Über das Für und Wider von IT-Zertifizierungen streiten die Experten seit Jahrzehnten. Sichtweisen und Standpunkte unterscheiden sich notwendigerweise, je nachdem, wen man fragt: IT-Konzerne, die Zertifizierungen anbieten, Schulungsanbieter, Trainer oder Teilnehmer. Die Frage, ob IT-Zertifizierungen echte Kenntnisse belegen ist ebenso umstritten wie die, ob sich Form und Durchführung von Prüfungen überhaupt praxisgerecht gestalten lassen.
“Früher oder später muss man sich als IT-Dienstleister jedoch für oder gegen Zertifizierungen für Soft- und Hardware entscheiden. Als Hosting-Anbieter sind Virtualisierung und die Cloud Kerngeschäft für uns und natürlich erwarten unsere Kunden, dass wir bei den wichtigsten Plattformen entsprechendes Know-how vorweisen können”, berichtet Thomas Wittbecker, CEO der Adacor Hosting. “VMware steht dabei ganz vorne und so haben wir uns letztes Jahr entschlossen, einen Mitarbeiter zertifizieren zu lassen. Schließlich ist eine solche Zertifizierung nicht nur ein Image-Gewinn für das Unternehmen, sondern auch Mindestvoraussetzung für eine VMware-Partnerschaft.”
VMware bietet Zertifizierungen in den Bereichen Cloud- und Datacenter-Virtualisierung an, wobei letztere verbreiteter sind. Das mit Abstand wichtigste Zertifikat ist der “VMware Certified Professional – Datacenter Virtualization” (VCP-DCV). Der ausgewählte Mitarbeiter war sehr erfreut über die Option, sich zum VCP “ausbilden” zu lassen, denn neben dem Know-how Gewinn kommt hinzu, dass die Zertifikate personengebunden sind. Über den Wert einer VCP-Zertifizierung kann man sicher diskutieren, aber für eine Karriere in der IT-Branche ist sie durchaus von Vorteil. Anfang November meldete sich daher Systemadministrator Marc Heinz für die VCP Zertifizierung an.
“Die Trainings adressieren in erster Linie System-Ingenieure und System-Architekten. Zwar würden auch Produktmanager davon profitieren, für sie ist es im Unternehmen aber meist ausreichend, sich mit den eigenen SEs und SAs auszutauschen” berichtet Marc Heinz. “In jedem Fall sind Grundkenntnisse im Netzwerk- (Cisco) und Storage-Bereich (NetApp, EMC, HDS, HP) sowie fundamentale Linux-Kenntnisse sehr hilfreich, um den Kursinhalten folgen zu können. Virtualisierungs- oder gar VMware-Vorkenntnisse sind nützlich, aber nicht zwingend, da diese Inhalte Teil der Agenda sind.”
Erste Anlaufstelle für Kunden, die die VCP-Zertifizierung anstreben, ist VMwares neu strukturiertes Lern-Portal VMware Education. Ein kostenloses Registrieren erschließt den Zugang zu Informationen, wie den möglichen Lernpfaden und einigen kostenlosen Lernmaterialien, Videos und Webinaren. Darüber hinaus bietet VMware in seinem Education-Portal so genannte Blueprints an. Diese vermitteln einen groben Überblick, welche Kenntnisse zum erfolgreichen Absolvieren der Prüfung erforderlich sind. Zudem ist das vorherige Durcharbeiten guter Lehrbücher ratsam, empfehlenswert ist unter anderem “Mastering vSphere” von Scott Lowe.
Aber einfach so wird man nicht zur Prüfung zugelassen. Nur wer das vorherige Absolvieren eines mit VMware vSphere 6 im Zusammenhang stehenden VMware-Trainings über seinen MyLearn-Account nachweist, kann sich anmelden. Diese vSphere-Trainings sind auf fünf Tage angelegte Kurse, die zu mindestens 50 Prozent auf praktischen Übungen basieren. Geübt wird in einer virtualisierten Laborumgebung in der VMware-Cloud, sodass jeder Teilnehmer im Kurs über seine eigene VMware-Umgebung verfügt.
“Das vSphere-Training war sehr informativ, hat vieles aufgefrischt und auch für mich Neues gebracht. Aber das alleine langt zur Prüfungsvorbereitung nicht aus”, berichtet Marc Heinz. “Wer die am Ende des Zertifizierungsprozesses stehende Multiple-Choice-Prüfung bestehen will, sollte doch über Praxiserfahrung mit vSphere sowie fundiertes Detailwissen zur Konfiguration verfügen, ansonsten hat man wenig Chancen.”
Um das Training kommt man, selbst bei viel Know-how nicht drum herum, zumal Anwesenheitspflicht besteht. Abholen kann die Teilnahmebescheinigung nur der, der persönliche, lückenlose Anwesenheit nachweisen kann. Ist das der Fall, kann sich der Teilnehmer schließlich über seinen MyLearn-Account in einem autorisierten Testcenter für die zweigeteilte Prüfung zum VCP 6 anmelden.
Der erste Teil, das so genannte “vSphere 6 Foundations Exam (2V0-620)”, kann webbasiert von zu Hause abgelegt werden. Abgesehen vom Zeitlimit kann der Bewerber dabei sämtliche ihm zur Verfügung stehenden Hilfsmittel einschließlich Google verwenden. “Hier merkt man schon recht gut, ob man das Zeug zum Bestehen der Prüfung hat. Wer zu oft auf externe Hilfe angewiesen ist weiß, dass wahrscheinlich zu wenig Know-how vorhanden ist.”
Das Foundations Exam kostet etwa 90 Euro und berechtigt zum Ablegen der eigentlichen Prüfung – der videoüberwachten Präsenzprüfung “VCP6-DCV Exam” in einem Testcenter, die mit etwa 200 Euro zu Buche schlägt. Das Prüfungs-Geschäft hat VMware übrigens, wie andere Anbieter auch, an Test-Center wie Pearson VUE ausgelagert.
“Das VCP6-DCV Exam hat es in sich und es bestehen bei weitem nicht alle Teilnehmer, was in meinen Augen ein Qualitätsmerkmal ist”, rekapituliert Marc Heinz. “Mit Praxis-Know-how, dem Durcharbeiten der Lernmaterialien sowie dem Besuch der Schulung ist das jedoch gut zu schaffen.”
Multiple-Choice-Prüfungen zum Erlangen eines IT-Zertifikates sind umstritten. Allerdings nutzen viele Anbieter wie beispielsweise auch Microsoft das Verfahren und nach Rücksprache mit Teilnehmern kann man, auch unter Berücksichtigung der Durchfallquote, wohl mit Recht die VCP-Reputation derzeit höher als andere Zertifizierungen ansetzen.
VMware stellt hohe Ansprüche an die Qualität von Trainern und Schulungsanbietern. VMware-Trainer müssen nicht nur ein aufwändiges Coaching-Programm bis zum VMware Certified Instructor (VCI) durchlaufen – dazu zählt auch eine überdurchschnittliche Mindestpunktzahl beim eigenen VCP -, sondern auch ein Minimum an Schulungen pro Jahr halten, um den VCI-Status nicht zu verlieren. “Das spürt man recht deutlich. Qualitativ gehörte die VMware-Schulung mit zum Besten, was ich bisher besucht habe”, merkt Marc Heinz an.
Hat man die Prüfung geschafft, ist man jedoch nicht auf Lebenszeit zertifiziert, denn der VCP-Status ist nur zwei Jahre gültig und muss dann erneuert werden, was Heinz bedauert. “Aus technologischer Sicht und Qualitätsgründen ist das nachvollziehbar, aber für die Teilnehmer und Unternehmen bedeutet das alle zwei Jahre doch einen recht hohen Aufwand.”
“Der gesamte Zertifizierungsprozess war umfangreich und anstrengend, aber es hat sich für mich und auch meinen Arbeitgeber Adacor gelohnt”, zieht Marc Heinz sein Résumé. “Ein schöner Nebeneffekt war, dass sich auch mein persönliches Netzwerk erweitert hat. Neben dem Erwerb des Zertifikats konnte ich viele IT-Fachleute kennenlernen und mich mit ihnen – nicht nur – über VMware-Installationen austauschen. Der Kontakt zu einigen wird auch über das Seminar hinaus bestehen bleiben.”
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