Self-Service Analytics: Keine Angst vor den ‘Guerilla-Tools’
Self-Service-Tools für die Datenanalyse wie die von Qlik oder Tableau verbreiten sich in den Unternehmen rasend schnell, häufig an der IT-Abteilung vorbei. Doch letztlich liegt es an der IT selbst, ebenfalls davon profitieren zu können.
An Tools für die Datenanalyse mangelt es bei deutschen Unternehmen offensichtlich nicht. Laut einer repräsentativen Umfrage des Bitkom sind in neun von zehn Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern Analytics-Lösungen bereits im Einsatz. Allerdings sollte das realistischerweise als nicht mehr als ein Anfang gesehen werden, denn die Werkzeuge sind nicht in allen Abteilungen gleich gut verbreitet.
Nach einer Studie von Deloitte werden Analyse-Tools vor allem in der Kostenrechnung, Buchhaltung, Bilanzierung, sowie für Warenwirtschafts- und -managementsysteme verwendet, also überwiegend für innen- und produktionsgerichtete Systeme. Bei nach außen gerichteten Entscheidungen, die sich beispielsweise auf die Vertriebsstrategie und die Kundenbeziehungen beziehen, würde laut Studie dagegen nicht in dem Maße auf Datenanalysen zurückgegriffen, wie es möglich sein könnte.
Das dürfte wohl mit ein Grund sein, warum Self-Service-Tools wie Tableau oder Qlik sich so rasend schnell in Unternehmen verbreiten. Es ist allerdings nicht der einzige Grund. Ein weiterer dürfte in der Tatsache liegen, dass Fachabteilungen oder einfache Business-User diese Tools in Eigenregie anschaffen, installieren und betreiben können, ohne Hilfe der IT-Abteilung – oft genug auch an der IT-Abteilung vorbei. Außerdem liegen die Lizenzgebühren für die Tools in einem Bereich, der aus dem Budget der Fachabteilung selbst tragbar ist.
“Land and expand”
Die Hersteller der Tools haben sich entsprechend voll auf eine “land and expand”-Strategie für ihren Vertrieb eingeschossen. “Wir gehen gezielt Anwender in Fachbereichen wie Produktion, Supply Chain, Marketing oder Vertrieb an”, sagt Lars Milde, Marketingleiter von Tableau im deutschsprachigen Raum. “Unser Versprechen lautet, ‘Wir können dir helfen, bessere Entscheidungen zu treffen und schneller Resultate zu zeigen’. Darüber bilden wir Champions im Unternehmen, die das Tool weiterempfehlen.” Ist sich ein solcher Champion erstmal vom Analysefieber befallen, bekommt er von den Herstellern reichlich Unterstützung, um auch die Kollegen anzustecken.
Tatsächlich besitzen die Tools auch einiges Potenzial, um Business-Nutzer die Beschäftigung mit Zahlen, Statistiken und Grafiken schmackhaft zu machen: Einfache und attraktive Benutzeroberflächen, relativ einfacher Datenimport, Schnittstellen zu den Datenbanken vieler Business-Anwendungen. Vor allem aber vermitteln sie dem Nutzer das Gefühl, schnell und einfach Einsichten über sein Geschäft zu gewinnen. “Ich bin jetzt seit 21 Jahren in der IT und bin es gewohnt, dass Anwender die IT am liebsten von hinten sehen, nämlich wenn sie wieder geht. Mit Produkten wie Tableau mache ich eine völlig andere Erfahrung. Ich löse Begeisterung aus”, sagt Alexander Beck, Kundenbetreuer beim IT-Dienstleister Insight Dimensions, der herstellerunabhängig arbeitet und Lösungen verschiedener Anbieter im Programm hat.
“Self-Service-Tools sind mit Sicherheit ein Weg, die Datenanalyse unternehmensweit voranzutreiben”, sagt Nicolai Andersen, Leiter Innovation beim Beratungsunternehmen Deloitte. “Sie schaffen es, Fachabteilungen schnell an das Thema heranzuführen und das Vorurteil abzubauen, dass Analytics viel zu komplex ist. Die Tools helfen, durch verhältnismäßig einfache Visualisierung und Analyse von Daten Zusammenhänge aufzuzeigen, die vorher nicht so klar waren.”
Man wird damit leben müssen
Es gibt gute Gründe davon auszugehen, dass das Thema Self-Service-BI die IT in nächster Zeit noch intensiver beschäftigen wird:
- Praktisch alle unabhängigen BI-Anbieter arbeiten an Lösungen, die Business-Nutzer direkt ansprechen können – oder sie bauen existierende Produkte weiter aus, wie im Fall von Tibco Spotfire. Zudem drängen einige spezialisierte Anbieter wie Jedox, Yellowfin oder Birst in den Markt, von denen in Zukunft mehr zu hören sein wird.
- Alle namhaften Anbieter großer Anwendungen wie SAP, Oracle oder Salesforce arbeiten fieberhaft daran, die Benutzeroberflächen der eigenen Lösungen so weiterzuentwickeln, dass Business-Nutzer einfacher als bisher damit umgehen können. Produkte wie Salesforce Analytics setzen hier bereits Maßstäbe.
- Microsoft steigt mit seinem Power BI demnächst in den Ring. Power BI ist momentan noch in einer frühen Phase und kann bei weitem nicht mit Tableau oder Qlik mithalten. Doch Microsoft ist bekannt dafür, seine Produkte konsequent weiterzuentwickeln und sie intelligent mit Produkten wie Office bündeln zu können.
Haben Self-Service-Tools erst den Weg ins Unternehmen gefunden, bleibt der IT wohl nichts anderes übrig, als das beste daraus zu machen. Potenzial dazu bieten die Tools allemal. Beispiele namhafter Firmen, die Qlik und Tableau vielseitig einsetzen, gibt es inzwischen reichlich. Das Marktforschungsinstitut GfK beispielsweise überwacht mithilfe von Tableau die Zahlen seiner Niederlassungen und Tochtergesellschaften.
Der Heizungshersteller Zehnder hat Qlik an sein SAP-System angeflanscht und analysiert darüber Leistungsdaten aus fast allen Unternehmensbereichen. Auch Großunternehmen sind inzwischen mit von der Partie, zum Beispiel Vodafone (Qlik) oder der indische Nutzfahrzeughersteller Ashok Leyland (Tableau).
Chance für die “große” Lösung
Laut Andersen bekommt die IT über die Self-Service-Tools die Gelegenheit, einen entscheidenden Schritt in Richtung einer unternehmensweiten Analytics-Lösung voranzukommen. Gleichzeitig warnt er davor, bei diesem Thema nicht zu klein und vor allem nicht zu kurzfristig zu denken.”Self-Service-Tools sind gut für die explorative Datenanalyse, wenn in der bestehenden Datenbasis nach Erkenntnissen gesucht wird. Entdeckt man aber Zusammenhänge, die man regelmäßig im laufenden Betrieb im Auge behalten will, dann sollte diese Aufgabe in das Standard-Reporting und die dafür besser geeigneten Tools überführt werden”, empfiehlt Andersen. Self-Service-Tools sollten als ein Element in einer langfristigen Reporting-Roadmap betrachtet werden.
Beim Standard-Reporting wird auf die Daten großer Anwendungen wie SAP zugegriffen und es bietet sich an, sich zunächst auch die Produkte der entsprechenden Hersteller näher anzuschauen. Sie alle haben in den letzten Jahren in Datenanalyse investiert und haben inzwischen mächtige Produkte im Portfolio, bei SAP beispielsweise ist es Lumira, bei Salesforce ist es die Analytics Cloud. Man muss also nicht zwangsläufig bei Tableau oder Qlik hängenbleiben.
“Wenn man an dem Punkt angelangt ist, wo die Self-Service-Tools für das Standard-Reporting eingesetzt werden sollen, stößt man meist an ihre Grenzen”, sagt Andersen. Entsprechend sollte es von Anfang an eine Roadmap für das Reporting geben, die auch Tools beinhaltet, die dem Unternehmen auch im Regelprozess stabil und effizient Berichte liefern. “Deswegen empfiehlt Andersen, dass die IT sich schon sehr früh in diese Art von “Guerilla-Einführung” der Datenanalyse einklinkt und sie im Auge behält.
Ob die Entscheidung schließlich für die “großen” Reporting-Tools fällt oder ob man lieber mit den Self-Service-Tools weitermacht, muss jedes Unternehmen und seine IT-Abteilung nach eigenen Gesichtspunkten beurteilen. Auch wenn die anwendungseigenen Reporting-Tools oft tiefer in die eigenen Daten graben und deswegen in Sachen vorausschauende Analysen mehr herausholen können: Es gibt reichlich Beispiele dafür, dass an große Anwendungen angedockte Self-Service-Tools Resultate liefern, mit denen Unternehmen durchaus leben können.