Monsoon: SAPs standardasierter Cloud-Infrastruktur-Stack

Geht es um die Cloud hat SAP bisher keinen überzeugenden Eindruck vermittelt. Das Business-by-Design-Desaster oder die regelmäßigen Wechsel in der Cloud-Führungsriege sind nur zwei Beispiele, welche die desolate Lage des deutschen Vorzeigekonzerns aus Walldorf in diesem Marktsegment widerspiegeln. Gleichzeitig probt die mächtige Anwendergruppe DSAG den Aufstand. Die Komplexität des Cloud-ERP sowie fehlende Business Cases für HANA sind ein Problem. Die mangelnde Transparenz bei der Preis- und Lizenzgestaltung sowie nur noch eine geringe Wertschätzung der Wartungsverträge im Verhältnis zu den geleisteten Support-Gebühren sorgen für Verunsicherung und Verärgerung auf der Kundenseite. Vielmehr sorgt eine historisch gewachsene und komplexe IT-Infrastruktur für erhebliche Effizienzengpässe im Betrieb. Ein vielversprechendes internes Cloud-Projekt kann nun die Weichen für die Zukunft stellen – wenn man es nur konsequent umsetzt: Monsoon.

Im Laufe der Jahre hat sich die interne SAP Cloud-Landschaft zu einer riesigen – RAM im Petabyte-Bereich, Cloud-Storage im Petabyte-Bereich, Armeen von physikalischen Hosts und virtuellen Maschinen – jedoch stark heterogen Infrastruktur entwickelt. Neue Funktionsanforderungen, Technologieänderungen als auch zahlreiche M&As haben zu einer Vielzahl von Technologie-Inseln geführt, bei denen sich die Migrationsaufwände nicht mehr beziffern lassen.

Damit einher geht eine hohe Komplexität beim Betrieb und der Wartung der Infrastruktur, nicht zuletzt, weil unterschiedlichste Technologieansätze und ein Mix aus VMware vSphere und XEN/KVM über die Rechenzentren des Konzerns global verteilt sind.

Das i-Tüpfelchen stellt das Application Lifecyle Management dar, bei denen die Installationen beziehungsweise Upgrades je nach Alter der jeweiligen Cloud manuell, semi-automatisiert oder automatisiert erfolgt. Diese haarsträubende Beschreibung ist bei weitem kein SAP-spezifisches Problem, sondern stellt die Realität in mittelgroßen bis großen Cloud-Infrastrukturen dar, die über die letzten Jahre unkontrolliert gewachsen sind.

“Monsoon” soll es richten – ein standardisierter und automatisierter Cloud-Infrastruktur-Stack

Auch wenn sich SAP mit dieser Herausforderung in guter Gesellschaft befindet, sorgt diese Situation für massive Nachteile auf Infrastruktur-, Applikations-, Entwicklungs-, und Wartungsebene:

  • Entwickler warten zu lange auf neue Infrastrukturressourcen. Das sorgt für Verzögerungen im Entwicklungs- und Support-Prozess.
  • Es lassen sich nur vollständige Releases ausrollen. Das führt zu höheren Aufwendungen im Upgrade-/Update-Prozess.
  • Der IT-Betrieb hält die Hand über die IT-Ressourcen und muss auf Freigaben durch verantwortliche Instanzen warten. Dies beeinträchtigt die Arbeitsleistung und sorgt für eine schlechte Effizienz.
  • Eine Vielzahl individueller Lösungen machen eine weitestgehend standardisierte Infrastrukturlandschaft unmöglich und sorgen für eine schlechte Skalierbarkeit.
  • Technologieinseln verteilen das notwendige Wissen auf zu viele Köpfe und erschweren die Zusammenarbeit bei der Fehlerdiagnose und Optimierung der Infrastruktur.

Dieser Herausforderung stellt sich SAP nun aktiv mit dem Projekt “Monsoon”. Unter der Leitung von Jens Fuchs, VP Cloud Platform Services Cloud Infrastructure and Delivery, soll aus den verschiedenen heterogenen Cloud-Umgebungen eine einzelne einheitliche Cloud-Infrastruktur entstehen. Diese soll sich gleichermaßen über alle weltweiten SAP Rechenzentren erstrecken. Eine harmonisierte Cloud-Architektur, ein weitreichend unterstützendes aber einheitliches IaaS-Management sowie ein automatisiertes Ende-zu-Ende Application Lifecyle Management bilden die Grundlage der “One Cloud”.

(Bild: Crisp Research)

SAP wird damit zunächst die Situation der hauseigenen Entwickler verbessern. Auf Basis der standardisierten Infrastruktur wird das Fundament für einen effizienteren Entwicklungsprozess gelegt, der in Zukunft ebenfalls Einfluss auf die Bereitstellung der Kunden-Anwendungen hat. Hierzu wird “Monsoon” im DevOps-Mode implementiert. Das bedeutet, dass Entwicklung und Betrieb von Monsoon zwar in zwei Teams aufgeteilt ist, diese jedoch Hand in Hand an dem gemeinsamen Ziel arbeiten. Für Entwickler wird der Zugriff auf  die benötigten IT-Ressourcen (virtuelle Maschinen, Entwicklertools, Services) standardisiert bei Bedarf anhand eines Self-Service Portals bereitgestellt. Weiterhin ermöglicht es dieser Modus, die Einführung der sogenannten Continuous Delivery. Das bedeutet, dass Teile von “Monsoon” bereits umgesetzt wurden und aktiv (produktiv) eingesetzt werden. Andere Teile befinden sich noch in der Entwicklung. Ist deren Entwicklung und Test abgeschlossen, werden diese in die Produktionsumgebung übernommen, ohne auf einen separaten Release-Zyklus warten zu müssen. Dies fördert die Innovationsgeschwindigkeit.

Open Source und OpenStack sind die Ausrufezeichen

Die Basis des “Monsoon”-Self-Service Portals bildet die Open Source Automatisierungslösung Chef. Damit ermöglicht es SAP seinen Entwicklern die benötigten Infrastrukturressourcen selbstständig bereitzustellen und automatisiert zu konfigurieren. Dies gilt auch für die Bereitstellung der selbst entwickelten Applikationen. Überhaupt setzt das „Monsoon“-Projekt intensiv auf Open Source Technologien. Neben den Hypervisoren XEN und KVM kommen weitere Lösungen wie die Container-Virtualisierung Docker oder der Platform-as-a-Service (PaaS) Cloud Foundry zum Einsatz.

Zentraler Anker dieser Software Defined Infrastructure bildet OpenStack. Das Open Source-Projekt, mit dem sich komplexe
 Cloud Computing Infrastrukturen aufbauen lassen, unterstützt IT-Architekten bei der Orchestrierung und dem Management ihrer Cloud-Umgebung. Gleichzeitig steht hinter der Open Source-Lösung ein mächtiges Konglomerat von Anbietern, die versuchen, OpenStack und ihre darauf basierenden Services prominent im Markt zu positionieren. Ein weiterer Einfluss entsteht durch zahlreiche Entwickler und weitere Interessenten, die ihre Beiträge zu dem Projekt liefern. Derzeit beteiligen sich etwa 19.000 Individuen aus 144 Ländern an OpenStack. Das Open Source Projekt ist daher sowohl eine Interessengemeinschaft als auch eine Community. Die breite Unterstützung wird insbesondere dadurch deutlich, dass zahlreiche Service Provider und Softwarehäuser ihre Lösungen und Services kompatibel zu den OpenStack APIs entwickeln. OpenStack hat sich seit der Entstehung damit ebenfalls kontinuierlich zu einem Industrie-Standard entwickelt und wird der kommende de-facto Standard für Cloud-Infrastrukturen.

Auf Cloud Service Broker/ Cloud Intgeration Ebene setzt SAP “Monsoon” auf OpenStack Nova (Compute), Cinder (Block Storage), Neutron (Networking) und Ironic (Bare Metal). OpenStack Ironic ermöglicht es Monsoon, physikalische Hosts bei Bedarf so einfach bereitzustellen wie virtuelle Maschinen. Die Cloud Service Management Platform ist unter anderem für das Self-Service Portal, die Authentifizierung, das Metering, die Abrechnung und Orchestrierung zuständig. Die von OpenStack bereitgestellte Infrastructure- und Automation-API hilft Entwicklern dabei, ihre Applikationen für “Monsoon” zu entwickeln und darüber bereitzustellen. Zugleich können darüber externe APIs, wie die von Amazon EC2, angesprochen werden, um Workloads über mehrere Cloud-Infrastrukturen (Multi-Cloud) zu verteilen.

Mit diesem offenen Ansatz ist SAP in der Lage zum einen eine standardisierte Infrastruktur aufzubauen, um neben OpenStack ebenfalls VMware vSphere zu unterstützen. Gleichzeitig sind hybride Deployments möglich, die sich sowohl internen als auch externen Kunden zur Verfügung stellen lassen. Die on-Demand-Bereitstellung von virtuellen als auch physikalischen Hosts rundet den hybriden Ansatz ab. Insbesondere die höhere Leistung von physikalischen Maschinen im Vergleich zu virtuellen Maschinen sollte nicht unterschätzt werden. HANA wird dankbar sein.

Studie: SAP gilt als leistungsstarker OpenStack-Partner

Dass SAP sich verstärkt auf Open Source und hier speziell auf OpenStack konzentriert, ist nichts Neues. Erste Ankündigungen wurden bereits im Juli veröffentlicht und zeigen die steigende Bedeutung von Open Source-Technologien für etablierte Branchenriesen.

Das OpenStack Engagement von SAP hat sich derweil auch bei den Nutzern herumgesprochen. Im Rahmen der ersten empirischen OpenStack Studie im DACH Markt, “OpenStack im Unternehmenseinsatz“, hat Crisp Research 700+ CIOs gemeinsam mit HP Deutschland nach ihrem OpenStack Interesse, Planungs- und Einsatzgrad befragt.

Die Studie ergab, dass Cloud Computing endgültig in Deutschland angekommen ist. Bei 19 Prozent der befragten IT-Entscheider ist Cloud Computing fester Bestandteil auf der IT-Agenda und im produktiven IT-Betrieb. 56 Prozent der deutschen Unternehmen befinden sich in der Planungs- oder Implementierungsphase und setzen Cloud bereits im Rahmen erster Projekte und Workloads ein. Konkret zu OpenStack lässt sich sagen, dass die OpenStack-Welle 2014 auch Deutschland erreicht hat. Fast jedem zweiten Cloud-Anwender (47 Prozent) ist OpenStack ein Begriff. Derzeit beschäftigen sich bereits 29 Prozent der Cloud-Anwender aktiv mit der neuen Technologie. 
Während sich 9 Prozent der Cloud-Anwender noch in der Informationsphase befinden, hat bereits jeder Fünfte (19 Prozent) mit der Planungs- oder Implementierungsphase seines OpenStack-Projekts begonnen. Im produktiven Einsatz läuft OpenStack derzeit allerdings erst bei 2 Prozent aller Cloud-Anwender und ist damit ein Thema für echte Lead User.

Auf die Frage nach der Leistungsfähigkeit von OpenStack-Partnern zeigt sich, dass die OpenStack affinen Cloud-Anwender das SAP Engagement würdigen, beziehungsweise hier einiges von SAP erwarten. Neben IBM und HP wird auch SAP im Kontext OpenStack von fast der Hälfte der befragten IT-Entscheider eine „sehr starke“ Leistungsfähigkeit zugeschrieben.

“Monsoon” – Implikationen für SAP und den (internen) Kunden

Angesichts der Komplexität hätte das “Monsoon”-Projekt eher den Namen “Mammoth” verdient gehabt. Einen Tanker wie die SAP intern auf ruhiges Fahrwasser zu bringen ist keine leichte Aufgabe. Die Standardisierung in einem sehr dynamisch agierenden Unternehmen voranzutreiben wird noch die eine oder andere Hürde mit sich bringen. Insbesondere wenn weitere Akquisitionen anstehen, wird die Herausforderung darin bestehen, diese Infrastrukturen zu integrieren. “Monsoon” scheint allerdings der Weg in die richtige Richtung zu sein, um eine Grundlage für einen zukünftigen stabilen und einheitlichen Cloud-Infrastrukturbetrieb zu gewährleisten.

Im ersten Schritt wird SAP organisatorisch von dem Projekt profitieren. Die Walldorfer versprechen ihren Entwicklern damit eine Zeitersparnis von circa 80 Prozent für die Bereitstellung von Infrastrukturressourcen. So lassen sich virtualisierte HANA Datenbanken künftig vollständig automatisiert bereitstellen. Das verkürzt die Wartezeit von etwa einem Monat auf maximal eine Stunde.

Neben dem Zeitvorteil hilft “Monsoon” den eigenen Entwicklern dabei, sich auf ihre Kernkompetenzen (Softwareentwicklung) zu konzentrieren. Zuvor waren diese ebenfalls in weiteren Prozessen, wie dem Bereitstellen und der Konfiguration der benötigten Infrastruktur, involviert. Nun können die Entwickler eigenständig und vollständig automatisiert virtuelle Maschinen, Speicherplatz oder Loadbalancer bereitstellen. Neben einem implementierten Pay-per-use-Modell für die kosteneffizientere Arbeit, bei dem die von den Entwicklern genutzten Ressourcen auf Stundenbasis abgerechnet werden, helfen standardisierte Infrastruktur-Blöcke bei der Kostenoptimierung. Hierzu werden Infrastrukturressourcen zu standardisierten Blöcken zusammengefasst und über die Rechenzentren weltweit zur Verfügung gestellt.

Insbesondere das mit “Monsoon” eingeführte Continous Delivery sollte bei SAP für mehr Schwung sorgen. Die “Monsoon” Cloud-Plattform wird hierbei während des Betriebs stetig erweitert. SAP verabschiedet sich in diesem Fall von festen Release-Zyklen.

Die externen Kunden sollten von “Monsoon” ebenfalls mittelfristig profitieren, indem SAP die gesammelten Erfahrungen aus dem Projekt in die Arbeit mit seinen Kunden und die künftige Bereitstellung der Produkte (z.B. Continous Delivery) einfließen lässt.

SAP verbrennt zu viele Führungskräfte in der Cloud

An der technischen Umsetzung wird SAP mit “Monsoon” nicht scheitern. Dafür beschäftigt das Unternehmen viele hoch qualifizierte Mitarbeiter, die über das notwendige Wissen verfügen. Allerdings schwächelt der ERP-Riese unaufhörlich auf der organisatorischen Ebene. Es stellt sich vehement die Frage, warum ambitionierte Mitarbeiter ihre Visionen niemals vollständig umsetzen dürfen. So verbrennt SAP viele seiner Cloud-Führungskräfte (Lars Dalgaard ist das Paradebeispiel). Engagierte und talentierte Führungskräfte, die versuchen in dem Unternehmen etwas zu bewegen, scheinen einen schweren Stand zu haben.

SAP sollte damit beginnen im Sinne seiner Kunden zu handeln. Heißt, nicht nur an die Shareholder zu denken, sondern eine langfristige Vision zu verfolgen (Amazons Jeff Bezos lässt grüßen). Das Monsoon-Projekt kann ein Anfang sein. Jens Fuchs und seinem Team sei es daher zu wünschen, das ehrgeizige Ziel, die SAP interne Cloud-Transformation, bis zum Ende erfolgreich umsetzen dürfen.

Lesen Sie auch : Enercity setzt auf Cloud-ERP
Redaktion

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