In Stuttgart hat diese Woche erstmals ein Oberlandesgericht entschieden, dass Aufnahmen von Dashcams als Beweismittel herangezogen werden können. Wie das Gericht mitgeteilt hat, ist es in Bußgeldverfahren in schwerwiegenden Fällen (im Verfahren ging es um einen sogenannten Rotlichtverstoß) grundsätzlich zulässig, auf Aufnahmen zurückzugreifen, die von anderen Verkehrsteilnehmer mittels Dashcam angefertigt wurden. Nach Einschätzung von Rechtsanwalt Detlef Burhoff ist das bundesweit der erste derartige Beschluss. Die Frage beschäftigt Gerichte bereits seit 2014. Damals hatte zunächst das Verwaltungsgericht Ansbach die Autokameras wegen Datenschutzbedenken größtenteils für unzulässig erklärt.
Rechtsanwalt Burhoff zufolge, der die Entscheidung auch im Volltext veröffentlicht hat, enthält sie drei Kernaussagen. Unbestritten ist demnach, dass die Anfertigung der Aufnahmen einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Betroffenen darstellt. Nicht Stellung genommen hat das Stuttgarter Gericht zu der Frage, ob ein Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz vorliegt oder ob die Aufnahme nach den dort in Paragraf 6 beschrieben Voraussetzungen zulässig war. Hier ist also noch Raum für künftige Verfahren.
Aber unabhängig davon, ob ein Verstoß vorlag der nicht, kann die Aufnahme nach Ansicht des OLG Stuttgart als Beweismittel verwendet werden. Dazu trage bei, dass es sich um eine Ordnungswidrigkeit und nicht um eine Straftat handle. Allerdings gehe es nicht um eine Ordnungswidrigkeit im Bagatellbereich, sondern um eine, die aufgrund groben Fehlverhaltens mit einem Fahrverbot geahndet werden kann. Im verhandelten Fall wurde eine deutlich länger als eine Sekunde rote Ampel nicht beachtet.
Ebenfalls wichtig ist dem Gericht, dass die Aufzeichnung weder vom Staat noch einer Privatperson planmäßig und gezielt vorgenommen wurde, sondern eher zufällig entstand. Selbsternannten Hilfssheriffs erteilt es ganz deutlich eine Absage: Aufnahmen dürften nicht als Beweismittel verwendet werden, “wenn Privatpersonen wiederholt bzw. dauerhaft aus eigener Machtvollkommenheit zielgerichtet mittels ‘Dashcam’-Aufzeichnungen Daten, insbesondere Beweismittel, für staatliche Bußgeldverfahren erheben, sich so zu selbsternannten ‘Hilfssheriffs’ aufschwingen und die Datenschutz- und Bußgeldbehörden dies dulden bzw. sogar aktiv fördern.”
Thomas Güttler, Geschäftsführer von Rollei, einem Hersteller von Dashcams, begrüßt die Entscheidung erwartungsgemäß: “Wir sehen mit dem gestern in Stuttgart gesprochenen Urteil, dass die Justiz die im Januar ausgesprochene Empfehlung des Verkehrsgerichtstags in Goslar aufgenommen hat. Man bewegt sich damit immer weiter von Überlegungen zu einem generellen Verbot von Dashcams weg, hin zu einer Lösung, die sowohl die Beweisinteressen als auch das Persönlichkeitsrecht berücksichtigt.”
Dies komme dem Rechtsempfinden vieler Nutzer entgegen, die sich mit dem Einbau der Dashcam lediglich die Möglichkeit der Beweisführung im Falle eines Verkehrsunfalls schaffen wollten. “Moderne Dashcams unterstützen diesen Ansatz, indem sie zum Beispiel nur aufnehmen, wenn es zu einer Annäherung an das Fahrzeug kommt oder Aufnahmen regelmäßig automatisch überspielen. Nur im Falle eines Aufpralls wird eine Aufnahme permanent gesichert, sodass der Unfallhergang nachvollzogen werden kann”, so Güttler.
Im Januar hatte sich schon die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff zu der Problematik geäußert: “Wenn eine Dashcam dazu genutzt wird, den Verkehr lückenlos zu dokumentieren, ist dies datenschutzrechtlich unzulässig”, so Voßhoff damals gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung. Unproblematisch sei aus ihrer Sicht dagegen eine rein private, zeitweise Nutzung. Das könnten etwa von Aufnahmen besonderen Passagen bei der Autofahrt in den Urlaub sein, die man später Freunden zeige. Auch langfristig nicht erlaubt werden wird es jedoch mit Dashcams aufgenommene Videos ohne Zustimmung der Betroffenen im Internet zu veröffentlichen.
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