Anwender zaudern bei S/4HANA

Die Potentiale sind erkannt, dennoch zögern die Anwender, weil die Business-Cases fehlen, die die Unwägbarkeiten des Migrationsaufwandes auf die neue In-Memory-basierte Business-Suite rechtfertigen würden.

S/4HANA ist offenbar ein wichtiger Punkt für SAP-Anwender. So setzen sich derzeit etwa zwei Drittel der Unternehmen, die SAP nutzen, aktiv mit der neuartigen Suite auseinander. Wie aber die Ergebnisse einer Untersuchung des Marktforschungsunternehmens PAC zeigt, erschließt sich der Mehrzahl der Nutzer die Wirtschaftlichkeit dieser Lösung noch nicht.

Viele Unternehmen sehen die Vorteile und wollen damit auch konkrete Ziele erreichen. Doch, wie die Autoren der Studie festhalten, stehen fehlende Business Cases und ein nur schwer zu kalkulierender Umstellungsaufwand in den allermeisten Fällen einer Migration entgegen. Als problematisch erachten 78 Prozent der Unternehmen den unwägbaren Umstellungsaufwand und 77 Prozent stören sich an fehlenden Business Cases. Daher würden auch in erster Linie Beratungs- und Migrationsleistungen sowie “das Heben von Innovationen” von extern nachgefragt.

Etwa zwei Drittel der Unternehmen setzen sich derzeit nicht aktiv mit der Einführung von S/4HANA auseinander. (Bild: PAC)
Etwa zwei Drittel der Unternehmen setzen sich derzeit nicht aktiv mit der Einführung von S/4HANA auseinander. (Bild: PAC)

Unternehmen, die eine digitale Transformation der Geschäftsmodelle anstreben, räumen zu 84 Prozent den bereits eingesetzten SAP-Systemen generell eine wichtige oder zentrale Rolle ein. Doch nicht alle werden stand heute diese Transformation auch mit der neuen Version S/4HANA umsetzen. 62 Prozent der Anwender gehen derzeit davon aus, dass ihr Unternehmen um die neue Produktgeneration früher oder später nicht herumkommen wird. Doch diese Migration wird aus Sicht der Anwender nicht wegen neuer Anforderungen im Unternehmen notwendig, sondern um an der SAP-Produktstrategie weiterhin teil zuhaben und somit von Weiterentwicklungen profitieren zu können. Nur ein Drittel der Befragten geht tatsächlich davon aus, dass S/4HANA eine Grundlage für innovative Geschäftsmodelle bietet.

Die PAC-Analysten relativieren aber, dass S/4HANA für die Anwender nicht nur lästige Pflicht ist, sondern auch Vorteile bietet. 90 Prozent der Befragten erwarten sich durch die neue Suite Performance-Steigerungen und eine Optimierung von Backend-Prozessen. Aus Sicht der Anwender aber profitiere der Bereich Finanzen und Controlling von der neuen Lösung.

Als weitere Vorteile sehen die Anwender Effizienzsteigerung bei SAP-gestützten Prozessen, Innovation in Richtung Realtime und der Verfolgung von Trendthemen wie Big Data oder Industrie 4.0 sowie Modernisierung der technischen Infrastruktur.

“Insgesamt betrachten die Firmen S/4HANA heute eher als einen Weg zu besseren SAP-Anwendungen. Das mögliche Innovationspotenzial in Richtung neuer Prozesse und Geschäftsmodelle ist ihnen dabei nicht präsent”, so Frank Niemann, Vice President – Software & SaaS Markets bei PAC und Autor der Studie.Das noch junge Produkt wird bereits von den ersten Innovatoren eingesetzt. Wie SAP zusammen mit den jüngsten Quartalszahlen bekannt gab,  verwenden derzeit etwa 1300 Anwender die neue Plattform. Dabei hat vielleicht auch die neue Einführungsmethodik SAP Activate geholfen, über die SAP einsatzfertige digitalisierte Geschäftsprozesse anbietet. Activate ist eine Kombination aus Best Practices, Methodik und geführter Konfiguration.

Laut PAC beschäftigen sich derzeit etwa zwei Drittel mit S/4HANA-Projekten. 36 Prozent der Unternehmen planen die Einführung in den kommenden Jahren. Fast 30 Prozent der Unternehmen diskutieren den Einsatz noch.

Bevor sich Unternehmen jedoch Gedanken über die neue Suite machen, starten sie mit In-Memory-Plattform SAP HANA. Gut drei Viertel der Befragten versprechen sich von S/4HANA vor allem die Einführung einer gemeinsamen Echtzeitplattform für transaktionale und analytische Workflows sowie die Verbesserung der User Experience durch SAP Fiori.

Aber auch eine leichtere und schnellere Konfiguration der SAP-gestützten Prozesse sowie die Reduktion der Komplexität von Prozessen und Datenmodellen sind wichtige Gründe für den Einsatz von S/4HANA.

Für die Studien-Autoren sei zudem die Tatsache erstaunlich gewesen, dass annähernd 40 Prozent derjenigen Unternehmen, die den Einsatz von S/4HANA planen oder diskutieren, einen Neuanfang wagen und ihre Systeme komplett neu aufsetzen möchten. Weniger erstaunlich dagegen ist, dass beim Betrieb der S/4HANA-Lösung je ein Drittel auf Eigenbetrieb, Hosting oder einen hybriden Absatz setzt – der reine Cloud-Betrieb ist dagegen nur in einer Handvoll Unternehmen relevant.

“S/4HANA ist keinesfalls bloß ein Upgrade bestehender SAP-Software, sondern ein neues Produkt, dessen Einführung sowohl Einfluss auf die IT-Infrastruktur als auch auf die Geschäftsprozesse hat. Dies geht einher mit der Transformation von Prozessen (Business) und der Systeme (Technik), was wiederum entsprechende Kompetenzen auf Seiten des IT-Dienstleisters sowie die Einbeziehung von IT und Business des SAP-Anwenderunternehmens erfordert“, fasst Niemann zusammen.

Im Zusammenhang mit der Einführung von S/4HANA fragen laut PAC Unternehmne IT-Beratung und Migrationsdienstleistungen mit 72 Prozent am häufigsten nach. Nur etwa ein Viertel investiert derzeit in kundenspezifische SAP-Softwareentwicklungen.

Für die Studie “S/4HANA – Relevanz für SAP-Kunden, Erwartungen und Hindernisse” wurden 100 SAP-Verantwortliche in deutschen Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern befragt. Die Studie wurde unterstützt von Dell und Intel als Premiumsponsoren sowie von arvato Systems und der SNP AG als Goldsponsoren.

Einen kostenlose Zusammenfassung zu der Studie gibt es hier.

 

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