Was macht einen Digital Leader aus?
Die digitale Transformation polarisiert, so Max Hille, Analyst bei Crisp Research. Unternehmen in der DACH-Region begegnen dem digitalen Wandel mit unterschiedlichen Voraussetzungen – es beginnt die Suche nach Führungspersonen, die als Digital Leader die Digitalisierungsaktivitäten maßgeblich steuern werden.
Spätestens im Jahr 2015 sollte den meisten Unternehmen in der DACH-Region bewusst sein, welche strategischen Implikationen die Digitalisierung besitzt. Unstrittig ist, dass es sich dabei nicht mehr um ein reines IT-Paradigma handelt. Vielmehr geht es darum, auf Basis einer agilen Digital Infrastructure Fabric, also einer runderneuerten IT-Infrastruktur, neue Geschäftsprozesse und -Modelle zu entwickeln, das Arbeiten zu digitalisieren und den Kundenkontakt zu optimieren.
Nachdem mittlerweile viel über die Digitalisierungs-Theorie gesprochen wurde, ist es jetzt an der Zeit, konkret in die Umsetzung einzusteigen. Ein Großteil der Unternehmen ist aktuell allerdings noch auf der Suche nach den geeigneten Personen, die eine solche digitale Transformation im Unternehmen initiieren und vorantreiben können. Um herauszufinden, wie weit die Mittelstands- und Großunternehmen der DACH-Region bei der digitalen Transformation und der Suche und Förderung der Digital Leader sind, hat Crisp Research im Auftrag der Dimension Data Deutschland 503 Business- und IT-Entscheider aus Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern befragt. Ziel war es darüber hinaus, die befragten Entscheider erstmalig in einem Reifegradmodell zu charakterisieren und herauszufinden, welche Rolle sie im Rahmen der Digitalisierung einnehmen können.
Breites Anforderungsspektrum an den Digital Leader
Die Erwartungen an den Digital Leader zu seinem Erfolgsbeitrag im Rahmen der Digitalen Transformation und damit auch zum gesamten Geschäftserfolg sind enorm. Folglich sind auch die Anforderungen, welche die befragten Entscheider an einen potenziellen Digital Leader stellen umfangreich und vielseitig.
So soll ein Digital Leader in seiner Funktion gleichzeitig eine Vorbild- und Motivationsrolle einnehmen (87 Prozent Zustimmung), neue Ideen und Impulse durchsetzen (86 Prozent) digitale Skills der Mitarbeiter fördern (84 Prozent), die Digitalstrategie um- und durchsetzen (83 Prozent) sowie als Evangelist der Digitalisierung tätig sein (81 Prozent).
Weiterhin fordern auch gut vier von fünf der befragten Entscheider eine Vielzahl an Eigenschaften, die ein Digital Leader in ihren Augen erfüllen sollte. Dazu zählen strategisches, disruptives Denken, die aktive Förderung der Innovationskultur im Unternehmen sowie das kritisch-konstruktive Hinterfragen etablierter Geschäftsprozesse und IT-Systeme. Darüber hinaus soll der Digital Leader auch seine Mitarbeiter und Kollegen hinsichtlich digitaler Exzellenz fördern. Als Evangelist und Motivator soll er derjenige sein, der bei seinen Kollegen im Unternehmen das Interesse zur Weiterbildung ihrer Digital Skills weckt.
Das gesamte Anforderungsspektrum an die Digital Leader hinsichtlich der Wirkungsweisen und Soft Skills ist somit extrem breit. Die im Rahmen der Studie befragten Entscheider sind sich darüber hinaus einig, dass eine solche Person im Unternehmen existieren sollte, um die Planungen und Initiativen der Unternehmens im Rahmen der digitalen Transformation optimal zu unterstützen.
Leadership, Digital-First und umfangreiche Skills
Die genannten und von den befragten Entscheidern evaluierten Kriterien bilden einen wichtigen Teil für die Profilierung des Digital Leader. Um zu einer digitalen Führungsfigur zu avancieren ist es wichtig, ein breites Skill-Set zu besitzen. Das bedeutet, dass ein Digital Leader sowohl das theoretische Wissen wie auch die praktischen Fähigkeiten zu neuen digitalen Use Cases besitzen muss. Zu den Digital-Skills zählt daher auch die kontinuierliche Auseinandersetzung mit neuen Technologie-Trends beruflich wie privat.
Weiterhin muss der Digital Leader auch über klassische Führungsqualifikationen verfügen, um beispielsweise konkrete Impulse anzustoßen und durchzusetzen sowie auch gegen den Strom zu agieren und Konflikte lösen. Schlussendlich qualifizieren sich die Entscheider nur dann zu einem Digital Leader, wenn sie auch “Digital First” denken. Das bedeutet, dass der Digital Leader in der Digitalisierung vor allem eine große Chance für sich persönlich, das eigene Unternehmen und die gesamte Wirtschaft sieht. Er muss mögliche Bedrohungen zwar vor Augen haben, aber darf sich von ihnen nicht bremsen lassen. Ein Digital Leader sollte stattdessen stets ein Szenario entwickeln können, indem die Digitalisierung als Optimierungsvehikel und nicht als Hindernis fungiert.
Digital Leadership steckt noch in den Kinderschuhen
Ausgehend von diesen Messgrößen ist bereits offensichtlich, dass ein Digital Leader vor einer immensen Aufgabe steht. Dies gilt auch für die HR-Abteilungen der Unternehmen. Denn eine Person zu identifizieren, die diese Eigenschaften und Funktionen mehrheitlich erfüllen kann, ist nicht einfach. Insbesondere dann nicht, wenn diese Aufgaben noch zusätzlich zu seinen sonstigen Wirkungsbereichen anfallen. Es ist daher wichtig, dass die Unternehmen – trotz der Tatsache, dass ein Digital Leader grundsätzlich aus allen Abteilungen oder Hierarchieebenen hervortreten kann – eine explizite Management-Position schaffen, in der ein Digital Leader seine Aufgaben fokussiert wahrnehmen kann. Gemeinsam mit den notwendigen Budgets, Handlungsfreiräumen und einem ausgereiften Vertrauensverhältnis sind dies die wesentlichen Faktoren, die notwendig sind, um Digital Leadership und damit die Durchsetzung der Digitalisierungsstrategie im Unternehmen ermöglichen.
Es zeigt sich allerdings im Rahmen der Studie, dass dies noch nicht der Fall ist. Denn einerseits haben bislang nur 7 Prozent der Unternehmen eine Stelle für den Chief Digital Officer oder ähnliche erschaffen, die den Aufgabenbereich des Digital Leader abdecken kann. Darüber hinaus sieht etwa die Hälfte aller Entscheider (49 Prozent) einen erheblichen Nachholbedarf bei der Förderung der Digital Leader in ihren Unternehmen.
Folglich ist es beinahe nicht verwunderlich, dass sich bislang nur 7 Prozent der DACH-Entscheider im Rahmen des Reifegradmodells für das Prädikat “Digital Leader” qualifiziert haben. Das Gros der Entscheider befindet sich derzeit noch im Anfangs-Stadium und ist daher zumindest Stand heute nicht in der Lage, die Digitalisierungsaktivitäten der Unternehmen auf Mind-Set oder Skill-Ebene maßgeblich zu treiben.
Für Unternehmen, HR-Abteilungen und die Entscheider selbst ist eine gesunde Mischung aus Geduld und fortwährenden Anstrengungen gefordert. Denn nur so ist es möglich die digitalen Talente von heute und damit die Digital Leader von morgen gezielt zu fördern und zu qualifizieren.