Der Bundesverband IT-Mittelstand e.V. (BITMi) hat seine Kritik am Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht erneuert und die Kritikpunkte in einem Positionspapier zusammengefasst. Der Verband bemängelt daran grundsätzlich, dass es sich um ein multilaterales Übereinkommen handelt, an dem sich nicht alle EU-Länder beteiligen und hält eine Verordnung der Europäischen Union, die dann für alle EU-Mitgliedsstaaten gilt, für die bessere Lösung. Softwarebezogene Patente lehnt der BITMi zudem schon deshalb grundsätzlich ab, weil er der Ansicht ist, dass Computerprogramme in der EU bereits durch das Urheberrecht hinreichend geschützt sind.
Weil der europäische Softwaremarkt mit zehntausenden softwarebezogenen Patenten belastet sei, hätten mittelständische Softwareentwickler erhebliche Schwierigkeiten, bei der Softwareentwicklung sämtlichen Patenten auszuweichen. Zudem gebe es insgesamt viel zu viele Patente, die nie hätten erteilt werden dürfen. Laut BITMi ist fast die Hälfte aller Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren erfolgreich und führt zur teilweisen oder vollständigen Vernichtung des betroffenen Patents.
Da eigentliche Problem ist jedoch, dass laut Übereinkommen Patente – darunter auch diese “Spam”-Patente – vom neuen Patentgericht auch dann als Grundlage herangezogen werden sollen, wenn das Verfahren noch gar nicht abgeschlossen ist, mit dem überprüft wird, ob das Patent rechtsgültig ist. “Wir kennen diese Situation bereits aus Deutschland, wo Unterlassungsurteile Unternehmen dazu zwingen, ihre Produkte vom Markt zu nehmen. Wenn dann Jahre nach der Verurteilung zur Unterlassung das entsprechende Patent gerichtlich für nichtig erklärt wird, verbleibt für das beklagte Unternehmen trotzdem ein großer wirtschaftlicher Schaden”, so BITMi Präsident Oliver Grün in einer Pressemitteilung. Ihm zufolge brauchen vor allem kleine und mittelständische Unternehmen ein Patentsystem, das sie vor fragwürdigen Patenten schützt.
Große Konzerne stehen grundsätzlich zwar vor demselben Problem wie der Mittelatnd, haben aber andere Möglichkeiten es zu meistern. In jüngster Zeit gehen sie verstärkt dazu über, sich mit gegenseitigen Patentabkommen Handlungsfreiheit zu verschaffen. Das funktioniert aber natürlich nur, wenn jede Seite über ein Arsenal an Patenten verfügt, das sie in die Waagschale werfen kann. Derartige gegenseitige Patentabkommen unterzeichneten zuletzt etwa IBM und Western Digital, zuvor aber auch schon Microsoft und Google sowie Google und SAP.
Das LOT Network (License on Transfer Network) dem neben Google unter anderem auch Red Hat, SAS und Github angehören, hat es sich zudem zum Ziel gesetzt, gemeinsam für die Mitglieder die Gefahr zu reduzieren, durch Patenttrolle verklagt zu werden. Der Organisation zufolge entstehen der Industrie durch Klagen von Patentrollen pro Jahr insgesamt Kosten in Höhe von 29 Milliarden Dollar. Das Problem hat ihr zufolge in den vergangenen Jahren zugenommen und sich besonders in der Softwarebranche zur Innovationsbremse entwickelt beziehungsweise ist zum Geschäftsrisiko geworden.
Der BITMi fordert daher die teilnehmenden EU-Mitgliedsstaaten und insbesondere den Deutschen Bundestag auf, das Übereinkommen über ein Einheitliches Patentgericht nicht zu ratifizieren. In seinem Positionspapier (PDF) begründet der Verband diese Forderung damit, dass der IT-Mittelstand ein europäisches Patentsystem benötige, “welches den Unternehmen als Markteilnehmern Schutz vor dem umfangreichen Bestand an bereits erteilten fragwürdigen Patenten im Bereich der Software bietet. Für die mittelständische Softwarewirtschaft ist hierbei von zentraler Bedeutung, dass das Patentsystem die Durchsetzung von zweifelhaften Patenten zuverlässig verhindert. Das Verfahrensrecht muss sicherstellen, dass im Regelfall eine vollständige Überprüfung der Patenterteilung durchgeführt wird, bevor eine Verurteilung wegen einer vermeintlichen Patentverletzung erfolgen kann.”
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