Sicherheitslücke in UMTS-Netz entdeckt
Deutsche Sicherheitsforscher haben die Schwachstelle in UMTS-Netzen gefunden. Sie lässt sich ausnutzen, um Telefonate und SMS abzuhören. Der Fehler befindet sich in einem Protokoll, das Netzbetreiber für den Austausch von Verschlüsselungsdaten benutzen. Es soll sich um ein branchenweites Problem handeln.
Eine gravierende Sicherheitslücke in UMTS-Netzen lässt sich offenbar ausnutzen, um Telefonate abzuhören und SMS mitzulesen. Die Schwachstelle hat der deutsche Sicherheitsexperte Karsten Nohl entdeckt. Berichten des WDR und der Süddeutschen Zeitung zufolge konnten Nohl und seine Mitarbeiter die Verschlüsselung im UMTS-Netz umgehen.
Im SS7-Protokoll, über das Netzanbieter unter anderem Informationen mit Roaming-Partnern austauschen soll sich die Schwachstelle befinden, heißt es weiter in dem Bericht. Über das Protokoll erfolge außerdem die Weitergabe von Verschlüsselungsdaten, um Gespräche von einer Vermittlungsstelle an die nächste weiterzugeben. Die Verschlüsselungsdaten teilen viele Netzbetreiber sogar automatisiert mit Telefongesellschaften weltweit.
Über einen Zugang zum SS7-Netz im Ausland konnte Nohls-Team die Verschlüsselungsdaten für das Handy eines Bundestagsabgeordneten erhalten. Dem Bericht zufolge hat die Deutsche Telekom die Daten automatisiert geliefert. Dafür habe sich das Team als ausländische Vermittlungsstelle ausgegeben.
“Mit dieser Methode lassen sich neben SMS auch Telefonate entschlüsseln”, zitiert der WDR Nohl. “Weshalb die deutschen Netzbetreiber diese Informationen mit der ganzen Welt teilen, ergibt keinen Sinn, denn ich beginne mein Telefonat ja nicht in Berlin und führe es in New York weiter.”
Sicherheitslücke betrifft alle Mobilfunkanbieter
Dem WDR erklärte ein Telekom-Sprecher, dass das Problem die gesamte Mobilfunkbranche betreffe. Zwar sei die entdeckte Sicherheitslücke bereits geschlossen, dennoch bestehe das Grundproblem weiter. Nur die gesamte Industrie könne eine dauerhafte Lösung umsetzen. Maßnahmen einzelner Mobilfunkanbieter seien nur “ein Pflaster”.
Dem Magazin Der Spiegel sagte die Telekom, das Abhören des UMTS-Netzes sei nur mit Expertenwissen möglich. “Dazu muss man sich in der Nähe des Teilnehmers aufhalten, über einen speziellen Empfänger verfügen, der nicht am Markt erhältlich ist, und sich Zugang zum internen Signalisierungsnetz der Mobilfunkanbieter verschaffen.”
Der Spiegel vermutet in dem Zusammenhang, die von Nohl beschriebene Lücke könne auch benutzt worden sein, um das Handy von Bundeskanzlerin Merkel abzuhören. Bundestag und Bundesregierung befänden sich in unmittelbarer Nähe der amerikanischen und auch russischen Botschaften. Die US-Regierung hatte Im vergangen Herbst bestätigt, dass Merkels Diensthandy abgehört wurde.
Der schleswig-holsteinische Datenschutzbeauftragte Thilo Weichert kritisierte laut WDR indes die Netzbetreiber. Sie verhielten sich “viel zu blauäugig”. Sie seien dafür verantwortlich, “dass das Telekommunikationsgeheimnis gewahrt wird. Das ist ganz offensichtlich über Jahre nicht gewährleistet gewesen, die müssen definitiv nachbessern”, forderte Weichert.
[mit Material von Stefan Beiersmann, ZDNet.de]
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