ERP-Systeme im Wandel: Revolution durch das Internet of Things

(Bild: Shutterstock/Wright Studio)

Die ganze Fertigungsbranche spürt den Druck, den eigenen Betrieb intelligent zu machen, Produktion und Prozesse zu optimieren und so wettbewerbsfähig zu bleiben. Warum Industrie 4.0 aber kein reines Produktionsthema sein darf, erklärt Frank Siewert, der Autor dieses Gastbeitrags für silicon.de.

Nicht nur ein paar Trendsetter unter den Unternehmen setzen auf Industrie 4.0, die ganze Fertigungsbranche spürt den Druck, ihren eigenen Betrieb intelligent zu machen, Produktion und Prozesse zu optimieren und so wettbewerbsfähig zu bleiben. Aber Industrie 4.0 darf kein reines Produktionsthema sein, sondern muss in alle Abteilungen des Unternehmens reichen. Die Schaltzentrale, um Produktionsdaten für das ganze Unternehmen nutzbar zu machen, ist das Warenwirtschaftssystem. Das Enterprise Resource Planning (ERP) macht mit einer Plattform für Internet of Things (IoT) außerdem alte Maschinen intelligent.

Frank Siewert, der Autor dieses Gastbeitrags für silicon.de, ist Vorstand der Comarch Software & Beratung AG (Bild: Comarch).
Frank Siewert, der Autor dieses Gastbeitrags für silicon.de, ist Vorstand der Comarch Software & Beratung AG (Bild: Comarch).

Immerhin: 46 Prozent der deutschen Unternehmen haben bereits damit begonnen, mit vernetzten Maschinen zu arbeiten, so eine Studie des Branchenverbandes Bitkom. Bei vielen einfachen Aufgaben können Roboter menschliche Arbeit ersetzen. Und diese zunehmend autonome Produktion schürt Skepsis gegenüber der Digitalisierung und Automatisierung: Welche Rolle kommt dem Menschen zu, wenn er nur noch überwachen und lenken, nicht mehr ausführen darf? Dass sich die Arbeitswelt insbesondere für den klassischen Facharbeiter verändert, das ist unbestritten. Die Akzeptanz für den technischen Wandel und zur Weiterbildung steigt allerdings, je mehr der Einsatz des Internet of Things im Unternehmen verbreitet ist.

Das Enterprise Resource Planning als vielarmiges Werkzeug, mit dem alle Abteilungen vertraut sind und das die Daten aus der vernetzten Fabrik bündelt, kann als Vermittler zwischen traditioneller Arbeit und digitalem Fortschritt wirken. Ein ERP-System neuester Generation kann verschiedene Kompetenzbereiche verbinden und den Nutzen von Industrie 4.0 für jeden einzelnen Bereich verdeutlichen, indem es beispielsweise Sensordaten aus der Produktion mit Logistik und Lagerhaltung, CRM und Vertrieb, Controlling und Bestellsystem austauscht. Ein solches Industrie-4.0-ERP arbeitet prozessorientiert und sorgt für ein schnelleres Aufeinanderfolgen von Produktionsschritten.

(Bild: Shutterstock)
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Maschinen und Software: Aus alt mach neu – oder doch austauschen?

Selbst alte, stumme Maschinen lassen sich mit Beacons – kleinen Sensoren – nachrüsten, um Berichte über ihren Produktions- oder Wartungsstatus zu versenden. Dadurch werden die Maschinen in die Lage versetzt, untereinander zu kommunizieren. Die Koordination übernimmt die IoT-Plattform, die zusätzlich das ERP-System updaten kann. Auf eine Fehlermeldung kann ein Mitarbeiter unmittelbar reagieren, indem er die aktuellen Kapazitäten der Fabrik direkt im ERP prüft und die Fertigung auf eine andere, intakte Maschine umleitet.

Die Sensordaten müssen möglichst vollständig genutzt werden, ohne das System zu belasten. Zwischen den Erzeugern der Sensordaten und dem ERP “vermittelt” eine cloudfähige Internet-of-Things-Plattform. Sie managt und integriert Daten, schafft Business Rules, sorgt für Updates des ERP, startet und kontrolliert die vernetzten Geräte, filtert in Echtzeit die fürs ERP-System prozessrelevanten Daten.

Nicht zuletzt sorgt sie auch für die Verschlüsselung der Daten und somit für eine sichere End-to-End-Kommunikation. Die Business-Logik geht dabei von der IoT-Plattform aus – danach erfolgt eine Synchronisation des ERP-Systems, um eine doppelte Business-Logik zu verhindern. Beacons haben keine Business-Logik, diese wird von der IoT-Plattform bestimmt. IoT-Plattform und ERP-System sollten dabei perfekt ineinander greifen.

Industrie 4.0 (Shutterstock/Adam Vilimek)
Industrie 4.0 (Shutterstock/Adam Vilimek)

Während es sich lohnt, den bestehenden Maschinenpark umzurüsten, bringt das bei einem alten ERP-System wenig. Als Industrie-4.0-Lösung ist nur ein ERP-System mit direkter Internet-Kommunikation und offenen Schnittstellen geeignet, um nachgeordnete Systeme ebenso wie Lieferanten oder Kunden verlustfrei einzubeziehen. Denn Industrie-4.0-Prozesse zeichnen sich durch hohe Dynamik und Flexibilität aus – das muss ein ERP-System unterstützen. Herkömmliche ERP-Software leistet das nicht, und sie mit einfachen Mitteln aufzuwerten, ist höchstens theoretisch denkbar.

Sinnvoll ist es nicht, denn dafür wären undynamische Workarounds erforderlich, die immer neuen Programmieraufwand nach sich ziehen und dem Paradigma der intelligenten Fabrik widersprechen. Sowohl Unternehmen mit mehreren Produktions- und Verwaltungsstandorten als auch solche, die mobil auf ihr ERP-System zugreifen wollen, sollten eine browserbasierte Software wählen. Dann ist es nicht nötig, lokale Apps zu installieren und zu warten. Dabei gilt: Ganz gleich, wie viele Standorte ein Unternehmen hat – alle sollten jederzeit mit dem gleichen Datenbestand arbeiten.

Datenwanderung: von der Produktion zum ERP, vom ERP ins Unternehmen

Und wie sieht modernes ERP in der Serienfertigung heute aus? Ein Beispiel: Ein Kunde bestellt im Online-Shop eines Werkzeugherstellers 50 Spezialdichtungen, die in zwei Produktionsschritten gefertigt werden. Das Bestellsystem leitet den Auftrag an die Fabrik weiter. Im ERP wird ein Produktionsauftrag erstellt und mit sofortigem Startzeitpunkt eingelastet. Das ERP exportiert alle nötigen Informationen an die IoT-Plattform, die den Start der Maschinen initiiert.

Druck- und Temperatursensoren senden alle paar Sekunden einen Statusbericht an die Plattform, die ausschließlich die prozessrelevanten Informationen zum Fortschritt der Produktion an das offene ERP weitergibt. Nach Vollenden des ersten Produktionsschrittes wird automatisch der zweite Schritt eingeleitet. Sowohl mögliche Störungen als auch der Fortschritt und Abschluss der Produktion sind jederzeit im ERP-System einsehbar.

(Bild: Comarch)

Wie lassen sich die Maschinendaten außerhalb der Fertigung verwenden?

Die Realisierung individueller Kundenwünsche nach kleinsten Produktionsmengen ist für KMU wie Großkonzerne ein dickes Plus der smarten Fabrik. Die Kalkulation eines Losgröße-1-Produktes ist allerdings sehr komplex, es gibt kaum Spielraum. Das Controlling kann feinste Daten aus der Produktion nutzen, um den genauen Materialaufwand, Energie- und weitere Nebenkosten nachzuvollziehen.

Damit lassen sich Stellschrauben zur Kostensenkung ermitteln oder eine fundierte Grundlage für Preisverhandlungen schaffen. Wenn wiederum Lagerhaltung und Logistik in Echtzeit Daten aus dem ERP übermittelt bekommen, welche Produkte wann und in welcher Reihenfolge fertig werden, lassen sich Kapazitäten effektiver planen und Zeitpläne anpassen.

Die Mitarbeiter unterschiedlicher Abteilungen bedürfen keiner besonderen Schulungen, um für ihren jeweiligen Bereich Nutzen aus dem Internet of Things zu ziehen. Um an die benötigten Daten zu gelangen, verwenden sie das ERP, dessen Benutzeroberfläche allgemein bekannten Regeln folgt. Das ERP-System wird zugleich zum Hüter der Datenwahrheit, das heißt: Es sorgt für eine zentrale Datenhaltung über sämtliche Prozesse hinweg und für eine unternehmensweit einheitliche Informationslage.

Mehrwert in der Produktion und darüber hinaus

Industrie 4.0 besteht nicht “nur” aus selbst fahrenden Gabelstaplern und autonom produzierenden Fräsmaschinen und Öfen. Mit einem modernen ERP als zentralem Knotenpunkt lassen sich Prozessabläufe optimieren, die Produktqualität sichern und Produkte weiterentwickeln, die Kommunikation innerhalb der Produktion und mit Partnern, Kunden und Lieferanten optimieren und Kapazitäten planen. Industrie 4.0 in der Produktion ist mehr als ein bloßes Buzzword, Industrie 4.0 ist Chance und Challenge zugleich. Bereits der teilweise Einsatz von Industrie 4.0 bringt deutliche Effekte: 13 Prozent geringere Kosten und 18 Prozent mehr Effizienz.

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