HTML5 wird offziell zum Standard
Mehr als 1300 Seiten lang ist die finale “Empfehlung” des W3C zum Web-Standard HTML5. Der soll vor allem Plugins für Multimedia- und andere Rich Internet Applications überflüssig machen.
Nach beinahe acht Jahren Arbeit hat das World Wide Web Consortium (W3C) nun die Standardisierung von HTML5 für abgeschlossen erklärt. Vor allem auf die Entwicklung von Cloud-Technologien, Multimedia-Anweungen und natürlich mobile Anwendungen hat das W3C bei der Finalisierung der neue Version der Hypertext Markup Language besonderes Augenmerk gelegt. HTML ist eine der wichtigsten Grundlagen des World Wide Web. HTML5 wird bereits von den gängigsten Browsern unterstützt, offiziell war bisher aber noch HTML 4.01 von Dezember 1999 der gültige Standard.
Formell gilt der W3C-Standard als Empfehlung, und genau für diesen Zweck wurde das W3C gegründet. Zu den wichtigsten Elementen von HTML5 zählt die Integration von Video ohne Rückgriff auf Fremdprogramme oder Browsererweiterungen wie Adobes früher dominierenden Flash Player. Video wird nun ähnlich wie Text oder statische Bilder behandelt – als Grundelement von Websites.
“Heute denken wir uns nichts dabei, wenn wir Video und Audio nativ im Browser betrachten, und auch nichts, wenn wir einen Browser auf einem Telefon nutzen”, so W3C Director Tim Berners-Lee in einer Mitteilung. “Wir erwarten, dass wir Fotos teilen, einkaufen, Nachrichten lesen und Informationen abgreifen können, überall und auf allen Geräten. Und obwohl sie für den Nutzer meist unsichtbar bleiben, treiben HTML5 und die Open Web Platform diese wachsenden Nutzererwartungen.”
In der Praxis hat eine solche Empfehlung zwei Folgen: Erstens sichert sie zu, dass die für HTML zuständige Arbeitsgruppe des W3C die enthaltenen Techniken gründlich geprüft hat. Zudem sorgt diese Empfehlung für einen Patentschutz: Alle in der Gruppierung organisierten Firmen sichern mit der Verabschiedung zu, niemanden wegen Nutzung von in HTML5 enthaltenen Techniken zu verklagen.
Im W3C sind die Browserhersteller Apple, Mozilla, Google, Microsoft und Opera vertreten, Softwarehäuser wie Adobe und SAP, aber etwa auch der chinesische Suchkonzern Baidu, Video-Anbieter wie HBO, Netflix und BBC, Hardware-Hersteller von Ericsson, IBM und Intel bis zu Huawei, Nokia, Samsung und Sony, sowie Telekommunikationskonzerne, etwa Comcast und Orange.
Ein Beispiel für den Nutzen dieses Patentschutzes liefert Paul Cotton, der bei Microsoft beschäftigte stellvertretende Vorsitzende der HTML Working Group im W3C. Er bezieht sich auf die HTML5-Technik Canvas, die der Darstellung zweidimensionaler Umrisse in Webseiten dient – etwa von Aktienkursdiagrammen oder geometrischen Formen. “Canvas war sehr früh Teil von [Apples Browser] Safari.” Es gebe zwar eine verbreitete Variante, “aber es gibt noch keine gebührenfrei nutzbare Version.” Erst mit einer Standardisierung müsse man sich keine Gedanken mehr über Apples Patente in diesem Bereich machen.
Für das W3C zeichnet sich mit der ersten HTML-Aktualisierung seit fast 15 Jahren aber keine ruhige Zukunft ab. Im Gegenteil läuft ein Kampf um die Kontrolle von Webtechniken. An HTML 5.1 arbeitet parallel auch die Web Hypertext Applications Technology Working Group, kurz WHATWG. Spannungen zwischen beiden Gremien existieren seit Jahren, doch beide scheinen sich aktuell eher voneinander zu entfernen statt näherzukommen.
Das W3C kann eine breitere Mitgliederbasis vorweisen. Es nutzt einen strukturierten, stark formalisierten Prozess, um von Entwürfen langsam zu einem Standard vorzudringen. Die von Browserherstellern ins Leben gerufene WHATWG hingegen erstellt ein ständig aktualisiertes “lebendiges Dokument“, das häufig Neuerungen und Fehlerkorrekturen erhält.
“Es ist ganz richtig, dass diese unterschiedlichen Interessengruppen das ausfechten”, sagt etwa Bruce Lawson von Opera, zugleich Autor eines Handbuchs zu HTML5. “Das Web ist die größte Plattform, die wir je hatten. Deshalb gibt es auch mehr Interessengruppen und rivalisierende Ansprüche als je zuvor.”
Im Fall von Konflikten der beiden Versionen existieren verschiedene Empfehlungen: “Im Allgemeinen raten wir Programmierern, in die WHATWG-Version zu schauen, die oft technisch genauer ist”, sagt etwa Mozilla-CTO Andreas Gal. Anders definiert es Lawson von Opera: “Wenn Sie sehen möchten, was schon implementiert ist, achten Sie auf die W3C-Spezifikation. Wenn Sie sehen möchten, was vielleicht kommt (oder was sich verändern könnte), nehmen Sie die WHATWG-Spezifikation zur Hand.”
Die Gefahr ist allerdings, dass Entwickler aufgrund des Tauziehens um HTML andere Plattformen vorziehen und stattdessen bevorzugt Apps für einzelne Betriebssysteme wie Android und iOS erstellen. Prominente Kritik kam etwa 2012 von Facebook-CEO Mark Zuckerberg: Dass die Mobil-App seines Unternehmens auf HTML5 aufsetze, “war einer der größten Fehler, wenn nicht der größte strategische Fehler, den wir gemacht haben.” Zuckerberg betonte damals allerdings auch, er sei begeistert vom langfristigen Potenzial von HTML5.
[mit Material von Florian Kalenda, ZDNet.de]
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