreiheit höher bewertet als das Recht des Arztes auf informationelle Selbstbestimmung. Aus diesem Grund ist der Portalbetreiber nicht verpflichtet, die über den Arzt gespeicherten und seinen Nutzern zugänglich gemachten Basisdaten und Bewertungen nicht wie vom Arzt verlangt, zu löschen (Aktenzeichen VI ZR 358/13).
Nutzer können auf dem Portal nach Ärzten suchen und bewerten. Dafür sind unter anderem Name, Fachrichtung, Praxisanschrift, Kontaktdaten und Sprechzeiten sowie Bewertungen des Arztes durch Nutzer einsehbar. Allerdings können Bewertungen erst nach einer Registrierung abgegeben werden, dafür reicht jedoch bereits eine gültige E-Mail-Adresse. Somit sind sie weitgehend anonym. In einem früheren Urteil in diesem Jahr hatte der BGH bereits entschieden, dass Bewertungsportale Daten von Nutzern, die Bewertungen vorgenommen haben, nicht herausgeben müssen (Aktenzeichen VI ZR 345/13).
“Der Betreiber eines Internetportals ist in Ermangelung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage im Sinne des § 12 Abs. 2 Telemediengesetz grundsätzlich nicht befugt, ohne Einwilligung des Nutzers dessen personenbezogene Daten zur Erfüllung eines Auskunftsanspruchs wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung an den Betroffenen zu übermitteln”, begründeten die Richter im Juli 2014 ihre Entscheidung.
Der Arzt forderte allerdings im aktuellen Verfahren die Löschung der ihn betreffenden Daten, also sowohl der “Basisdaten” als auch der Bewertungen, unter Berufung auf sein allgemeines Persönlichkeitsrecht. Die Klage hatte zuvor schon das Amtsgericht und auch das Landgericht abgewiesen. Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshof hat nun auch die dagegen gerichtete Revision des Arztes zurückgewiesen. Die Richter begründen ihr Urteil damit, dass das Portal nach Paragraf 29 Absatz 1 des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) zur Erhebung, Speicherung und Nutzung sowie nach Absatz 2 desselben Paragrafen auch zur Übermittlung der Daten an seine Nutzer berechtigt ist.
Der BGH räumt allerdings ein, dass der Arzt durch die Aufnahme in ein Bewertungsportal belastet wird. Auch sieht er, dass abgegebene Bewertungen die Arztwahl beeinflussen und so möglicherweise zu wirtschaftlichen Nachteilen für eine schlecht bewertet Arztpraxis führen können. Außerdem räumen die Richter auch ein, dass aufgrund der Funktionsweise des Portals eine gewisse Missbrauchsgefahr besteht.
All diese möglichen Nachteile werden nach Ansicht der Richter aber durch das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen überwogen. Außerdem berühren die für den Betrieb des Portals erhobenen, gespeicherten und übermittelten Daten den Arzt den Richtern zufolge nur in seiner sogenannten “Sozialsphäre”. Damit bezeichnen sie den Bereich, “in dem sich die persönliche Entfaltung von vornherein im Kontakt mit anderen Personen vollzieht.”
Das Gericht weiter: “Hier muss sich der Einzelne auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit sowie auf Kritik einstellen. Missbrauchsgefahren ist der betroffene Arzt nicht schutzlos ausgeliefert, da er von der Beklagten die Löschung unwahrer Tatsachenbehauptungen sowie beleidigender oder sonst unzulässiger Bewertungen verlangen kann. ” Dass Bewertungen auch anonym abgegeben werden können, ändert ihrer Auffassung nach nichts: Die Möglichkeit zur anonymen Nutzung sei beim Internet eben gerade Teil der Funktionsweise – wie schon aus dem Telemediengesetz hervorgehe, in dem die Nutzung von Diensten anonym oder zumindest unter Pseudonym wann immer irgend möglich, gefordert wird.
Mit dem Urteil hat der Bundesgerichtshof zwar die freie Meinungsäußerung wieder einmal gestärkt, problematisch ist das ganze Thema aber nach wie vor. Denn wie zum Beispiel der Rechtsanwalt Matthias Hechler schon früher angemerkt hat dürfen zwar bei Textbewertungen die Verfasser weder unwahre Tatsachen behaupten, noch die Grenze zur Schmähkritik überschreiten, da dann eine Persönlichkeitsverletzung gegeben ist und das Portal die Bewertung löschen muss. Allerdings kann er gegen die meist übliche Bewertungen in Form von Schulnoten nichts unternehmen.
Dabei handle es sich Gerichtsurteilen zufolge um ein Werturteil, das der Meinungsfreiheit geschützt ist. Ob dieses Werturteil dann rein subjektiv ist oder sich objektiv nachvollziehen lässt, spielt dabei keine Rolle. “Selbst wenn sich vor der Praxis 50 kostenlose Parkplätze befinden, kann jemand der Meinung sein, dass sei mangelhaft, so die Gerichte”, erklärt Hechler. Damit ist und bleibt Missbrauch von Bewertungsportalen nicht nur für Ärzte, sondern auch für Gewerbetreibende und Selbständige nach wie vor ein ernsthaftes Risiko.
[mit Material von Peter Marwan, ITespresso.de]