Sharepoint: Entwickelt Microsoft am Bedarf vorbei?
Die Portalllösung, mit der Microsoft Themen wie Dokumenten-Mangament, Intranet oder Kommunikation abbildet, ist für viele Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Die Allerdings müssen in den meisten Fällen die Lösung für die eigenen Anforderungen zuschneiden.
Microsoft konzentriert sich bei SharePoint derzeit vor allem darauf, die Lösung für die Cloud oder hybride Einsatzszenarien zu optimieren. Für die Mehrzahl der Nutzer aber ist die Dokumentenverwaltung und das Team-Tool ein Teil der eigene IT-Landschaft. Einige Schnittstellen und Funktionen sind jedoch nur in Verbindung mit der Cloud nutzbar. Beispiele dafür sind etwa Office-365-Gruppen oder die Suchfunktion Office Graph.
Etwa 65 Prozent der Anwender nutzen SharePoint On Premises. Etwa 17 Prozent hingegen setzen auf eine Kombination und weitere 17 Prozent auf eine reine Cloud- oder von einem Anbieter gehostete Version. Microsofts Strategie, bestimmte Funktionen zunächst in SharePoint Online oder Office 365 verfügbar zu machen, ist zwar aus Microsoft-Perspektive wirtschaftlich sinnvoll, wirft aber bei den Anwendern Fragen auf.
Denn Microsoft hat sich klar dem Dictum “Cloud First, Mobile First” verschrieben. Laut einer aktuellen Erhebung der Hochschule für Medien geben aber 53 Prozent der Anwenderunternehen an, nicht in Cloud-Technologien investieren zu wollen. Nur 15 Prozent haben laut eigenen Angaben bereits in die Cloud investiert. Entwickelt Microsoft also am Bedarf des Marktes vorbei?
SharePoint-Entwicklung am Markt vorbei?
Für die klare Entscheidung gegen eine Cloud-Version von SharePoint, wie Studien-Autor Professor Arno Hitzges vor Journalisten erklärt, haben die Anwender handfeste Gründe. So dürfen beispielsweise Automobilzulieferer keine Daten in US-Cloud-Diensten ablegen.
“Wir konnten aber auch in unserer Studie sehen, dass auch die Steuerbarkeit hier eine Rolle spielt”, erklärt Hitzges. So werde beispielsweise der Release-Zyklus vom Anbieter vorgeschrieben. “Die Anwender sind mit dem Schritt in die Cloud auch gezwungen, ein Stück Kontrolle an Microsoft abzugeben.”
SharePoint-Customizing
Nur etwa 13 Prozent der Anwender nutzen SharePoint, so wie es von Microsoft kommt. 28 Prozent hingegen nehmen tiefgreifende Änderungen und Erweiterungen vor, 60 Prozent führen grundlegende Anpassungen durch und gleichen beispielsweise Logo und Farben dem Unternehmens-CI an. Bei den Modifikationen wird teilweise jedoch auch in die Funktionalität eingegriffen. Das hat zur Folge, dass beispielsweise bei künftigen Upgrades hohe Migrationskosten fällig werden können.
Den größten Nutzen können Unternehmen aus dem SharePoint-Server ziehen, wenn man ihn nicht nur für die Dokumentenverwaltung – 85 Prozent aller Anwender sehen darin die wichtigste Funktion – einsetzt, sondern auch mit Geschäftsanwendungen integriert. Laut Studie sind hier Unternehmen in der Größe zwischen 500 und 5000 Mitarbeitern am aktivsten, am häufigsten werden Projektmanagement-Lösungen (37 Prozent) sowie SAP-Systeme (26 Prozent) und ERP-Anwendungen im allgemeinen (14 Prozent) integriert.
Doch dafür müssen Anwender SharePoint erheblich anpassen. Und laut Studie verschlingen diese Integrations-Projekte etwa 48 Prozent des Budgets. 55 Prozent der Unternehmen investieren in externe Dienstleister, also IT-Beratungsunternehmen und weitere 20 Prozent in Freelancer.
Doch solche Initiativen binden natürlich Geld. Laut der vermutlich bislang umfassendsten Studie zu SharePoint in Deutschland, erklären mehr als 40 Prozent der Unternehmen, dass Investitionen bereits abgeschlossen seien. Nur 30 Prozent erkennen zusätzlichen Bedarf, was im Umkehrschluß bedeutet, dass rund 70 Prozent der Studienteilnehmer aktuell keine weitere Lizenzen hinzukaufen wollen.
Diese teilweise mangelhafte Integration schlägt sich auch in den Umfragewerten zur Zufriedenheit der Nutzer nieder. Nur ein gutes Drittel ist mit den Standardfunktionen nicht zufrieden und etwas mehr als die Hälfte ist nur teilweise zufrieden. Lediglich 12 Prozent schätzen SharePoint, so wie es ist.
“Aus meiner Sicht entwickeln sich hier die Interessen der Anwender und von Microsoft auseinander”, erklärt Hitzges gegenüber silicon.de. “Microsoft möchte möglichst schnell neue Erträge generieren, dies geht im Prinzip nur mit neuen Cloud-Erträgen oder neuen Tools. Die Anwender möchten bestehende Lizenzen besser nutzen und sind weit weniger an Neuerungen interessiert als Microsoft dies gerne hätte.” Das erklärt zumindest teilweise die Microsoft-Strategie, bestimmte Funktionen zunächst oder ausschließlich in der Cloud-Version bereitzustellen.
“In unserer Befragung gaben 59 Prozent der Befragten an, dass bei Mitarbeitern eine geringe Akzeptanz für Änderungen vorliegt und dies die Gesamtakzeptanz von SharePoint behindert”, so Hitzges weiter. “Das Problem für Microsoft ist, dass ein paar Prozent mehr Akzeptanz nicht wirklich signifikant Lizenzerträge generieren. Es ist also eine Abwägung: wieviel “Qualität” ist nötig, um den Kunden gerade nicht zu verlieren.”
Dennoch habe sich laut Studie gezeigt, – diese Befragung wurde inzwischen zum dritten Mal durchgeführt – dass sich die Zufriedenheit der Anwender von Version zu Version verbessert, so Hitzges weiter. Dennoch sind weiterhin 40 Prozent der Anwender von der Usability in SharePoint nicht überzeugt.
Für die Anwender steht aber die Usability der Lösung mit 71 Prozent an erster Stelle. Hier würde häufig eine inkonsistente Bedienung aber auch der teilweise “atypische” Umgang mit Dokumenten bemängelt, vor allem bei der Interaktion zwischen SharePoint und Desktop-Anwendungen.
Und gerade die Dokumentenverwaltung ist bei vielen Unternehmen die wichtigste Aufgabe in SharePoint. Auf den Rängen zwei und drei gesellen sich Wissensmanagement sowie das Thema Workflow hinzu. Das Dokumentenmanagement wird von 95 Prozent genutzt und stellt immerhin 81 Prozent der Anwender zufrieden. Auch Teamsites weisen einen Nutzungsgrad von 89 Prozent auf und bringen es auf einen Zufriedenheitswert von 78 Prozent. Bei der Suche sind es 89 Prozent Nutzer und 68 Prozent Zufriedene, bei den Projekt-Websites 83 und 67 Prozent.
Eher zurückhaltend scheinen die deutschen SharePoint-Nutzer bei der Nutzung von Social Collaboration. Auch sieht Hitzges zwar eine Steigerung der Zufriedenheiten bei den Anwendern, jedoch scheinen nach wie vor nur maximal die Hälfte der Nutzer mit diesen Funktionen zufrieden zu sein. Die Gründe dafür sind unter anderem auch in der Produkt-Historie zu suchen.
“Die Integration von Yammer etwa ist teilweise nur sehr rudimentär”, kritisiert Hitzges. Auch stoße der Microsoft-Dienst OneDrive gerne bei den Anwendern auf Skepsis, eine Haltung, die der Professor auch in seinem Alltag unter den Studierenden beobachten könne. So werde massiv Dropbox genutzt, OneDrive hingegen nur sehr selten. “Microsoft hat im Bereich Social Collaboration massiv zugekauft und für die Anwender steht auch die Frage im Raum, was soll ich denn jetzt nutzen?”, kommentiert Hitzges.
Daher haben sich auch viele Anwender beim Thema Social Collaboration für integrierte Tools von Drittanbietern oder Partnern entschieden. Zudem wollen vielen Anwender hier erst noch Erfahrungen sammeln und nach wie vor gibt es bei den Unternehmen erhebliche Ressentiments gegen Social Collaboration. So wollen immerhin knapp 50 Prozent der Anwender über Sharepoint keine externen Social Media-Projekte umsetzen, bei internen Projekten sind es knapp 40 Prozent. Aktuell nutzen lediglich 30 Prozent der Anwenderunternehmen SharePoint für interne wie externe Kommunikation.
Die Anwender versprechen sich durch den Einsatz von Social Media mit rund 77 Prozent die Verbesserung der Vernetzung der Mitarbeiter untereinander. Die Optimierung der internen Zusammenarbeit steht an zweiter Stelle und wird von 65,79 Prozent der Unternehmen genannt. Etwa 58 Prozent erhoffen sich eine Reduzierung des E-Mail-Aufkommens und ein verbessertes Wissensmanagement. Verbesserte Kommunikation in Projekten und eine erhöhte Mitarbeitermotivation gehören ebenfalls noch zu den zu erwartenden positiven Effekten.
Gleichzeitig sind die Befürchtungen negativer Auswirkungen sehr ausgeprägt. So sehen IT-Verantwortliche, das Risiko, dass Mitarbeiter das Angebot nicht nutzen (54 Prozent). Auch geben viele Unternehmen an, keinen Nachweis für einen geschäftlichen Nutzen zu sehen. Auch eine Flut von “Informationsmüll” werde laut Untersuchung von etwa 50 Prozent befürchtet.
Etwa ein Drittel sieht das fehlende Know-how und die Angst vor der Veröffentlichung vertraulicher Informationen als Herausforderung, rund ein Viertel der Befragten sieht in dem Thema rechtliche Risiken. Gar keinen geschäftlichen Nutzen erwarten immerhin 19,26 Prozent. Zusätzliche Kosten sind dagegen nur für 7,4 Prozent der Anwender eine Hürde.
Digitalisierung mit SharePoint?
Erstaunlich aber ist, dass ein relativ großer Teil der Anwender (knapp 40 Prozent) SharePoint als Plattform für die eigene Digitalisierungsstrategie nutzen will. Aber auch dafür gibt es laut Hitzges eine plausible Erklärung: “Nun, ich denke zum einen suchen die IT-Entscheider nach Möglichkeiten die Frage nach der digitalen Transformation mit wenig “Extraaufwand” zu beantworten und da SharePoint mittlerweile zu den ‘eh-da’ Lösungen gehört ist dies oft der “einfachste” Weg. Dass wirklich schon detaillierte Strategien vorliegen, glaube ich kaum.”
Nächstes Trend-Thema: Mobiler Zugriff. SharePoint wird typischerweise innerhalb der Unternehmens-Firewall als Intranet-System verwendet und so greifen auch wenig überraschend 95 und 91 Prozent der Nutzer mit dem Desktop oder Laptop auf das System zu. Weit abgeschlagen ist der Zugriff via Tablets mit 58 Prozent und lediglich 42 Prozent nutzen das Smartphone.
Hier dürfte auch hineinspielen, dass Microsoft erst seit SharePoint 2013 Support für mobilen Zugriff mit responsive Designs bietet. Mit der aktuellen Version SharePoint 2016 gibt es zahlreiche Portalansichten wie Dokumentenbibliotheken oder Listen in modernisierten und mobilfähigen Designs. Auch durch Apps für Android, iOS und Windows Mobile erwartet Hitzges eine zusätzlich Beschleunigung der mobilen Nutzung.
Gut gerüstet für SharePoint?
In technischen Fragen scheinen Anwender gut gerüstet zu sein. Fast 90 Prozent stufen sich hier selbst als gut oder sehr gut ein. In organisatorischen Fragen hingegen sehen sich 33 Prozent sehen sich als eher schlecht oder sehr schlecht für die Aufgaben rund um SharePoint gerüstet. Das hängt laut Hintze vor allem damit zusammen, dass recht kleine Teams ein doch recht breites Funktionsspektrum betreuen müssen.
Auch im Bereich Mitarbeiter und Finanzen sehen viele Anwender Verbesserungsmöglichkeiten. Ein Problem ist laut Hitzges vor allem auch die Suche nach geeigneten Mitarbeitern und Fachkräften. “Experten für SharePoint bekommen teilweise Tagessätze die 30 Prozent über denen von SAP-Beratern stehen.”
Methodik
Mit über 300 befragten Entscheidern aus mittleren und großen Anwenderunternehmen ist die Studie die umfangreichste Erhebung in Deutschland, die aktuelle Transparenz über den facettenreichen Einsatz von SharePoint gibt. Die Studie wurde in einer ausführlichen Online-Befragung im Zeitraum von Dezember 2015 bis Januar 2016 durchgeführt und wird von den Anbietern Harmonie, Henrichsen AG, IPI GmbH, Inosoft GmbH, R.K. Profits, Nova Capta Software & Consulting GmbH sowie von Implexis GmbH unterstützt.