Der Verband der deutschen Internetwirtschaft, eco, hat eine erste Halbjahresbilanz zur Umsetzung der Digitalen Agenda 2014 – 2017 veröffentlicht. Demnach hat die Bundesregierung im vergangenen halben Jahr nur rund sechs von 45 untersuchten Vorhaben umgesetzt. 22 befinden sich aktuell in der Umsetzung. Die restlichen 17 Vorhaben hat sie noch gar nicht begonnen.
Die Digitale Agenda umfasst Aufgaben für insgesamt sieben Handlungsfelder, die die Bundesregierung selbst definiert hat:
“Leider sind wir in vielen Politikbereichen mit veralteten Rahmenbedingungen konfrontiert, die Innovationen bremsen und dazu führen, dass die Chancen und Potenziale digitaler Technologien nicht voll ausgeschöpft werden” sagt Oliver Süme, eco Vorstand Politik & Recht. “Es ist ein gutes Zeichen, dass ein Großteil der Vorhaben aus der Digitalen Agenda inzwischen zumindest den Sprung in die erste Umsetzungsphase geschafft hat.”
Die Koalition müsse nun ihren politischen Gestaltungsspielraum nutzen, damit die Vorhaben in naher Zukunft auch konkrete Entscheidungen hervorbringen, so Süme weiter. Sie dürften “nicht ewig in der Ressortabstimmung hängen bleiben”.
Der Netzausbau läuft Barometer Netzpolitik zufolge nur schleppend an. Zwar sei die Freigabe von Funkfrequenzen im 700er-MHz-Band eine wichtige Entscheidung gewesen, allerdings beseitige sie nicht alle Probleme. Diese behindern vor allem eine flächendeckende Breitbandabdeckung des ländlichen Raums.
Eco sieht die Ankündigung Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt, die Mittel aus dem Verkauf von Funkfrequenzen für den Breitbandausbau nutzen zu wollen, als richtigen Schritt. Jedoch könne mit den zu erwartenden Erlösen der Bedarf nicht annähernd gedeckt werden. Aus diesem Grund fordert Verband von der Bundesregierung, Mittel aus dem Bundeshaushalt zur Verfügung zu stellen.
Am wenigsten Vorhaben hat die Bundesregierung im Handlungsfeld Digitale Wirtschaft und digitales Arbeiten umgesetzt. Gleichzeitig hat Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel Eco zufolge aber auch einige der wichtigsten netzpolitischen Rahmenbedingungen zu gestalten. Dazu zählen die WLAN-Störerhaftung und die Netzneutralität.
Im Bereich Netzneutralität ist die Regierung im Dezember selbst tätigt geworden. Sie präsentierte ein erstes Konzept für eine Regelung auf europäischer Ebene. Eco befürwortet den Vorschlag als möglichen Kompromiss zur Netzneutralität, da er den seit langem geforderten rechtlichen Rahmen für qualitätsgesicherte IP-Dienste liefert, ohne andere Dienste und Anwendungen im offenen Internet zu diskriminieren. So sei sowohl der Transparenz als auch dem Wettbewerb gedient.
Einen konkreten Gesetzesvorschlag zur Störerhaftung gibt es bislang nur von der Opposition. Dieser fordert die Abschaffung der Regelung und soll die Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber verbessern. Den Entwurf hat der Bundestag im November 2014 debattiert.
Bei der Modernisierung des Urheberrechts bemängelt Eco das Fehlen von Fortschritten. Die Bundesregierung fokussiere sich zu sehr auf eine Verschärfung der Rechte am geistigen Eigentum sowie auf Rechtsdurchsetzung und Kriminalisierung. Die EU hingegen hat die Anpassung des Urheberrechts an die Bedürfnisse der Informationsgesellschaft im Blick.
Das Barometer Netzpolitik lobt die Regierung allerdings mit Blick auf eine zügige Einigung bei der Datenschutzgrundverordnung. Der Verband der deutschen Internetwirtschaft bezeichnet ein europäisches Datenschutzrecht als einen Standortvorteil für die deutsche und europäische Wirtschaft. Dafür müsse aber “gerechter, praxistauglicher und zukunftsfähiger Ausgleich zwischen Informations- und Meinungsfreiheit, Persönlichkeitsschutz und wirtschaftlicher Datenverarbeitung gefunden” werden.
Erste Bewegung komme in das Thema Neues Arbeiten, das Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles im Rahmen ihres Dialogprozesses Arbeiten 4.0 weiter vorantreibt.
Seit Sommer 2014 überarbeitet die Koalition den Jugendmedienschutzstaatsvertrag und erzielt Eco zufolge dort die meisten Fortschritte. Allerdings legt sie dabei zu sehr Wert auf verpflichtende gesetzliche Maßnahmen oder technische Regelungen. Die Diskussion zu einer Novellierung des Vertrages zeige aber, dass eine Regulierung von technischen Lösungen allein keine zeitgemäße Maßnahme sei.
Freiwillige Alterskennzeichnungen, Jugendschutzprogramme oder Voreinstellungen können nur einen Baustein in einer Gesamtstrategie von Jugendschutzmaßnahmen darstellen, so Eco weiter.
In diesem Bereich der Digitalen Agenda hat sich im vergangenen halben Jahr das meiste getan. Dazu gehört zum Beispiel das Förderprogramm “Digitale Medien in der beruflichen Bildung” und der Ausbau der Hightech-Strategie zur ressortübergreifenden Innovationsstrategie. Eco bezeichnet diese als wichtige Grundlagen für eine zukunftsweisende Bildungs- und Forschungspolitik.
Ein wichtiger Begriff des Themengebietes ist Medienkonvergenz. Die rechtliche Begleitung und interessengerechte Ausgestaltung des zunehmenden Zusammengehens unterschiedlicher Medienformen ist eine der zentralen Herausforderungen für die Medien- und Internetpolitik.
Den ersten Schritt hat die Bundesregierung mit der Einsetzung einer Bund-Länder-Kommission “Medienkonvergenz” getan. Parallel sei auf europäischer Ebene eine Fortentwicklung und Öffnung der Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste notwendig. Hier gebe es bislang noch keine nennenswerten Entwicklungen.
Bundesinnenminister Thomas de Maiziére hat mit dem Gesetzesentwurf zum IT-Sicherheitsgesetz das wahrscheinlich wichtigste Projekt präsentiert. Es schreibt unter anderem Mindeststandards und eine Meldepflicht vor. Offene Frage gebe es aber noch Zusammenhang mit dem europäischen Gesetzgebungsverfahren für eine Richtlinie zur Gewährleistung einer hohen gemeinsamen Netzwerk und Informationssicherheit (NIS-Richtlinie).
Eco fordert daher eine inhaltliche Einbettung und Verzahnung mit der europäischen NIS-Richtlinie sowie einen stärkeren Fokus auf die kritischen Infrastrukturen und deren Betreiber.
In Deutschland existiere im Vergleich zu anderen Ländern ein überdurchschnittlich hohes Sicherheitsniveau, erklärt der Verband der deutschen Internetwirtschaft. Dies sei wesentlich auf partnerschaftliche Projekte zwischen Wirtschaft und Staat auf nationaler und europäischer Ebene sowie Initiativen der Internetwirtschaft zurückzuführen. Aus Sicht von Eco sollte dieser erfolgreiche Ansatz von der Bundesregierung mit hoher Priorität intensiviert und fortgeführt werden.
Das Internet kennt keine Landesgrenzen, dem entsprechend verlangen viele netzpolitische Fragestellungen auch internationale Lösungen. Ein Blick auf das Eco Barometer Netzpolitik in diesem Handlungsfeld zeigt, dass die Bundesregierung die Bedeutung der internationaler Kooperation im Bereich Netzpolitik erkannt hat und sich aktiver beispielsweise in die multilateralen Konsultationen im Bereich Internet Governance sowie in den europäischen Prozess zur Entwicklung eines gemeinsamen Rechtsrahmens für elektronische Kommunikation einbringt.
Das eco Barometer Netzpolitik bewertet ab sofort halbjährlich, welche Fortschritte die Bundesregierung in unterschiedlichen Bereichen der Digitalen Agenda macht.
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