Gestern hat die zuständige Berichterstatterin im Rechtsausschuss des Europäischen Parlaments, Julia Reda (Piraten), einen ersten Berichtsentwurf zur Urheberrechtsreform vorgelegt. Er enthält die Forderung, die bestehende EU-Urheberrechtsrichtlinie 2001/29/EG (InfoSoc) durch eine europaweit geltende Verordnung zu ersetzen. Dadurch soll das momentan in einzelne nationalstaatliche Regelungen zersplitterte Urheberrecht harmonisiert werden.
Redas Entwurf umfasst darüber hinaus konkrete Vorschläge zur Verbesserung des Urhebervertragsrechts und der urheberrechtlichen Schrankenbestimmungen. Unter anderem sieht es eine offene Schranke nach dem US-Vorbild des “Fair Use”-Modells vor, um “die Anpassung an unvorhergesehene neue kulturelle Ausdrucksformen” zu erleichtern. Das Zitatrecht soll außerdem auf audiovisuelle Medien ausgeweitet werden.
Auch die Stellung der Urheber gegenüber Verlagen und Verwertungsgesellschaften soll gestärkt werden. Der Bericht empfiehlt zudem “staatliche Werke vom Urheberrechtsschutz auszunehmen”, und fordert, dass “technische Maßnahmen die Nutzung von Ausnahmen und Urheberrechtsschranken nicht behindern dürfen”.
“Die EU-Richtlinie zum Urheberrecht stammt aus dem Jahr 2001, aus einer Zeit vor YouTube und Facebook. Obwohl sie das Urheberrecht eigentlich für die Informationsgesellschaft fit machen hätte sollen, steht sie heute dem grenzüberschreitenden kulturellen Austausch im Weg”, erklärt Reda. “Wir brauchen ein gemeinsames Europäisches Urheberrecht, das Grundrechte achtet und innovativen Diensten für den Onlinezugang zu Kultur keine Steine in den Weg legt.”
Technisch überholte und von Land zu Land unterschiedliche Urheberrechtsregeln “sind eine unverhältnismäßige Hürde für alltägliche Handlungen im Internet”, heißt es in der Begründung des Berichtsentwurfs (PDF). “Diejenigen, die Werke betrachten, verändern oder neu schaffen und dabei auf Ressourcen in unterschiedlichen Mitgliedstaaten zurückgreifen, sehen sich mit Bürokratie und Rechtsunsicherheit konfrontiert”.
Nicht nur nationale Alleingängen wie beim Leistungsschutzrecht für Presseverleger würde die geplante Harmonisierung des Urheberrechts verhindern, sondern auch Praktiken wie das Geoblocking, wie der Verein Digitale Gesellschaft e.V. anmerkt. Dieses verhindert die EU-weite Verfügbarkeit von digitalen Inhalten. Allerdings stoße Redas Entwurf in vielen Punkten an die Grenzen überholter internationaler Abkommen so etwa beim Umgehungsverbot für Kopierschutzmaßnahmen oder den langen Schutzfristen für nicht genutzte Werke.
Als nächstes behandelt der Rechtsausschuss des Europaparlaments den Bericht. Anschließend wird er im Plenum zur Abstimmung gestellt. Die Verabschiedung erfolgt voraussichtlich am 16. April. Beschließt das Parlament Redas Entwurf, würde er bis auf weiteres die Basis für die Positionierung des Europaparlaments bei der anstehenden Urheberrechtsreform bilden. Im Mai stellt EU-Vizepräsident Andrus Ansip seine Strategie zum Digitalen Binnenmarkt. Digitalkommissar Günther Oettingers Vorschlag zur Urheberrechtsreform wird für September dieses Jahres erwartet.
Gemeinsam mit ihrem Berichtsentwurf hat Reda, Vizepräsidentin der Fraktion Grüne/EFA im Europaparlament, auch eine vollständige Liste aller 86 Lobbyanfragen zum Urheberrecht veröffentlicht, die sie seit ihrer Wahl zur zuständigen Berichterstatterin im Mai erhalten hat. Auf ihr finden sich sowohl Rechteinhaber (wie die GEMA) und Autoren als auch Diensteanbieter (wie Google), Nutzer, Behörden und Wissenschaftseinrichtungen. Die Öffentlichkeit lädt Reda dazu ein, auf der Diskussionsplattform Discuto Kommentare zu dem Berichtsentwurf zu hinterlassen.
Der Branchenverband Bitkom begrüßt das von Reda vorgelegte Papier zur Urheberrechtsreform. “Der Bericht macht konstruktive Vorschläge zur Modernisierung und Vereinheitlichung des Urheberrechts innerhalb der EU”, kommentierte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Das Urheberrecht müsse dringend an die Erfordernisse der digital vernetzten Welt angepasst werden. Das betreffe insbesondere Streaming-Dienste für Musik und Video sowie E-Books, aber auch die Nutzung von Inhalten in sozialen Medien. “Wir brauchen einheitliche Regelungen, damit sich innovative Dienste im Bereich der digitalen Medien europaweit schneller durchsetzen können und die Anbieter und Nutzer gleichermaßen Rechtssicherheit bekommen.”
[mit Material von Björn Greif, ZDNet.de]
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