Unified Communications – Der Zweck bestimmt die Auswahl
Unified-Communication-Systeme unterscheiden sich von vielen anderen Softwareprodukten durch starke Einbindung in den Geschäftsablauf und der hohen Integration mit anderen Komponenten der ITK-Landschaft. Daher muss sich die Auswahl besonders daran orientieren, wie ein Produkt in die bestehende Infrastruktur passt.
Wie schön, wenn Anrufe, Mails oder Faxe an jedem Medium ankommen und von jedem Endgerät gleichermaßen verschickt werden können! Wenn Anrufer nicht fünfmal wählen müssen, bis sie den richtigen Ansprechpartner am Apparat haben oder diesem zumindest eine Nachricht hinterlassen können. Wenn auch mobile Mitarbeiter voll in den Informationsfluss eingebunden sind, neue Kommunikationsformen wie Chat oder SMS professionell archiviert und dokumentiert werden, so dass es den Compliance-Regeln entspricht.
Für solche und ähnliche Aufgaben sind UC-Systeme zuständig. Deren Vielfalt ist groß, und wo sie ihre besonderen Stärken haben, liegt häufig daran, aus welchen Bereichen ihre Hersteller ursprünglich kommen. Denn die Anbieter von UC-Produkten stammen aus unterschiedlichen Lösungsfeldern: Manche, etwa Alcatel-Lucent Enterprise, aus der Telekommunikationswelt, andere aus dem Bereich Vernetzung wie Cisco, wieder andere waren oder sind vor allem als Anbieter von Business-Software ein Begriff, etwa Microsoft oder Oracle. Diese Fokussierung sollten Anwender im Auge behalten, wenn sie sich das für ihr Unternehmen geeignete Produkt auswählen.
Ganz grundsätzlich gilt es zu entscheiden, ob man lieber eine eigene Plattform implementiert, oder aber auf die sich derzeit stark entwickelnden Cloud-Serviceangebote (UCaaS) zurückgreift. Gerade Kleinunternehmen sind möglicherweise mit einer externen Lösung, die als Service bezogen wird, besser bedient – sie müssen dafür keinen eigenen Supportaufwand betreiben und keine Geräte bezahlen. Wer dagegen ohnehin eine interne ITK-Abteilung mit ausgeprägtem Kommunikationsanteil hat, wird derzeit wohl noch häufig eine Softwareplattform im eigenen Haus etablieren. Wie dies in fünf Jahren ist, kann heute niemand sicher sagen. Fest steht aber, dass Serviceangebote stark wachsen. Sie sind allerdings nicht der Gegenstand der aktuellen Marktübersicht, sondern werden in einer gesonderten Übersicht später im Jahr behandelt.
Ein weiterer kaufrelevanter Unterschied besteht in der geografischen Reichweite des Herstellers: Wenn ein international agierendes Unternehmen sich mit einer überall anwendbaren UC-Lösung ausstatten will, kommen vor allem große, ebenfalls international agierende Lieferanten in Betracht. Wer allerdings als Mittelständler den Schwerpunkt seiner (kommunikativen) Aktivitäten im Inland hat, kann durchaus auch einen der kleineren Lieferanten, deren Aktivitäten auf Deutschland konzentriert sind, in Erwägung ziehen. Bei solchen Unternehmen dürften KMU-Kunden möglicherweise besonders individuelle Betreuung, Kundennähe und Aufmerksamkeit finden.
Auch die Skalierbarkeit der Lösungen spielt eine Rolle: Unternehmen sollten darauf achten, dass sie keine Überkapazitäten erwerben, gleichzeitig aber die gewählte Lösung so weit skalierbar ist, dass Wachstum nicht innerhalb kurzer Zeit einen Umstieg erforderlich macht.
Weiter stellt sich die Frage, ob ein umfassendes System gesucht wird, oder ob die bestehende Landschaft aus Anwendungen und Telekommunikationssystemen, etwa der TK-Anlage, lediglich um einige wenige Funktionen erweitert werden soll. Denkbar ist beispielsweise der Ausbau der bestehenden Infrastruktur um Videokonferenz-Funktionen. Dafür ist nicht unbedingt eine komplette UC-Plattform notwendig. Hier eignen sich auch Spezialprodukte mit Inselcharakter, die aber in der vorliegenden Marktübersicht nicht auftauchen. In ihr geht es allein um Plattformen mit einem relativ umfassenden Funktionsumfang. Sie sollen der gesamten oder einem Teil der Unternehmens-Kommunikationslandschaft einen durchgängigen Charakter zu geben und damit viel Doppelarbeit, Zeitverluste und Ähnliches verhindern.
Es liegt daher nahe, dass Unternehmen, die beispielsweise auf der Anwendungsseite eine Microsoft-Welt betreiben, gern auch auf Microsoft Lync (Skype for Business) zurückgreifen werden. Wer durchgängig mit Cisco-Netzwerkswitches vernetzt ist, wird wohl häufig auch geneigt sein, sich beim Thema UC auf Cisco zu verlassen.
Besonders sorgfältig sollten Unternehmen darauf achten, dass die gewählte Plattform auch wirklich mit den internen Anwendungen, etwa SAP, integrierbar ist.
Denn der volle Nutzen von UC zeigt sich besonders da, wo umständliche Mehrfachaufrufe von Applikationen nicht mehr nötig sind: Kann man Kunden direkt aus der SAP-Applikation heraus anrufen, spart das viel Zeit. Die meisten UC-Plattformen bieten heute reichhaltige Integrationsmöglichkeiten über unterschiedliche Schnittstellenformate an. Der Aufwand von Integrationen dürfte sich aber von Fall zu Fall unterscheiden und sollte unbedingt in die Auswahl des Produktes einfließen.
Auch wer etwas exotischere Medien wie SMS oder Social Media für geschäftsrelevante Kommunikationsvorgänge nutzen möchte, muss aufpassen. Gerade letzteres (Social Media) wird durchaus noch nicht von allen Anbietern unterstützt.
Zudem sollte die Plattform möglichst offen sein. Denn vielleicht möchte man nicht alle Module vom gewählten Anbieter beziehen, sondern bereits vorhandene Komponenten, etwa die alte Kommunikationsanlage, behalten. Oder man möchte vielleicht später bei einigen Komponenten, zum Beispiel Videoconferencing, ein Angebot eines anderen Anbieters nutzen, weil dies beispielsweise komfortabler zu bedienen ist oder interessante Funktionen bietet. Zunehmend werden auch Teile der UC-Funktionen als Service aus der Cloud bezogen, andere dagegen on premises erbracht. UC-Plattformen sollten also modular aufgebaut sein.
Support ist eigentlich selbstverständlich. Doch beim Wie scheiden sich die Geister. Manche Unternehmen legen Wert darauf, dass sie im Notfall erst mal der vertraute Händler. Die Anbieter unterscheiden sich in diesem Punkt – meist, aber nicht immer ist der Händler der Ansprechpartner Nummer 1.
Die meisten UC-Plattformen bieten heute Presence-Funktionen an. Natürlich ist es vorteilhaft, wenn Anwender wissen, wo sich ihre Kollegen aufhalten und ob sie erreichbar sind. Allerdings erfordert die Bereitstellung derartiger Informationen in Deutschland Absprachen mit dem Betriebsrat, da sie unter Umständen den Datenschutz beeinträchtigen. Hier sollte man schon im Vorfeld der Produkteinführung den Kontakt zur Arbeitnehmerseite suchen und entsprechende Vereinbarungen treffen, damit nicht am Ende der UC-Einführung ärgerliche Auseinandersetzungen stehen.
Schließlich spielt natürlich auch der Preis eine Rolle. Leider erlauben die in diesem Punkt extrem spärlichen Auskünfte kaum eine Einschätzung – zu individuell seien die einzelnen Lösungen, heißt es gern, als dass man hier Preisangaben machen könne.
Das mag sein, ist aber keine vertrauensbildende Maßnahme. Produkthersteller sollten aber aufpassen, dass sie mit ihrer wenig transparenten Preispolitik ihre Kunden nicht schnell den Anbietern von Cloud-Services in die Arme treiben.