Banken müssen sich heute nicht nur mit den Langzeitfolgen der Finanzkrise auseinandersetzen, sondern auch mit einem strukturellen Problem: Im Markt für Finanzdienstleistungen, in dem jahrzehntelang die Claims mehr oder weniger fest abgesteckt waren, sind auf einmal neue Player aufgetaucht. Während die Banken oft noch ihren Weg in die digitale Welt suchen und Schritt für Schritt ihre Dienstleistungen ins Web oder auf mobile Plattformen bringen, drängen neue, eigentlich branchenfremde Unternehmen in den Markt. Die “Fintechs” fordern mit ihren schlanken Geschäftsmodellen die Wettbewerbsfähigkeit der etablierten Institute heraus.
Zu den technologiegetriebenen Fintechs gehören einerseits große digitale Player wie Google, Apple, PayPal und Amazon, andererseits Start-ups, die sich auf spezielle Segmente des Finanzgeschäfts fokussieren, etwa Traxpay, Bergfürst, Nummer26, Auxmoney, Cringle oder Payleven. Eine klare Definition des Begriffs gibt es allerdings nicht.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) geht davon aus, dass es in Deutschland mindestens 250 Unternehmen dieser Kategorie gibt, weltweit sollen es sogar 12.000 sein. Technologiegetrieben sind solche Unternehmen, da sie ein Geschäftsmodell verfolgen, das ohne Web und eine entsprechend angepasste IT nicht funktionieren würde; dieser Aspekt steht dann auch beim Ausbau der Leistungen immer wieder im Zentrum.
Unternehmen wie Amazon oder Paypal respektive Ebay kommen aus dem E-Commerce, und sie haben zunächst nur ihre Handelsbeziehungen um bequeme Bezahlfunktionen erweitert. Dabei blieb es natürlich nicht: Bald wurden diese Bezahlfunktionen zu regelrechten Zahlservices ausgebaut, zum Beispiel Paypal oder Amazon Payment, und diese konnten dann auch schon für Transaktionen außerhalb der ursprünglichen E-Commerce-Plattformen genutzt werden. Der Zahlungsverkehr ist für “Quereinsteiger” ein umso attraktiveres Betätigungsfeld als dafür noch keine Banklizenz nach § 32 Kreditwesengesetz benötigt wird – was zum Beispiel schon für das Angebot eines normalen Online-Kontos nötig wäre. Es genügt hier die weniger anspruchsvolle “E-Money-Lizenz” nach § 8a Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz.
Man sollte in diesem Zusammenhang nicht übersehen, dass die Fintechs in der Regel immer auch auf Leistungen traditioneller Finanzdienstleister angewiesen sind, ein Stück weit also als Trittbrettfahrer agieren. Doch auch wenn in der Regel noch immer herkömmliche Verfahren wie Kreditkarten oder Bankkonten in die Transaktionen involviert sind, in der Tendenz werden Banken nicht mehr benötigt, wenn Kunden Zahlungen über einen speziellen Zahldienst abwickeln. Außerdem besteht die Gefahr, dass die Kunden auf diesem Weg früher oder später auch mit anderen Geschäften aus dem traditionellen Bankensektor abwandern.
Services wie Paypal oder Amazon Payment zeigen aber auch sehr gut, worin die Attraktivität solcher Leistungen für die Kunden besteht:
Die Vorteile gegenüber traditionellem Onlinebanking, wie es Banken anbieten, sind unübersehbar; auf diese Weise bezahlte Lieferungen kommen in der Regel mehrere Tage früher zum Kunden. Außerdem werden “bankfremde” Zusatzleistungen angeboten, beispielsweise der Käuferschutz bei Paypal. Der Zahlungsverkehr über die großen Fintechs, die im Übrigen gar nicht “nur” Fintechs sind, sondern weiterhin primär als E-Commerce-Plattformen agieren, entwickelt sich mehr und mehr zum Mainstream im Online-Handel. Die Erweiterung um Mobile Payment, so sie endlich massentauglich wird, könnte diesen Trend noch verstärken.
Spezialisierte Fintechs bieten auch andere Bankfunktionen an, so etwa Crowdfunding und Crowdinvesting, Peer-to-Peer-Kredite aber auch automatisierte Finanzberatung mit einfach zu bedienenden und kostengünstigen Servicemodellen. Andere Unternehmen konzertieren sich auf Bank-interne Funktionen wie Risikobewertung oder Scoring. Für etablierte Institute stellen solche Segment-Anbieter dann eine Gefahr da, wenn sie lukrative Teilprozesse aus einem Portfolio mit Mischkalkulation herausbrechen können.
Gegenüber traditionellen Instituten haben Fintechs eine Reihe von Vorteilen, die ihnen günstige Startpositionen im Wettbewerb um die Kunden verschaffen. So sind ihre Angebote stark selektiv und hoch standardisiert; außerdem sind sie bewusst so abgestimmt, dass nur niedrige Zulassungshürden zu bewältigen sind, was geringere Kosten und höhere Flexibilität bedeutet. Die meisten Fintechs verzichten ohnehin auf den aufwändigen Erwerb einer Banklizenz und bevorzugen stattdessen Kooperationen mit “echten” Banken.
Der wichtigste Vorteil aber ergibt sich direkt aus den Eigenheiten der Internet-Ökonomie, in der die Fintechs einfach mehr zuhause sind als herkömmliche Banken. Fintechs verfügen in der Regel über mehr und bessere Informationen über ihre Kunden. Die alte Regel, dass niemand seine Kunden besser kennt als seine Bank, gilt in diesem Umfeld nicht mehr: Betreiber großer E-Commerce-Plattformen wie Amazon oder Ebay, aber auch Plattformen wie Facebook oder Google kennen die Kunden sehr viel besser.
Sie verfügen über detaillierte Kundenprofile, die es ihnen ermöglichen, mit situationsbezogenen, individuellen Angeboten für Finanzprodukte- und -dienstleistungen bei Kunden und Interessenten vorstellig zu werden, lange bevor herkömmlich arbeitende Banken überhaupt einen Bedarf erkennen. Das erlaubt Fintechs eine besondere Kundennähe und Reaktionsschnelligkeit, die ihnen wiederum gerade bei internetaffinen Kunden, die dieses Vorgehen aus dem Web längst kennen, schon mal einen psychologischen Vorteil verschafft.
Die Digitalisierung des Finanzmarkts ist mittlerweile ein Top-Thema in den etablierten Instituten. Zum einen gibt es zahlreiche Kooperationen mit Fintechs, die nicht zuletzt aufgrund regulativer Vorgaben häufig (noch) auf diese Zusammenarbeit angewiesen sind, zum anderen versuchen Banken aber verstärkt auch ihre eigenen Leistungen zu modernisieren und auch im traditionellen Bankgeschäft Anschluss an die digitale Welt zu finden.
Hier mangelt es allerdings oft an einem ganzheitlichen Ansatz, der von der Filiale über das Web-Portal bis zur App alle Aktivitäten der Kunden konsistent abdeckt. Stattdessen werden häufig nur selektive Funktionen aufgepusht, die jedoch kaum Verbindung zum Rest des Portfolios haben. So haben Kunden schließlich eine wunderschöne und möglicherweise funktionsreiche App auf ihrem Smartphone, die aber nicht weiß, was derselbe Kunde kurz zuvor in der Filiale erledigt hat.
Mit kanalübergreifenden, personalisierten Angeboten auf Basis vorhandener Kundendaten stoßen Banken heute noch immer auf technische Schranken. In ihren Rechenzentren arbeiten meist noch die Legacy-Systeme des vergangenen Jahrhunderts. Diese Systeme sind ausgereift, bewährt und sehr leistungsfähig hinsichtlich eines hohen Transaktionsaufkommens, so dass Banken die teure, zeitaufwändige und vor allem risikoreiche Migration auf neuere Systeme mit einigem Recht scheuen. Anderseits sind Legacy-Systeme nicht flexibel genug, um die in einem digitalisierten Finanzmarkt benötigten Informationen und Services bereitzustellen, beispielsweise eine volle Integration mobiler Devices.
Selbst wenn Banken einen Weg in die digitale Welt gefunden haben, so sind sie doch meist gezwungen, dafür unterschiedliche Systeme nebeneinander zu betreiben. Hoch personalisierte Services auf unterschiedlichen Plattformen kann man so aber nicht anbieten; auch die breite Auswertung aller verfügbaren Daten, wie sie für modernes Decision-Management nötig ist, ist auf diese Weise nur mit großem Aufwand realisierbar.
Legacy-Systeme als Hindernis für Innovationen
So erklärten in einer Studie von Pegasystems und Cognizant fast ein Viertel der befragten Finanzdienstleister, dass sie keine Pläne hätten, ihren Kunden vollständige Personalisierung zu bieten. Als Haupthindernis erwies sich, dass die verwendeten Legacy-Systeme die entsprechenden Daten, vor allem von neueren Devices, nicht verarbeiten können.
Während die Fintechs ohne Altlasten die Technologien implementieren können, die perfekt zu ihrem Geschäftsmodell passen, müssen etablierte Banken also mit den Technologien von gestern die Herausforderungen von morgen bewältigen. Es ist absehbar, dass das nicht funktionieren kann.
Wenn die Banken ihre Legacy-Systeme also auf absehbare Zeit nicht loswerden, können sie eine ganzheitliche Neuausrichtung ihre IT auf die neuen Anforderungen nur erreichen, indem sie über ihre existierende Infrastruktur eine neue Schicht spannen. Diese Schicht öffnet die Daten der Legacy-Welt für eine neue, plattformübergreifende Verwendung, also beispielsweise für stark personalisiertes CRM. Die Legacy-Systeme im Hintergrund werden dabei fortgeführt, während die neue Schicht – eine Art Fintech-Layer – die Daten für personalisierte Angebote in Echtzeit bereitstellt. Mit so einem Layer können Banken dann nach außen wie echte Fintechs agieren. Dieser Ansatz ist nicht nur deutlich kostengünstiger als die Neuentwicklung einer gesamten IT-Infrastruktur. er lässt sich auch viel schneller realisieren. Ein Fintech-Layer kann in der Praxis bereits nach wenigen Monaten in den produktiven Betrieb gehen.
Dieser Aspekt ist umso wichtiger, als – wie immer in der Digitalen Transformation – der Zeitfaktor für die weitere Entwicklung entscheidend sein kann. Noch beschränken sich die großen digitalen Player auf die Zahlungsfunktionen während die kleineren, die reinen Fintechs nur eine Nischenrolle spielen. Für traditionelle Finanzdienstleister steht damit – ohnehin schon überraschend lange – ein Zeitfenster offen, das es zu nutzen gilt.
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