Die NSA hat offenbar nicht nur die französische Wirtschaft ausspioniert, sondern auch die deutsche Industrie. Das zeigen Unterlagen von Wikileaks. Diese enthalten 69 Telefonnummern, die dem Wirtschaftsministerium, dem Finanzministerium, dem Landwirtschaftsministerium sowie der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Aktivitäten der NSA in Deutschland sollen bereits Ende der Neunziger Jahre begonnen haben.
Eine der Selektorenlisten der NSA enthält einem Bericht der Süddeutsche Zeitung zufolge die Telefonnummern des früheren Wirtschaftsministers Werner Müller (1998 bis 2002), die Nummer des persönlichen Faxgeräts des Ministers sowie die Nummern der Telefonzentrale und des zentralen Fax des Ministeriums. Im Finanzministerium überwachte die NSA den Anschluss des Finanzministers, Nummer unterschiedlicher Staatssekretäre und deren Referenten.
Auch der britische Geheimdienst GCHQ habe sich an einigen Abhöraktionen beteiligt. Wahrscheinlich stamme die Liste aus den Jahren 2010 bis 2012. Aber Telefonnummern seien auch bestimmten Personen wie Oskar Lafontaine zugeordnet. Dieser war von Herbst 1998 bis Frühjahr 1999 Finanzminister. Noch ist nicht bekannt, ob alle Selektoren seit Ende der Neunziger Jahre oder nur zeitweise aktiv waren. Einige Telefonnummern enthielten noch die Bonner Vorwahl.
Wikileaks hat außerdem mehrere Abhörprotokolle veröffentlicht. Unter anderem eines über die Unterhaltung zwischen Kanzlerin Angela Merkel und ihrem persönlichen Assistenten sowie Kommunikation von Nikolaus Meyer-Landrut, Leiter der Abteilung Europapolitik im Bundeskanzleramt.
Das Merkel-Dokument stamme vom 11. Oktober 2011, so Wikileaks weiter. Es beinhalte die Ansichten der Kanzlerin zur Finanzkrise in Griechenland sowie Meinungsverschiedenheiten mit Kabinettsmitgliedern wie Finanzminister Wolfgang Schäuble. Dem Protokoll zufolge befürwortet Merkel auch die Einführung einer von der britischen Regierung abgelehnten Finanztransaktionssteuer. “Das geheime Abhörprotokoll hat die NSA an den britischen Geheimdienst weitergeleitet”, schreibt Wikileaks.
“Die heutigen Veröffentlichungen belegen, dass die Wirtschaftsspionage der USA auch Deutschland und wichtige EU-Institutionen sowie Bereiche wie die Europäische Zentralbank und die Krise in Griechenland betrifft”, kommentierte Wikileaks-Gründer Julian Assange. “Die Veröffentlichung zeigt aber auch, wie Großbritannien die Vereinigten Staaten bei ihrer Spionage in Europa unterstützt.”
Bereits vor knapp einer Woche hatte Wikileaks Geheimunterlagen vorgelegt, die beweisen sollen, dass die NSA auch Mitglieder der französischen Regierung ausspioniert hat. Zwischen 2006 und 2012 wurden offenbar die Staatspräsidenten Jacques Chirac, Nicolas Sarkozy und Francois Hollande gezielt abgehört.
Auch die französische Wirtschaft stand im Fokus der NSA-Spionage. Wikileaks-Dokumenten zufolge standen etwa hundert französische Unternehmen auf der Spionageliste der NSA. Vor allem “Projekte mit Verbindungen zur Telekommunikation, Elektrizität, Gas, Erdöl, Atomkraft und erneuerbare Energien” seien für den Geheimdienst von Interesse gewesen.
[mit Material von Stefan Beiersmann, ZDNet.de]
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