Gesetzentwurf soll Störerhaftung einschränken
Der Entwurf des Bundeswirtschaftsministeriums für offenes WLAN stößt auf Kritik. Eigentlich soll er mehr Rechtssicherheit für Hotspot-Betreiber gewährleisten, allerdings knüpft das Gesetz die Einschränkung der Störerhaftung an zahlreiche Bedingungen. Außerdem enthält es unklare Formulierungen.
Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf zur Einschränkung der Störerhaftung vorgestellt. Nach monatelangen Diskussionen einigte sie sich auf eine Änderung des Telemediengesetzes, um Hotspot-Betreibern mehr Rechtssicherheit beim Ausbau offener WLAN-Netze zu bieten. Der vom Bundeswirtschaftsministerium veröffentliche Referentenentwurf (PDF) enthält jedoch einige Einschränkungen, die die Internetwirtschaft kritisieren.
Der Entwurf sieht eine Änderung des Paragraf 8 des Telemediengesetzes vor, um die im Koalitionsvertrag vereinbarte Abschaffung der WLAN-Störerhaftung umzusetzen. Der Paragraf, der Provider von der Haftung freigestellt, soll um zwei Absätze ergänzt werden. Er soll in Zukunft ebenfalls für geschäftsmäßige Anbieter und öffentliche Einrichtungen gelten, “die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen”.
Infolgedessen müssten sie allerdings “zumutbare Maßnahmen” ergreifen, um Missbrauch zu unterbinden. Die Bundesregierung zählt dazu unter anderem “anerkannte Verschlüsselungsverfahren”, mit denen verhindert werden soll, dass “außenstehende Dritte” Zugriff auf das WLAN erhalten. Darüber hinaus benötigen die Hotspot-Betreiber vor Bereitstellung des Zugangs eine Erklärung der Nutzer, dass diese “im Rahmen der Nutzung keine Rechtsverletzungen begehen”.
Einschränkungen für Privatpersonen
Der Gesetzentwurf zur Störerhaftung enthält weitere Beschränkungen für “sonstige Diensteanbieter” – also Privatpersonen oder Freifunker. Um von der Haftung freigestellt zu werden, müssen sie “die Namen der Nutzer kennen, denen sie den Zugang gewährt haben”. Damit widerspricht der Entwurf aber Paragraf 13 des Telemediengesetzes. Dieser besagt unter anderem, dass Diensteanbieter “die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym” ermöglichen müssen.
Internetwirtschaft und Digitalverbände hatten die geplanten Änderungen bereits anlässlich der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages kritisiert. “Die Störerhaftung zu beseitigen, und dabei gleichzeitig Identifikations- und Dokumentationspflichten für den WLAN-Betreiber einzuführen, würde dem Ziel eines flächendeckenden offenen Internetzugangs einen Bärendienst erweisen. Eine solche Lösung wäre kontraproduktiv und würde die gegenwärtige, wenig zufriedenstellende Lage keineswegs verbessern”, sagte etwa Volker Tripp, Politischer Referent des Vereins Digitale Gesellschaft.
Entwurf schafft “bürokratischen Aufwand”
“Erheblichen Nachbesserungsbedarf” sieht auch der Verband der deutschen Internetwirtschaft (eco). “Der Gesetzentwurf bleibt leider hinter unseren Erwartungen zurück. Ich bin skeptisch ob die vorgeschlagene Regelung tatsächlich zu einer Verbesserung der Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber führt”, erklärte Oliver Süme, Vorstand Politik und Recht beim eco.
Seiner Ansicht nach sei es im Grunde sinnvoll, Klarheit zu schaffen, dass WLAN-Betreiber auch Zugangsanbieter im Sinne des Telemediengesetzes sind, aber der Entwurf mache die dort geregelte Haftungsprivilegierung von Aufklärungs- und Sicherungsmaßnahmen abhängig.
“Anstatt einen einfachen und unkomplizierten Zugang zu öffentlich zugänglichen WLAN-Diensten zu ermöglichen wird dies durch Anmelde- und Registrierungsprozesse konterkariert und bürokratischer Aufwand geschaffen. Statt die bestehende Rechtsunsicherheit zu beseitigen wird damit ein Haftungsrisiko für die WLAN-Betreiber geschaffen”, so Süme weiter.
“Gefahrengeneigter Dienste” bleibt unklar
Außerdem übt der eco Kritik an der im Entwurf vorgeschlagenen Regelung, dass bestimmte Speicherdienste, deren Geschäftsmodell im Wesentlichen auf der Verletzung von Urheberrechten beruht, sich nicht auf das für Hosting-Anbieter geltende Haftungsprivileg berufen können.
“Es ist völlig unklar, was unter dem neu eingeführten Begriff sogenannter ‘gefahrengeneigter Dienste’ zu verstehen ist. Die Vermutungsregelung und Regelbeispiele weisen eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe und unklarer Formulierungen auf. Sie tragen zu keiner Verbesserung beim Schutz der Interessen von Rechteinhabern bei und haben durch die Veränderung des etablierten Haftungsgefüges zudem den Nachteil, dass sie zu einer unabsehbaren Rechtsunsicherheit für sämtliche Hosting-Anbieter führen können”, sagt Süme. Insbesondere auf cloudbasierte Dienste könne sich die vorgeschlagene Regelung kontraproduktiv auswirken.
Entwurf geht am eigentlichen Ziel vorbei
Ähnlich Bedenken äußern auch Anwälte für Internet- und Medienrecht. Durch die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe wie “zumutbare Maßnahmen” gehe der Gesetzentwurf an dem eigentlichen Ziel vorbei, mehr Rechtssicherheit für Gewerbetreibende zu schaffen, erklärte etwa Johannes von Rüden von der Berliner Kanzlei Werdermann von Rüden.
Sein Kölner Kollege Christian Solmecke von der Kanzlei Wilde Beuger Solmecke stört sich ebenfalls an unklaren Formulierungen im Referentenentwurf, durch die teilweise eine Rechtsunsicherheit entstehe, etwa “wie weit die zumutbaren Maßnahmen, die Privatpersonen im Sinne des Gesetzes treffen müssen, reichen”. Zwar sei der Entwurf “ein richtiger und wichtiger Schritt in die richtige Richtung”, aber es bestehe noch erheblicher Diskussions- und Klärungsbedarf, insbesondere was die Regelung der Verschlüsselung betreffe.
“Die Vorgabe einer adäquaten Verschlüsselung ist genau das Gegenteil von einem öffentlichen W-LAN-Netz. Die Verschlüsselung verhindert, dass Passanten und Gäste sich einfach in das Netz einloggen können. Das offene W-LAN ist gerade dazu da, freien Zugang zum Internet zu haben, ohne vorher irgendwelche ‘Hürden’ überwinden zu müssen.”
[mit Material von Björn Greif, ZDNet.de]