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Von wegen Dinosaurier – DevOps auf dem Mainframe

Chris O’Malley war von 1988 bis 2010 bei CA Technologies vor allem auch für das Mainframegeschäft verantwortlich. Dann verließ er das etablierte Unternehmen und betreute im Senior Management und Vorstand Start-Up-Unternehmen wie Bluenog, Nimsoft, YJT Solutions oder VelociData. Doch der Mainframe hat ihn nicht mehr los gelassen: Seit 2010 verantwortet er Compuware und setzt sich dabei dafür ein, dass Unternehmen ihre Mainframe-Entwicklungen mit modernen Tools umsetzen können. An ein Aussterben der Mainframe-Plattform glaubt der Chicagoer nicht. Im Gegenteil, er sagt, er kenne kaum eine Migration die von einem Mainframe hätte wegführen sollen, die von wirtschaftlichem Erfolg gekrönt war.

silicon.de: Wer heute von Mainframe als Ökosystem spricht, hat stets ein Generationen-Problem im Hinterkopf. Wie lassen sich hippe Entwickler aus der Start-up-Szene oder Experten für App-Entwicklung heute in die Prozesse von Großunternehmen integrieren?

Chris O’Malley: Als ich von CA zu den verschiedenen Start-ups gewechselt bin, habe ich ganz neue Arbeitsweisen kennen gelernt. Viele Mainframer denken noch gemäß dem Wasserfall-Modell, bei dem die Softwareentwicklung in Phasen organisiert ist. Die Ergebnisse jeder Phase bilden die Vorgabe für die nächste Phase. Dieses lineare Modell funktioniert in der heutigen, schnelllebigen Welt aber nicht mehr.

Die Unternehmen können nicht mehr Schritt-für-Schritt vorgehen. Das führt zu viel zu langsamen Abläufen. Kleine Start-ups arbeiten einfach agil drauf los. Mitarbeiter in solchen jungen Unternehmen setzen heute Tools wie intuitive Dashboards, Drag-and-drop-Virtualisierung oder JIRA ein. Für spezifische Aufgaben werden Kompetenzteams gebildet.

Chris O’Malley will als CEO von Compuware vor allem agile Methoden auf den Mainframe bringen (Bild: Compuware).

So können sie erstaunlich schnell Anwendungen entwickeln. Die neuen Entwickler sind absolute IT-Cowboys, da sie hohe Freiheitsgrade haben und neue Landschaften erforschen. Hinzu kommt, dass Entwicklung und Betrieb nicht mehr in Silos getrennt sein können, sondern eng zusammenarbeiten müssen. Diesen Ansatz kennt man heute unter DevOps.

IT-Cowboys erforschen neue Landschaften

silicon.de: Ich stelle mir den Übergang von der Wasserfall-Methode zu einem DevOps-Ansatz durchaus holperig vor …

Chris O’Malley: Klar muss es im Management eine Vision geben, wohin die Lösungen führen sollen, und strategische Geschäftsentscheidungen. Im Augenblick gibt es sehr viele Unternehmen vor allem an der Westküste, die dank der agilen Methoden sehr schnell sehr viele Anwendungen entwickeln und auch wieder verwerfen. Das machen sie so lange, bis erfolgreiche Anwendungen dabei sind. Ein Vergleich mit der Entwicklung von mobilen Apps oder den Updates von Betriebssystemen ist hier durchaus hilfreich.

silicon.de: Sehen Sie in agilen Methoden denn eine Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens?

Groß kann klein nicht mehr schlagen!

Chris O’Malley: Unternehmen, die sich nicht hin zu einer agilen Softwareentwicklung, dynamischen Versionsmanagement und neuen Workflows verändern wollen oder können, werden nicht mit ihren internationalen und nationalen Wettbewerbern Schritt halten können, die sich bereits anders organisiert haben. Unternehmen müssen vor allem die unterschiedlichen Kulturen und Denkweisen berücksichtigen.

Moderne Entwickler verfolgen das iterative DevOps-Konzept, das aus kurzen Zyklen besteht. Groß kann klein nicht mehr schlagen!

Nehmen Sie uns als Beispiel: Vor zwei Jahren waren wir auf Tauchstation. Nun agiert Compuware selbst wie ein SaaS-Unternehmen. Allerdings war die Umstellung nicht unstrukturiert, sondern ganz herkömmlich geplant. Unser Geschäft läuft jetzt sehr gut, der Wert des Unternehmens steigt. Wir kommen seither jedes Quartal mit einem neuen Produkt auf den Markt und dazu noch mit Update-Angeboten für unsere Lösungen. Es so zu machen, ist für Compuware ein kompletter strategischer und kultureller Wechsel.

Die Verbindung von Development und Operations sollen auf dem Mainframe mit Tools wie Topaz möglich sein. Dadurch können Unternehmen deutlich schneller Anwendungen entwickeln (Bild: Compuware).

silicon.de: Mal von Compuware abgesehen. Was bewegt ihre Kunden im Moment? Sehen sie angesichts der Umwälzungen, die sie ansprechen, denn große Migrationsbewegungen weg vom Mainframe?

Mainframe-Exodus?

OChris O’Malley: Gerade jetzt, angesichts der Transition in Richtung Cloud Computing und der wachsenden Zahl an externen Plattformen, Applikationen und virtualisierten Infrastrukturen, neigen die Unternehmen dazu, beim Mainframe zu bleiben. Er ist eine sehr leistungsfähige, gut arbeitende, nachhaltige Inhouse-Plattform, die alle Prozesse und die wachsende Anforderungen durch Mobile Computing sehr stabil und skalierbar verwalten kann. In der Vergangenheit sind viele Unternehmen, beispielsweise auch Öffentliche Institutionen, daran gescheitert, den Mainframe zu ersetzen.

silicon.de: Wie kann es denn funktionieren, den leistungsfähigen Mainframe in ein agiles Unternehmensumfeld zu integrieren?

Chris O’Malley: Viele Großunternehmen versuchen, Shareholder-Kapital zu erwirtschaften, indem sie den Rückbau organisieren oder die Kosten verwalten. Wer das lange genug macht, verliert seine Innovationsfähigkeit. Deshalb muss an erster Stelle eine Änderung der Unternehmenskultur stehen. Für viele Unternehmen geht es dabei ums Überleben. Sie müssen sich neu erfinden und dabei unwiderstehlich Angebot und Marktmöglichkeiten schaffen.

Nach dem Kulturwandel kommen Tools und Prozesse. Diese machen den Erfolg erst möglich und da geht es rein um digitale Mittel. Die Unternehmen können ihre Entwickler nicht mehr mit einem Bündel an Tools versorgen und sie in den Keller sperren. Nein, sie müssen sie als Mit-Vertriebsleute betrachten. Wir entwickeln DevOps-orientierte Tools für das Mainframe Management, welche die proprietäre Plattform mit Open-Source-Technologien und modernen Entwicklungsfunktionen verbinden.

Mainframe als Kostenbremse

silicon.de: Und wie schätzen sie die Entwicklung des den Mainframe-Marktes in den nächsten Jahren ein?

Chris O’Malley: Es gab in der Vergangenheit tatsächlich immer wieder Versuche, den Mainframe abzulösen. Jedoch konnten Unternehmen letztlich dadurch keinen echten Vorteil gewinnen, im Gegenteil, die Alternativ-Systeme waren häufig langsamer, fehleranfälliger, komplexer und aufwändiger zu betreiben. Bis heute ist der Mainframe für viele Szenarien das mit Abstand performanteste, zuverlässigste und einfachste System: Transaktionen sind sogar um 60 Prozent kostengünstiger durchzuführen als mit anderen Lösungen. So gibt es keinen vernünftigen Grund, ihn abzulösen.

Der Mainframe bleibt auch für die nächsten zehn Jahre wichtig, zumindest ist das die Meinung von neun von zehn Unternehmen wie eine unserer Studien zu diesem Thema zeigt. IBM erklärt, dass es weltweit derzeit mehr MIPS (Million Instructions Per Second) gibt als jemals zuvor. Das Unternehmen hat alleine im vergangenen Jahr 50 neue Mainframe-Kunden gewonnen. Der Mainframe-Markt ist also gesund und wird auch weiterhin wachsen.

Der Wasserfall geht über den Jordan

silicon.de: Und auch mit dem Mainframe gelingt der Sprung in die moderne IT-Welt?

Chris O’Malley: Absolut, jedoch sind hier die organisatorischen Herausforderungen oft höher als die technischen. Schließlich haben Mainframe-Entwickler, die oft schon älter als 60 Jahre sind, seit vielen Jahrzehnten gemäß dem herkömmlichen Wasserfall-Ansatz gearbeitet. Neue Versionen wurden meist in Zeiträumen von über einem Jahr entwickelt. Viele erfahrene Mainframer sagten, dass kurze Lebenszyklen nicht möglich seien. Doch mit den entsprechenden DevOps-Ansätzen, internen Prozessen und Change Management haben zum Beispiel wir bei Compuware den Sprung in die heutige IT-Welt geschafft.

silicon.de: Lässt sich der Mainframe aus seinem Silo lösen? Gibt es von COBOL einen Weg in Cloud?

O‘Malley: Der Mainframe lässt sich aus seinem Silo lösen. Allerdings werden wir hier COBOL nicht vollständig ersetzen, da der Compiler auf dem Mainframe sehr schnell, sicher und hochskalierbar ist. Wir können aber die Sprachbasis für viele Szenarien mit C++ und sogar Java erweitern.

Den Weg in die Cloud sehen wir derzeit nicht, denn niemand kann den Mainframe besser und effizienter verwalten als die Kunden selbst. Zudem sprechen Compliance-Anforderungen beim Datenschutz gegen die Auslagerung der häufig unternehmenskritischen Mainframe-Anwendungen, insbesondere bei Banken und Versicherungen. Daher dürfte auf lange Sicht der Mainframe das einzige System bleiben, das im Rechenzentrum der Unternehmen bleibt.

Auch in 10 Jahren wird der Mainframe die gleichen Prozesse erledigen

silicon.de: Wie sieht dann konkret der Mainframe in Zukunft aus?

Chris O’Malley: Der Mainframe wird weiterhin im Rechenzentrum der Unternehmen bleiben, aber mit modernen Nutzeroberflächen verwaltet. Diese Lösungen funktionieren bis zum Rande des Mainframes, aber nicht darüber hinaus. Auf dem Mainframe selbst werden auch in zehn Jahren weiterhin größtenteils die gleichen oder ähnliche Prozesse ablaufen wie heute. Doch diese sind für die Entwickler dann weitgehend nicht mehr sichtbar. So wird der Mainframe in Zukunft etwa so verwaltet werden wie die heutigen Server.

silicon.de: Nochmal zu DevOps und dem Mainframe: Wie sie gerade sagen, werden gewisse Grenzen beim Mainframe sich nicht auflösen. Wie kann die Verbindung von Lösungen für ein übergreifendes IT-Ökosystem dennoch realisiert werden?

Chris O’Malley: Zum Beispiel können Unternehmen mit unseren Lösungen zur Visualisierung der Prozesse DevOps-Anwendungen wie JIRA auf dem Mainframe nutzen. Dazu gehören auch Anwendungen von AppDynamics, Atlassian, Jenkins, SonarSource und Splunk – also den führenden Mainstream- und Open-Source-Anbietern.

Diese Integrationen helfen Kunden dabei, den Mainframe in ihre breiteren unternehmensweiten Agile- und DevOps-Prozesse einzubeziehen, indem IT-Mitarbeiter die Mainframe-bezogenen Aufgaben mit populären Mainstream-Tools durchführen. Somit erhalten sie auch ein übergreifendes IT-Ökosystem und jeder IT-Professional kann auf dem Mainframe arbeiten.

silicon.de: Herr O’Malley, wir danken für das Gespräch.

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Redaktion

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