Für den IT-Riesen IBM läuft es seit einiger Zeit nicht so gut. Wer den aktuellen Finanzbericht zum zweiten Quartal 2015 liest, dem wird auffallen, dass darin zwei Wörter besonders häufig auftauchen: “decrease” und “down”. Da geht offensichtlich etwas bergab.
Zusammengefasst hat das die Nachrichtenagentur dpa: Demnach meldet IBM jetzt das 13. Quartal in Folge einen sinkenden Umsatz. Die Erlöse gingen im Vergleich zum Vorjahresquartal um 14 Prozent zurück, der Gewinn sank um 17 Prozent.
Vor allem die Hardware scheint es nicht mehr so richtig zu bringen. Die Erlöse aus der Hardware-Sparte gingen um 32 Prozent nach unten, was allerdings auf den Teilverkauf des Server-Geschäfts an Lenovo zurückzuführen ist. Immerhin scheinen die Großrechner von IBMs Z13-Familie nach wie vor gute Gewinne zu machen. Sie sind entgegen aller Vermutungen nach wie vor für viele Kunden wichtig und einer der profitabelsten Bereiche.
Fairerweise muss man auch hinzufügen, dass IBMs Cloud-Geschäft ein Umsatzplus von 50 Prozent verzeichnet. Doch insgesamt sind das für den IT-Riesen wenig erfreuliche Zahlen. Da ist es kein Trost, dass auch Microsoft gerade einen Rekordverlust – wenn auch mit mildernden Umständen – melden muss.
Woran liegt es also? Die offensichtliche Erklärung ist die, dass der seit Jahren beschworene Wandel vom Hardware-Anbieter zum Spezialisten für Big Data und Cloud-Dienste offensichtlich nicht so schnell geht, wie man sich das bei IBM wünscht.
Dabei ist IBM gerade im Softwarebereich ziemlich stark, beispielsweise bei Big Data und Business Analytics. Wobei einem hier der hämische Gedanke durch den Kopf geht, dass die famose Business-Analytics-Software, die angeblich vorausschauende Marktanalysen ermöglicht, bei IBM selbst anscheinend nicht im Einsatz ist. Oder nichts geholfen hat.
Manche Analysten meinen, IBM hätte den Trend zum Cloud Computing zu spät erkannt. Wichtiger ist wohl, dass es gerade beim Cloud Computing eine Menge starker Konkurrenz gibt. Fujitsu, Amazon, Microsoft, Cisco, Dell, Salesforce, alle tummeln sich in der Cloud. Jeder, der schon mal ein Glasfaserkabel in der Hand gehabt hat, drängt ins Cloud-Geschäft. Dass der IT-Riese gravierende Managementfehler gemacht hätte, ist eigentlich nicht zu erkennen.
In diesem Zusammenhang denkt man daran, dass IBM sich praktisch alljährlich selbst zum Patent-Weltmeister erklärt. 2014 hat das Unternehmen allein in den USA 7000 Patente bekommen. Viele davon stammen aus dem Softwarebereich, sie beziehen sich also auf Technologien, die für Cloud-Dienste, Big Data, Analytics, aber auch Social Media und Mobile wichtig sind. Also genau jene Bereiche, in denen IBM durchstarten möchte. Aber das richtig durchschlagende Patent für innovative Produkte mit Alleinstellungsmerkmal scheint da nicht dabei zu sein.
Ehemalige IBM-Mitarbeiter, die heute längst in Rente sind, werden jetzt vielleicht an die Selectric denken, IBMs legendäre Kugelkopfschreibmaschine, die 1961 auf den Markt kam. Das war ein geniales Ding. Durch den austauschbaren Kugelkopf konnte eine gut geschulte Schreibkraft ihre Tippgeschwindigkeit von 50 auf 90 Wörter pro Minute steigern.
Das und andere Qualitäten machte die IBM Selectric für Jahrzehnte zum Meilenstein der Bürotechnik. Später konnte man die Schreibmaschine sogar an den IBM-Großrechner System 360 anschließen. Seit 1964 konnte die Schreibmaschine in Kombination mit einem Magnetband Texte speichern und darf deshalb als Vorläufer der Textverarbeitung gelten. Heute ist die Selectric ein Designklassiker, der es sogar auf eine Briefmarke geschafft hat.
Die Selectric hatte alles, was ein Produkt für lange Zeit erfolgreich macht. Innovative Technik mit hohem Nutzwert, Flexibilität und Aufrüstmöglichkeiten für vielfältige Nutzung – und ein markantes Design. Das alles war durch eine Reihe von Patenten vor Nachahmern geschützt. Mehr kann sich ein Hersteller nicht wünschen.
Heute steht die Selectric als Design-Ikone im Museum. Beim Cloud Computing ist sie keine große Hilfe mehr.
Auch sonst hat sich manches zum Nachteil von IBM entwickelt. Früher musste sich der Kunde an IBM wenden, wenn er einen Kugelkopf mit anderem Schriftsatz haben wollte. Schöne alte proprietäre Welt.
Heute dagegen will keiner mehr proprietäre Technik haben, die Ära der offenen Standards ist angebrochen, übrigens von IBM selbst massiv propagiert. Wer einen Software-Service oder einen Cloud-Dienst abonniert, will nicht nur wissen, was die Technik kann, er will auch wissen, ob die Daten mit anderen Software-Plattformen austauschbar und zu ihnen kompatibel sind.
Damit wird es für Firmen wie IBM aber auch Microsoft immer schwieriger, dem Produkt ihr unverwechselbares Markenimage aufzudrücken. Cloud-Dienst ist halt Cloud-Dienst und die Dashboards, Log-in-Portale und Collaboration Center sehen bei allen Herstellern ziemlich ähnlich aus. Design-Highlights wie sie ein Thinkpad-Notebook von IBM oder ein iPhone setzen können, sind da nicht in Sicht.
Die Kunden wollen wissen, ob alles reibungslos funktioniert, was die Lizenz pro Monat kostet, wie das mit der Migration der Daten ist und ob das Rechenzentrum in Deutschland steht. Doch damit tritt auch das Markenimage immer mehr in den Hintergrund. Heute ist IBM einer von vielen Anbietern auf dem Business-Markt.
Was die Qualität von Hardware, Software und Service aus dem Hause IBM betrifft, haben die meisten Kunden immer noch das Vertrauen in die Seriosität eines großen Herstellers. Deshalb wird IBM aller Voraussicht nach früher oder später in die Gewinnzone zurückkehren.
Aber der Mythos von Big Blue ist endgültig entzaubert.
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